Obwohl ich positive Erfahrungen bei diesen Einsätzen als »Quasi-Solo« gesammelt hatte, lag es mir fern, später eine Selbstständigkeit anzustreben. Ich suchte eine berufliche Identität bei einer international tätigen Einrichtung, in der ich auch meine eigenen internationalen Erfahrungen verwerten konnte. Ein kurzzeitiges Angebot der ILO (International Labour Office) zur Trainerqualifizierung auf den Philippinen sowie ein daran anschließendes längerfristiges UNESCO-Projekt für den Aufbau von Weiterbildungseinrichtungen in Teheran zur Unterstützung der industriellen Entwicklung des Landes waren dann willkommene Chancen für den Start einer neuen Karriere als »International Civil Servant«.
Der Ausflug in das neue berufliche Terrain ging gründlich schief. War mein Einsatz auf den Philippinen noch zu meiner vollen Zufriedenheit und auch zu der des Auftraggebers, dann war das Projekt in Teheran das reine Desaster. Ich verließ das Projekt, bekam jedoch keine Anschlussverwendung mehr und wurde dann auch für andere internationale Organisationen auf eine schwarze Liste gesetzt. So fand ich mich etwa vier Jahre nach meinem Ausstieg aus der Genfer Business School in der Situation eines arbeitslosen FKE-lers, ohne finanzielle Unterstützung und mit dem Gefühl eines erlebten Karriereabsturzes.
Meine jetzt beginnende Zeit der »Notselbstständigkeit« war für mich eine Phase der beruflichen Desorientierung, in der ich gelegentlich Forschungsprojekte für den Wuppertaler Kreis und Seminare für PE- und FKE-Abteilungen in der Wirtschaft übernahm. Allmählich gewöhnte ich mich an das Leben eines freiberuflichen Solo-Trainers und -Beraters. Meine hohe Sichtbarkeit im Markt durch zahlreiche Veröffentlichungen, die guten finanziellen Bedingungen in der damaligen Goldgräberzeit für Solos in der FKE-Szene während der zweiten Hälfte der 70er-Jahre sowie die Life Styling-Komponenten eines Freiberufler-Daseins ließen mir eigentlich keine andere Wahl, als mich nach dem Karriereabsturz für das attraktive Geschäftsmodell eines Solos für die Professionalisierung von FKE-lern zu entscheiden. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass ich nach meinen Fehlerfahrungen mit der Rollenkultur einer internationalen Organisation und nach meiner langen Auszeit in Nordamerika als herumreisender »Visiting Scholar« in einem VW-Camper keine besonderen Neigungen mehr verspürte, mich in eine große Organisation einzufügen.
Nachdem ich im Sommer 1975 als unfreiwilliger Solo in den FKE-Markt eingetreten war, hatte ich nach etwa vier Jahren die Phase als »legitimierter Wertschöpfungspartner« geschafft, eine Schwelle, mit der in dem Entrepreneurship-Fachgebiet die Phase des »Geschafft-Habens« beschrieben wird. Unterhalb dieser Schwelle führt man als neuer Solo alle Arten von Trainings und Projekten durch, um einfach Umsatz zu generieren. Wenn man sich die Legitimation als Wertschöpfungspartner im Markt verdient hat, kann man sein eigentliches Geschäftsmodell fokussieren.
Ich habe Ende der 70er-Jahre den gesicherten Eindruck vom Markt der FKE gehabt, dass ich mir in meinen ersten zehn Berufsjahren nach dem Studium ein enormes Vorsprungwissen aufgebaut hatte, das es nun unter Wahrung eines attraktiven Lebensentwurfs zu vermarkten galt. Dafür habe ich zwei wichtige Entscheidungen getroffen:
• Mit MAO – Management-Andragogik und Organisationsentwicklung – startete ich mein eigenes anspruchsvolles Info-Magazin im bezahlten Abonnement, mit dem ich Leser aus FKE-Abteilungen und freiberufliche Trainer im Markt in die Arkana der FKE als Fachgebiet in vierteljährlichen Dosen einführte.
• Mit einem eigenen überbetrieblichen Qualifizierungsprogramm wollte ich Teilnehmern einen niedrigschwelligen Zugang zur eigenen Weiterbildung in FKE ermöglichen. Da meinen Veröffentlichungen als Folge meiner Forschungsprojekte noch eine recht hochschulnahe Diktion anhaftete und ich im Markt als »Theoretiker« abgestempelt war, weil man mich nicht verstanden hatte, brauchte ich andere Zugänge zum Markt.
Rückblickend führten diese beiden Maßnahmen dazu, dass ich über Jahre und Jahrzehnte hinweg »flow«, ein dauerhaft attraktives Einkommen bei einem hohen Grad an Zeitsouveränität in meinem Lebensentwurf erreichen konnte. Gerade der letzte Punkt war mir als Vertreter von »Life Styling« wichtig, mit dessen Themenkreisen ich auch in einer eigenen Veröffentlichung am Markt sichtbar war (HIRTH / SATTELBERGER / STIEFEL 1981). Da ich in MAO auch regelmäßig über Neuerscheinungen in FKE – insbesondere aus dem nordamerikanischen Raum – berichtete, konnte ich meinen Kunden immer State-of-the-art-Wissen für ihre praktische FKE-Arbeit bieten. Und MAO war für mich ein stetiger Motor des Lernens.
Wenn man sich mit der FKE in ihren vielen Verzweigungen befasst, kann man sich leicht verlieren. Ich habe deshalb in meiner FKE-Ausrichtung den selektiven Fokus auf eine Positionierung der FKE als Instrument der Strategieumsetzung und Mentalitätsveränderung gelegt, was für mich bis heute zur entscheidenden Marke geworden ist. Mit dieser Ausrichtung konnte ich ein überbetriebliches FKE-Qualifizierungsprogramm als Solo mit Partnern und MAO als Marktbearbeitungsinstrument sehr erfolgreich betreiben. Im Jahr 2017 habe ich MAO nach 39 Jahren eingestellt.
Da ich mit MAO ständig Nachfrage nach FKE-Leistungen generieren konnte, für deren Bearbeitung ich dann auch Solo-Kollegen einsetzte, die gegen eine Verprovisionierung der Umsätze im Rahmen der Dr. Rolf Th. Stiefel & Partner AG tätig waren, konnte ich meine Positionierung im Markt auch finanziell kapitalisieren, ohne dass ich meine Zeitsouveränität für die Klienten opfern musste.
Ich wollte nie angestellte Trainer führen und konnte mich so auf die Tätigkeiten konzentrieren, bei denen ich besonders »flow« erlebte. Und das war im Wesentlichen das Schreiben der MAO-Beiträge für die vierteljährlich erscheinende MAO-Ausgabe von jeweils 60 bis 70 Seiten sowie die Durchführung eines »Flaggschiff-Seminars« im überbetrieblichen Programm, das ich jedes Jahr mindestens an zwei Terminen durchgeführte – und das immer ausgebucht war.
MAO hatte in der Spitze über 800 bezahlte Abonnements, was bedeutete, dass in diesem Klientenkreis ein enormes Nachfragepotential nach FKE-Leistungen mobilisiert werden konnte. Da ein großer Teil der MAO-Leser über ein Budget für die Vergabe von FKE-Leistungen verfügte, war auch die Frage nach einem attraktiven jährlichen Umsatz nie ein Thema.
Mir ging es während der Hochzeit meiner Tätigkeit in den Jahren um 2000 und später nicht darum, die Umsätze kurzfristig zu maximieren, sondern die attraktiven Umsätze auf längere Sicht zu verstetigen. Dazu habe ich versucht, aus dem Kreis der MAO-Abonnenten eine Art unausgesprochenen »Club der MAO-FKE-ler« zu entwickeln, für die im zweijährigen Turnus eine Konferenz veranstaltet wurde, auf der jeweils auch MAO-Leser als Referenten auftraten.
Viele angestellte PE- und FKE-ler haben mit der Lektüre von MAO erfolgreich ihre Karriere in Unternehmen gestaltet. Nicht wenige davon sind dann in späteren Jahren in eine Solo-Tätigkeit umgestiegen und haben dafür auch meine Beratung für eine erfolgreiche Positionierung in der neuen Selbstständigkeit in Anspruch genommen. Insofern habe ich den »Umsteiger-Solo« aus PE-Abteilungen als einen Solo-»player« im Markt in unterschiedlichen Situationen hautnah erlebt und ihn auch als Klienten betreuen können. Da ich diesen neuen Solos in jedem Fall meine »Strategische Woche« als Hintergrund-Folie für ihre Produkte und Serviceleistungen bei Unternehmen empfahl, konnte ich im Laufe der Zeit vielfältige Erfahrungen aus dem Solo-Alltag auch durch diese Teilnehmer in meinen Seminaren sammeln.
Wenn ich ein Fazit ziehe: Ich bin nach einem Karriereunfall gleichsam als Umsteiger-Solo mit Anfang 30 aus einem akademischen Milieu in die »Notselbstständigkeit« gewechselt und habe auf Verdacht eine Tätigkeit als Solo-Trainer und -Berater begonnen – mit eingestandenem offenen Ausgang, denn in der ersten Zeit meiner Solo-Arbeit habe ich mich noch an Fachhochschulen beworben. Mein geringes Startkapital, das im Wesentlichen aus einem nicht zurückgezahlten Einrichtungsdarlehen meines fehlgeschlagenen Teheran-Projekts der UNESCO bestand, das ich als Schadensausgleich