Ohne finanzielle Unterstützung von verschiedensten Seiten wäre eine ununterbrochene Arbeit am vorliegenden Buch nicht möglich gewesen. Zu danken habe ich dem Schweizerischen Nationalfonds für eine zweieinhalbjährige Projektstelle sowie für den Publikationskostenbeitrag. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich der Janggen-Pöhn-Stiftung für ein Stipendium zu Beginn und der Dr. Joséphine de Kármán-Stiftung für ein ebensolches in der Endphase der Dissertation. Arndt Brendecke, Peter Burschel, Ulrike Gleixner und Daniela Hacke danke ich für die Aufnahme meines Buches in ihre Reihe »Kulturgeschichten. Studien zur Frühen Neuzeit«, Thomas Richter vom Didymos-Verlag für die geduldige Betreuung der Drucklegung.
Einerseits stellvertretend für die vielen Mitarbeiter von Archiven und Bibliotheken, die mir stets zuvorkommend bei meinen Recherchen behilflich waren, andererseits weil ihnen ein besonderer Dank für das große Interesse gebührt, das sie meiner Arbeit entgegengebracht haben, seien hier Albert Fischer, Archivar des Bistums Chur, sowie Christian Schweizer, Provinzarchivar der Schweizer Kapuziner, speziell erwähnt. Besonderen Dank schulde ich außerdem Adrian Collenberg vom Staatsarchiv Graubünden für die Korrektur meiner Übersetzungen aus dem Rätoromanischen, Pascal Bircher für die Hilfe bei der Erstellung der Karte und Silja Widmer für die Bearbeitung der Fotos.
In einer Arbeit wie der vorliegenden steckt viel Zeit und Energie. Umso wichtiger war es für mich, sie in einem Umfeld schreiben zu können, das in vielerlei Hinsicht bereichernd war. Ich meine damit ganz besonders meine Kolleginnen und Kollegen am Historischen Institut der Universität Bern, die, wie Nadine Amsler, Daniel Sidler und Nadir Weber, das Dissertationsprojekt seit der Planungsphase eng begleitet haben oder die sich, wie Nadja Ackermann, Andreas Affolter, Maud Harivel, John Jordan, Claudia Ravazzolo, Florian Schmitz, Gabi Schopf und ganz besonders Silja Widmer, inner- und außerhalb der Universität als anregende Gesprächspartner erwiesen haben. Dank den vielen schönen Begegnungen war mir die Abteilung für Neuere Geschichte der Universität Bern Arbeitsort und Zufluchtsort zugleich. Ein besonderer Dank gebührt Meike Knittel, die sich die Mühe gemacht hat, alle Kapitel meiner Arbeit in einer ersten Version aufmerksam gegenzulesen. Samuel Weber hat Teile des Manuskripts lektoriert. Seinen Kommentaren und seiner profunden Kenntnis der italienischen und römischen Geschichte verdankt die Studie viel.
Der letzte Dank führt mich zurück zu den Ursprüngen. Ungeachtet aller Entbehrungen auf dem heimischen Hof haben mich meine Eltern und meine Brüder auf einem durchaus nicht selbstverständlichen Bildungsweg immer bedingungslos unterstützt. Ohne diesen uneingeschränkten und selbstlosen Rückhalt wäre die vorliegende Arbeit nicht zustande gekommen. In tiefer Dankbarkeit widme ich dieses Buch meiner Familie.
Bern, im Januar 2018
Philipp Zwyssig
1. Einleitung
1.1. Täler voller Wunder? Thematische Annäherung
Im Jahr 1654 lag die Frau von Giovanni Pietro Toscano aus Mesocco mit schweren Geburtswehen im Bett, ohne dass sie entbinden konnte. Weil sie sich bereits dem Tod nahe wähnte, ließ sie den Priester Antonio Maria Laus († 1664) zu sich rufen, der ihr die Beichte abnahm und sie dem heiligen Filippo Neri empfahl. Augenblicklich danach gebar sie Zwillinge, was von den Zeugen als wahres Wunder gedeutet wurde.1 Ob auch der Kapuziner Francesco Maria da Vigevano († 1692) zu Lebzeiten solche Wunder bewirkt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist dagegen, dass nur ein Tag nach seinem Tod am 10. Juni 1692 in Savognin ein bis dahin blindes Mädchen wie durch ein Wunder wieder sehen konnte, was auf die himmlische Fürsprache des Kapuziners zurückgeführt wurde.2 Den Erkenntnissen der volkskundlichen Grundlagenforschung zufolge waren dies nur zwei von unzähligen Wundern, die sich im 17. und 18. Jahrhundert in den Drei Bünden zugetragen haben sollen. Die von 1938 bis 1955 schweizweit durchgeführte Inventarisierung von Votivgaben hat nämlich ergeben, dass es in Graubünden vergleichsweise viele Kirchen und Kapellen gab, für die wundersame Gebetserhörungen dokumentiert sind.3 Und tatsächlich legen die in der vorliegenden Arbeit aus einem breiten Quellenfundus zusammengetragenen Hinweise auf mirakulöse Begebenheiten den Schluss nahe, dass es sich bei den Tälern der Drei Bünde mitsamt ihren Untertanengebieten im Süden um Täler voller Wunder gehandelt haben muss (siehe die Karte, Abb. 1).
Wie kam es, dass im rätischen Alpenraum des 17. und 18. Jahrhunderts so viele Wunder geschahen? Auf diese Frage möchte die vorliegende Studie eine Antwort geben. Gleichwohl sollen nicht diese Wunder an sich im Zentrum der Untersuchung stehen. Welche Arten von Wundern die frühneuzeitlichen Menschen kannten, welche Weltbilder ihnen zugrunde lagen und wie sich der Umgang mit ihnen vom Mittelalter bis zum Beginn der Moderne veränderte, hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten akribisch herausgearbeitet.4 Dass Wunder, verstanden als »mit der Naturkausalität nicht erklärbare Ereignisse«5, eine zentrale Rolle spielten in einer Welt, die als von Gott erschaffen und gelenkt verstanden wurde,6 ist weder überraschend noch fehlt eine Fülle an Forschungsliteratur, die dies belegt.7 Blickt man aber etwas genauer auf die Gesellschaften, in denen sich Wunder ereigneten, so stellt man fest, dass die Existenzgrundlage beziehungsweise der Wahrheitsgehalt von Wundern doppelt verankert war: einmal im Himmel und einmal auf der Erde. Im Himmel, weil Wunder Ausdruck des göttlichen Eingreifens in die Welt waren; auf der Erde, weil sich kirchliche Institutionen ausbildeten, die den Menschen Mittel und Wege zur Wundererfahrung aufzeigten (Sakramente, Sakramentalien, Gebete etc.), weil sich kulturelle Praktiken der Interpretation und Dokumentation von mirakulösen Ereignissen etablierten (Votivgaben, Mirakelbücher, Prodigiensammlungen etc.) und weil Kriege, Hungersnöte, Krankheiten und andere prekäre Alltagserfahrungen die Menschen stark auf ein wundertätiges Eingreifen einer höheren Macht hoffen ließen.8 Es brauchte also bestimmte irdische Rahmenbedingungen, damit sich die Wundertätigkeit Gottes in einer gewissen Regelmäßigkeit offenbaren konnte: Es brauchte Kirchen, die sich als Vermittler der »Gnaden- und Wunderkraft«9 Gottes in Szene setzten, ebenso wie für Wunder empfängliche Laien, und es brauchte außerdem eine religiöse Kultur, die die individuelle Wundererfahrung ins Zentrum stellte. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge wird verständlich, dass eine historische Untersuchung, die Wunder und Wundererfahrungen zum Ausgangspunkt nimmt, weit mehr leisten kann als eine bloße Geschichte des Wunderglaubens: Sie vermag das Gesamtbild einer auf religiösen Grundsätzen und Denkmustern beruhenden (vormodernen) Gesellschaft zu schärfen.10
Genau darum soll es in der vorliegenden Arbeit gehen: Um das differenzierte Gesamtbild einer katholischen Gesellschaft im Alpenraum, genauer gesagt in den Drei Bünden und den ihnen unterstellten Talschaften Veltlin, Bormio und Chiavenna. Dieses Bild blieb in der bisherigen Forschung ziemlich einseitig auf den lokalen historischen Kontext sowie auf die kirchenrechtlichen Besonderheiten eingeschränkt.11 Nur am Rande wurde auf personelle, kulturelle und kirchenpolitische Beziehungen zu Frankreich, Österreich, dem Herzogtum Mailand und der Eidgenossenschaft hingewiesen,12 der Einfluss der römischen Kurie blieb fast ganz ausgeklammert.13 Dies erstaunt umso mehr, als außer Frage steht, dass die katholische Kirche im nachtridentinischen Verständnis eine über territoriale Grenzen hinweg verflochtene und von der römischen Kurie maßgeblich mitbestimmte Kultgemeinschaft sein wollte. Dass dieses Selbstverständnis nicht ohne Auswirkungen auf Kultur und Religiosität einer lokalen katholischen Gesellschaft blieb, ist plausibel, wurde in der neueren historischen Forschung aber