• Bei den Kompetenzen eines Solos, die sich in seinen Produkten und Serviceleistungen für Klienten niederschlagen, verfügt ein Solo in der Regel mindestens über einen mittleren Entwicklungsstand. Dieses Wissen hat ihn ursprünglich überhaupt erst veranlasst, sich selbstständig zu machen. Allerdings reicht dieser fachliche Entwicklungsstand nicht aus, um zu einem absoluten Könner in seinem Arbeitsfeld zu werden. Um hier die fünfte Entwicklungsstufe eines »Experten« oder – in meiner späteren Terminologie im Buch – »Profi-Solo« zu erlangen, muss man aus seinen Praxiserfahrungen ständig Lernimpulse für die eigene Weiterentwicklung destillieren.
• Bei den Kompetenzen eines Solos, die mit seiner neuen beruflichen Rolle als Selbstständiger zu tun haben, beginnt ein Solo fast immer auf dem Entwicklungsstand eines »Frischlings« oder »Novizen«. Da es bislang so gut wie kein kodifiziertes Lehrbuchwissen für Solo-Unternehmer in der PE und FKE gibt, wie man sich in diesem Entwicklungsstrang vom Novizen zum Experten weiterentwickelt, braucht es hier insbesondere die von SCHÖN propagierten Lernwege, die er als »reflection-in-action« und »reflection-about-action« in seinen beiden Meilenstein-Publikationen mit vielen Beispielen unterlegt (SCHÖN 1983; 1987).
Level | Characteristics |
1 – Novice | • rigid adherence to taught rules or plans• little situational perception• no discretionary judgement |
2 – Advanced Beginner | • guidelines for action based on attributes or aspects• situational perception still limited• all attributes and aspects ofwork are treated separately and given equal importance |
3 – Competent | • coping with crowdedness (multiple activity / information)• now sees action, at least partially, in terms of longer-term goals• conscious, deliberate planning• standardized and routinized procedures |
4 – Proficient | • sees situations holistically, rather than in terms of aspects• perceives deviations from the normal pattern• decision making is less laboured• uses maxims for guidance whose meanings vary according to the situation |
5 – Expert | • no longer relies on rules, guidelines or maxims• intuitive grasp of situations based on deep, tacit understanding• analytical approaches used only in novel situations or when problems occur• vision of what is possible when problems occur |
Ich sehe mich heute gegen Ende eines langen Berufslebens in der Nähe eines Profi-Solos oder auf dem Entwicklungsstand eines »Experten« in dem vorgestellten Stufenmodell. Das, was ich ursprünglich als eine Art »kanonisches Wissensgebäude für Solo-Unternehmer in der PE und FKE « vergeblich gesucht und das ich mir dann mühsam über Jahre hinweg erarbeitet habe, wollte ich in diesem Buch zusammentragen, um es einem Solo-Novizen in seiner neuen Rolle leichter zu machen. Aber auch der bereits länger als Trainer und Berater tätige Solo wird mit Sicherheit von meinen Erfahrungen profitieren. Meine Arbeit befasst sich im Wesentlichen mit dem zweiten Kompetenzstrang.
Das Buch ist auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich angelegt, weil es als Beantwortung von Praxisfragen aus dem Solo-Alltag konzipiert ist. Diese Fragen haben sich mir, aber vor allem meinen Klienten, die ich betreut, und Solo-Kollegen, mit denen ich mich ausgetauscht habe, gestellt. Mit dieser Form der Bearbeitung eines Themenbereichs möchte ich meine Arbeit mehr an die tatsächliche Praxis heranführen, zumal die konkrete Beantwortung von Fragen aus der Praxis immer auch als ein Beitrag zum Lernen von Professionals im Sinne von SCHÖN verstanden werden kann. Eine epistemologische Ausfaltung der relevanten Themengebiete eines Solos in der PE und FKE im klassischen Lehrbuchformat könnte die diesbezüglichen Erwartungen aus der Praxis nicht im gleichen Maße einlösen. Ich möchte hier noch einmal den bekannten Fall eines Augenarztes erwähnen, von dem SCHÖN sagt:
»An ophtalmologist says that a great many of his patients bring problems that are not in the book. In 80 or 85 percent of the cases the patients’ complaints and symptoms do not fall into familiar categories of diagnosis and treatment.« (SCHÖN 1983, 64)
Obwohl die Fragen konkrete Situationen und Probleme in der Praxis abbilden, habe ich versucht, die Fragen auch thematisch zu ordnen und dafür jeweils Gliederungspunkte zu finden. Damit lässt sich nicht ganz vermeiden, dass überlappende Praxisfragen in der Beantwortung beim Leser zu einer – hoffentlich noch positiven – Redundanz führen.
Das Buch erscheint als dritte Veröffentlichung in der EHP-Schriftenreihe »Strategieumsetzende PE und Führungskräfte-Entwicklung«. Es war mein besonderes Anliegen, dem freiberuflichen PE- und FKEler als Solo eine Art fachliterarische Heimat zu bieten. Schließlich haben sich gerade unter meinen Klienten viele Mitarbeiter aus PE-Abteilungen befunden, die nach ihrer Beschäftigung mit der strategieumsetzenden PE Schwierigkeiten bei der Realisierung ihrer neuen innerbetrieblichen Rolle erlebt haben und aus diesen Erfahrungen heraus entschieden haben, zukünftig als externer strategieumsetzender Trainer und PE- / FKE-Berater wirksamer für Unternehmen tätig zu werden.
Und noch etwas ist mir mit dieser Arbeit wichtig. Obwohl freiberuflich tätige PE-ler als Trainer und Berater heute in nahezu jedem größeren und mittelständischen Unternehmen tätig sind, spielen sie in den einschlägigen Lehrbüchern über PE und FKE keine Rolle. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass die Akteursperspektive in der akademisch betriebenen PE eine eher nachrangige Bedeutung hat. Zum anderen aber auch, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den freiberuflichen Akteuren eine intensive Kenntnis und Erfahrung mit dieser PE-Population erforderlich macht und einen eigenen methodischen Zugang braucht. Qualitative und ethnologisch eingefärbte Methodologie wird bei den klassischen professoralen »Lehrbuchlieferanten« jedoch nicht besonders geschätzt. Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass mein Buch nicht nur der Praxis weiterhilft, sondern auch einen Beitrag für das Schließen einer Lücke auf dem inhaltlichen Terrain der PE und FKE als Fachdisziplin darstellt.
Mein Weg als Solo
Wenn ein Autor ein Buch über Solos in der PE und FKE verfasst und dabei auch normative Wertungen aus der eigenen empirischen Datenlage vermittelt, möchte man als Leser natürlich auch wissen, welchen Weg der Autor selbst als Solo eingeschlagen hat. Deshalb möchte ich zu Beginn meiner Arbeit die Etappen meiner beruflichen Tätigkeit als Solo skizzieren.
Ich hatte mich während meines Studiums der Wirtschaftspädagogik und der Betriebswirtschaftslehre insbesondere mit der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften beschäftigt. Meine Dissertation über »Externe Unternehmerschulung« befasste sich im empirischen Teil mit den europäischen Management-Instituten, die sich als führende Einrichtungen verstanden und sich in der EAMTC (European Association of Management Training Centres) organisierten. Im theoretisch-normativen Teil war es mein Anliegen, eine Art Unterrichtslehre für die institutionelle Management-Bildung zu begründen.
Nachdem ich mich mit Management-Instituten intensiv in meiner Dissertation auseinandergesetzt hatte, lag es nahe, nach dem Studium eine Tätigkeit an einem Management-Institut aufzunehmen. Folglich begann ich zunächst als Forschungsassistent bei einem international tätigen Institut in Genf und hatte nach etwa zwei Jahren den wohlklingenden Titel »Faculty Member – Management Development« erworben.
Meine insgesamt zweieinhalb Jahre an dieser Business School endeten jedoch mit einer Reihe von Desillusionierungen. Ich war als euphorischer Novize in das vermeintliche FKE-Mekka eingetreten und hatte dann eine Form der Hochglanz-Management-Weiterbildung erlebt, bei der der wirtschaftliche Umsatz durch die Seminare im Vordergrund stand. Das substantielle Lernen der Teilnehmer und der anschließende Lerntransfer in ihre Unternehmen spielten keine Rolle. Kognitives Entertainment und subjektive Teilnehmerzufriedenheit waren die vorherrschenden Merkmale in den Veranstaltungen.
Als ich mich nach diesen enttäuschenden Erfahrungen um eine stärkere Professionalisierung in der Erwachsenenbildung bemühte und dann auch ein zunächst einjähriges »Post-doctoral fellowship« in Toronto erhielt, war es meine Absicht, die andragogischen Anforderungen an die FKE später mit einer Anstellung bei einem anderen Institut – besser als ich es in Genf erlebt hatte – einzulösen.