Weiterbildung an Hochschulen. Tobias Zimmermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tobias Zimmermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035507409
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Umgang wird der Kursgegenstand vor allem als ein individuelles Problem thematisiert. Ein solcher Umgang zeigt sich beispielsweise in Kursangeboten häufig, in denen es um das Thema Zeit geht (vgl. Bachmayer & Faulstich 2002, S. 42 f.). Veranstaltungen zum Zeitmanagement haben in der Weiterbildung immer noch eine hohe Relevanz. Dabei wird Zeit individualisierend in erster Linie als ein individuelles Problem diskutiert. Ein solcher Umgang mit dem Zeitproblem lastet es dem Einzelnen an, mit dem Zeitstress zurechtzukommen. In Zeitmanagement-Seminaren werden entsprechend Effizienzstrategien trainiert, um zum Beispiel Prioritäten zu setzen, Zeitdiebe zu identifizieren und den Einsatz der Zeitressourcen zu optimieren. Dies läuft darauf hinaus, dass Ratgeber-Wissen genutzt wird (Prioritätensetzung, ABC-Analyse, ALPEN-Methoden etc.) und daraus Effizienzmittel und -prinzipien abgeleitet werden (Verwendung von Timer, Organizer etc.).

      In einer strukturellen Thematisierung – wiederum am Beispiel Zeit – werden stärker gesellschaftliche Dimensionen, also die Kontexte der Zeitproblematik fokussiert, welche den individuellen Umgang mit Zeit rahmen. Es werden beispielsweise Fragen nach den organisationalen und betrieblichen Bedingungen gestellt, oder es wird gar versucht, das Zeitproblem in seinen philosophischen, historischen und kulturellen Dimensionen zu begreifen. Zeit wird damit auch als gesellschaftliches Problem thematisiert. Diskutiert werden auch mögliche Veränderungen des strukturellen und organisatorischen Rahmens der Zeitproblematik.

      Auch die beiden Pole individuell versus strukturell schließen sich nicht aus, können aber in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: In einer stärker individualisierenden Thematisierung lassen sich die individuellen Herausforderungen und Problemstellungen detailliert aufschlüsseln. Auf dieser Grundlage können Ansätze für einen angemessenen Umgang mit diesen diskutiert werden. Dabei besteht aber die Gefahr, dass die kontextuellen Bedingungen verschiedenster Art, die die Problemstellungen beeinflussen oder hervorrufen, ausgeklammert und nicht reflektiert werden. Auf der anderen Seite bleibt eine Reflexion der Rahmungen wirkungslos, wenn die eigenen Fragen nicht aufgeklärt werden und so der eigene Alltag nicht erreicht wird.

      Zwischen sach- und methodenbezogenem Umgang

      Ein viertes Spannungsverhältnis wird durch die beiden Pole sach- versus methodenbezogen aufgespannt. In einer Sachorientierung wird das Problem didaktischer Planung primär als ein inhaltliches Problem bestimmt. Es geht um die Auswahl, Strukturierung und Vermittlung von Inhalten. Gefragt wird allgemein nach dem Bildungsgehalt der Lehrinhalte, spezieller zum Beispiel nach ihrer Struktur und ihren Regeln, der Wissenschaftlichkeit sowie nach ihrer möglichen Zukunftsbedeutung für die Teilnehmenden. In einer Methodenorientierung werden verstärkt Methodenaspekte fokussiert. Im Mittelpunkt stehen Fragen beispielsweise nach der medialen Unterstützung des Lernens, nach dem Einsatz von Methoden, nach der sozialen Interaktion im Lehr-Lern-Geschehen oder nach Möglichkeiten der Überprüfung des Lernerfolgs.

      Empirisch zeigt sich oft, dass Erwägungen der Lehrkräfte, die sich auf den Einsatz von Methoden und Medien im Kurs beziehen, die Bestimmung von Inhalten und den Umgang mit Wissen wesentlich beeinflussen (vgl. Haberzeth 2010, S. 218 ff.). Geht es daher um die Nutzung von Wissen, ist »die Sache«, also die Bedeutung, der Wahrheitsgehalt, die Struktur etc. des Wissens nicht das alleinige Kriterium für dessen Nutzung. Vielmehr werden Methodenfragen zu einem zentralen Relevanzkriterium des zu vermittelnden Wissens, genauer: Für dessen Auswahl und Nutzung wird die Frage relevant, welche methodischen und medialen Optionen mit dem Wissen verbunden werden können. Die Bestimmung von Inhalten wird von den Lehrenden wesentlich in Abhängigkeit von Methoden gedacht (etwa: »Bietet mir das Wissen visualisierbare und herzeigbare Modelle?«, »Kann ich das Wissen selbst in Gruppenarbeit erarbeiten lassen?«, »Lässt sich aus ihm unproblematisch eine Powerpoint-Präsentation erstellen?«). Methodenfragen werden also nicht nachgelagert gestellt, sondern laufen parallel beziehungsweise können beim Zugriff auf Wissen auch in den Vordergrund treten. So kann es dazu kommen, dass die verstehende Auseinandersetzung mit (wissenschaftlichem) Wissen stark verdrängt oder überformt wird von Methodenerwägungen, zum Beispiel die Teilnehmenden spielerisch zu beschäftigen oder mit ihnen zu üben, obwohl es von der Sache her und deren Aneignung eigentlich gar nicht geboten ist.

      Ein starker Sachbezug kann dazu führen, dass die vielfältigen Lehrmethoden der Erwachsenenbildung ungenutzt bleiben, die den Teilnehmenden unterschiedliche Aneignungsformen der Inhalte ermöglichen, wie zum Beispiel eigenes Gestalten (Ausstellung, Wandzeitung etc.) oder simulatives Handeln (Planspiele, Rollenspiele etc.). Eine Vielfalt der Methoden kann aber die Lernmöglichkeiten verbessern. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sich die Methodenfrage verselbstständigt und Didaktik wie Methodik zum Selbstzweck werden, ohne die Aneignung der Sache tatsächlich zu unterstützen. Eine zu starke Gewichtung des Methodischen kann dazu führen, dass die Auseinandersetzung mit der Sache verkürzt wird.

      Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Frage, wie Lehrkräfte mit dem didaktischen Anspruch, wissenschaftliches Wissen und (berufs-)praktische Erfahrungen zu vermitteln, umgehen (können). Bezug genommen wurde auf eine empirische Studie, in der Lehrkräfte zu ihrem didaktischen Handeln befragt wurden. Empirisch zeigen sich unterschiedliche Vermittlungsstrategien von Wissen: zwischen reflexiven und instrumentellen, wissenschafts- und erfahrungsbezogenen, individualisierenden und strukturellen sowie sach- und methodenbezogenen Umgangsweisen. Es handelt sich um Spannungsverhältnisse, in denen sich die Lehrkräfte (unbewusst) bewegen und die die Vermittlungsaufgabe beeinflussen.

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      Abbildung 1: Dimensionen des didaktischen Umgangs mit Wissen

      Überdenkt man vor dem Hintergrund der Empirie die Frage nach einem angemessenen Umgang mit der Vermittlungsaufgabe, wird deutlich, dass die Antwort darauf nicht bei den Extremen der Spannungsverhältnisse zu suchen ist. Starke Ausprägungen stehen in der Gefahr, durch die Betonung eines Zugriffs andere wesentliche Aspekte zu vernachlässigen, die den Teilnehmenden möglicherweise weiterführende Perspektiven, bezogen auf die Erschließung eines Themas, eröffnen würden:

      Wird ein Thema zum Beispiel stark wissenschaftsbezogen thematisiert, geht es also um die Vermittlung systematisierten wissenschaftlichen Wissens, besteht die Gefahr, dass das Wissen ohne eine Anbindung an die individuellen Erfahrungen der Teilnehmenden in abstrakter Interpretation verharrt und damit ohne Bildungswirkungen bleibt. Dominiert hingegen ein Erfahrungsbezug, werden also die alltäglichen berufspraktischen Erfahrungen der Teilnehmenden thematisiert, kann es dazu kommen, dass das Kursthema allein auf der Grundlage dieser Erfahrungen bearbeitet wird und dass es dabei vor allem auf subjektive Plausibilität ankommt und das subjektiv Gewusste im Grunde lediglich bestätigt wird. Selbstverständlich kann ein kollegialer Austausch auch dazu führen, dass individuelle Erfahrungen hinterfragt und überschritten werden.

      Anhand dieses Verhältnisses lässt sich einerseits auf das Potenzial wissenschaftlichen Wissens verweisen, das darin besteht, berufliche Handlungsroutinen zu problematisieren und alternative Wege aufzuzeigen. Durch die Auseinandersetzung mit Wissenschaftswissen kann das eigene berufs- und lebenspraktische Erfahren überschritten und in ein systematischeres Begreifen überführt werden. Andererseits macht das Spannungsverhältnis auch darauf aufmerksam, den Rückbezug der Adressaten auf die eigene Erfahrung zu ermöglichen und ein Begreifen der Lehrinhalte nicht allein auf abstrakte wissenschaftliche Interpretationen zu reduzieren.

      Lernangebote, in denen das Kursthema eher instrumentell thematisiert wird, können Möglichkeiten eines geordneten Umgangs mit den eigenen beruflichen Handlungsproblemen aufzeigen. Den Lehrenden muss aber auch bewusst sein, dass das Handlungsproblem in solchen Angeboten oft eng geführt wird. Vielfältige weitere Aspekte und Bedingungen bleiben ausgespart. Der Versuch hingegen eines reflexiven Begreifens, in dem zum Beispiel die Sicht auf das Problem selbst problematisiert wird, kann Verengungen eines instrumentellen Zugriffs vermeiden und möglicherweise kreative Ideen generieren.

      In Hinblick auf die Aufgabe, wissenschaftliches Wissen und (berufs-)praktisches Erfahrungswissen zu vermitteln, kann das oben vorgestellte Spannungsfeld als