Beziehungen in der Kindheit. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Erste Bildungsjahre
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035507478
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      ii.Konventionellen Charakter hervorheben: »Alle machen das so« oder »So geht das«.

      5.Bei außergewöhnlichen Handlungen (die man z. B. wegen Zeitmangels ausführt), muss man darauf vorbereitet sein, dass die Kinder diese Ausnahmehandlung nachahmen. Dies kann Konsequenzen für spätere Situationen haben, und es muss daher gut abgewogen werden, ob der Zeitdruck die Ausnahme rechtfertigt. Eventuell kann versucht werden, die Aufmerksamkeit sprachlich zu lenken (oder auch abzulenken).

      Kinder ahmen nicht jede, jeden und alle nach. Ganz allgemein gilt, dass Kinder freundliche und warme Interaktionspartner und -partnerinnen eher nachahmen als kühle und abweisende (vgl. Nielsen 2006). Auch darüber hinaus sind Kinder wählerisch: Am meisten ahmen sie Menschen nach, die sie mögen und die sie in einer Sache für kompetent halten. Darin wird – wieder einmal – die doppelte Funktion des Nachahmungsverhaltens als Lernmechanismus und sozialer Klebstoff deutlich. Die beiden Funktionen wirken in den meisten Nachahmungssituationen zusammen. Dennoch steht manchmal die Lernfunktion und manchmal die soziale Funktion im Vordergrund.

      Wenn ein menschliches Modell eine unbekannte Handlung vorführt, es also für die Kinder etwas Neues zu lernen gibt, dann ahmen sie Erwachsene eher nach als andere Kinder (vgl. Zmyj et al. 2012b). Der Grund dafür ist wahrscheinlich die umfangreiche Handlungskompetenz von Erwachsenen. In der Tat können schon einjährige Kinder einschätzen, ob ihr Gegenüber ein kompetentes und damit vertrauenswürdiges Lernmodell ist oder nicht. Wenn jemand zum Beispiel ganz offensichtlich zwei linke Hände hat und ihm vieles misslingt, er Handlungen falsch ausführt oder Objekte falsch benennt, dann ist er kein zuverlässiges Lernmodell. Eine solche Person ahmen auch schon erst einjährige Kinder nicht nach (vgl. Koenig, Clément & Harris 2004; vgl. Zmyj et al. 2010).

      Wissenschaftliche Studien zeigen weiterhin, dass schon Einjährige ein Wir-Gefühl haben und selektiv Personen nachahmen, die zu ihrer Ingroup gehören. Insbesondere ahmen Kinder Personen weniger nach, die eine andere Sprache oder mit Akzent sprechen (vgl. Buttelmann et al. 2013; Kinzler, Corriveau & Harris 2011). Die Unterscheidung von Ingroup und Outgroup erlaubt es Kindern, selektiv die Sprache und Gewohnheiten ihrer Kultur zu übernehmen. Und da Nachahmung auch Sympathie steigert (vgl. Duffy & Chartrand 2015), stellt die Fähigkeit, Ingroup und Outgroup zu unterscheiden, sicher, dass sie sich in der eigenen Gruppe gegenseitig sympathisch finden.[5]

      Alle Nachahmungssituationen, die bisher besprochen wurden, waren solche, in denen Kinder Erwachsene nachahmen. Aber Kinder ahmen sich auch gegenseitig nach. Insbesondere Kleinkinder nutzen das Nachahmen als Interaktionsmuster und bilden so erste Freundschaften heraus. In bestimmten Situationen ahmen Kinder also sogar lieber andere Kinder nach als Erwachsene. Dies ist immer dann der Fall, wenn bekannte Handlungen ausgeführt werden. In solchen Situationen überwiegt die soziale Funktion des Nachahmens. Modell und Nachahmende sind potenzielle Freunde und Spielpartnerinnen (vgl. Zmyj et al. 2012a). Wenn Pädagoginnen und Pädagogen genau beobachten, welche Kinder in einer Gruppe sich gegenseitig nachahmen, kann dies wertvolle Hinweise zu Sympathien und Anschlussmotivationen der Kinder geben.

      1.Wenn Kinder Neues lernen sollen, eignen sich Erwachsene besser als Vorführmodell als Peers/Kinder.

      2.Kinder können dazu angehalten werden, einander gegenseitig nachzuahmen. Dies könnte die gegenseitige Sympathie und das Gruppengefühl stärken.

      3.Wenn bekannte Handlungsweisen geübt und verbessert werden sollen, können Kinder einander Vorbild sein. Wichtig ist dabei allerdings, einen »Stille Post«-Effekt[6] zu verhindern und dafür zu sorgen, dass jedes Kind vor der eigenen Handlung ein hundertprozentig korrektes Modell sieht. Andernfalls können sich durch die gegenseitige Nachahmung auch Fehler einschleichen.

      4.Betreuungspersonen können das Nachahmungsverhalten nutzen, um Sympathien und Freundschaften der Kinder untereinander zu erkennen.

      5.Es ist einen Versuch wert, Nachahmungsverhalten zu nutzen, um Kindern die Integration in eine Gruppe zu erleichtern. Gegenseitige Nachahmung kann die Sympathie für das Zielkind und seine Integration in die Gruppe steigern. Aktivitäten beim Sport, beim Basteln oder im Gruppenkreis bieten sich gleichermaßen an.

      Es mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, aber Eltern ahmen ihre Kinder recht häufig nach (vgl. Masur & Rodemaker 1999). Oben wurde schon erwähnt, dass dieses Verhalten womöglich zentral für die Entstehung von Spiegelneuronen ist. Wahrscheinlich ist das Nachgeahmtwerden durch die eigenen Eltern auch ausschlaggebend dafür, dass Kinder selbst die Fähigkeit nachzuahmen erlernen (vgl. Jones & Yoshida 2011). Darüber hinaus lieben es Kleinkinder, nachgeahmt zu werden: Sie achten ganz genau auf die Nachahmenden und lächeln diese an (vgl. Meltzoff 1990). Das gegenseitige Nachahmen ist ein einfaches Mittel, um mit Klein- und Kleinstkindern eine Art »Dialog« zu führen. In solchen Nachahmungsdialogen erfahren Kleinkinder sich als Verursacher von Reaktionen bei anderen. Außerdem sind solche »Dialoge« wichtig für die Entwicklung von Emotionen und Emotionsregulierung: Wenn ein Baby eine negative Emotion erlebt und die Betreuungsperson den kindlichen Gesichtsausdruck übertrieben nachahmt, lernen Kinder einerseits etwas über ihre Emotion und andererseits, dass ihre Emotionsausdrücke bei anderen Effekte auslösen. Dies hat eine beruhigende Wirkung auf sie (vgl. Gergely & Watson 1999).

      Nachgeahmt zu werden erhöht bei 18 Monate alten Kindern Empathie und prosoziales Verhalten gegenüber der nachahmenden Person (vgl. Carpenter, Uebel & Tomasello 2013). Bei Erwachsenen ist die erhöhte Empathie universell, d. h., Erwachsene sind, nachdem sie nachgeahmt wurden, allen Menschen gegenüber hilfsbereiter als vorher – nicht nur der nachahmenden Person gegenüber (vgl. Duffy & Chartrand 2015). Ein weiterer Effekt des Nachgeahmtwerdens ist für pädagogische Kontexte besonders interessant: Es wurde gezeigt, dass nachgeahmt zu werden zu einem verbesserten Lernerfolg führen kann. Bisher ist dies allerdings nur bei erwachsenen Studierenden gezeigt worden: Sie lernten Englischvokabeln besser, wenn die Lehrperson während der Instruktion die Bewegungen der Studierenden (z. B. durch die Haare streichen, die Sitzposition wechseln etc.) nachahmte (vgl. Zhou 2012). Eventuell spielt der sympathieerhöhende Effekt des gegenseitigen Nachahmens dabei eine Rolle. Und auch ein weiterer Effekt des Nachgeahmtwerdens könnte relevant sein: mehr Vertrauen. Kinder vertrauen den Informationen von einem Erwachsenen eher, nachdem sie von ihm nachgeahmt wurden (vgl. Over et al. 2013). Diese Datenlage legt es Pädagoginnen und Pädagogen nahe, selbst immer wieder einmal die Kinder um sie herum nachzuahmen.

      1.Insbesondere bei Kleinstkindern ist es ratsam, immer wieder »Nachahmungsdialoge« mit ihnen zu führen. So lernen sie das Nachahmen und bauen Bindung auf.

      2.Um bei einem Kind Sympathie zu erzeugen oder die Aufmerksamkeit eines Kindes auf sich zu erhöhen, kann eine Betreuungsperson ein Kind nachahmen.

      3.Beim Erklären kann eine Betreuungsperson die Bewegungen eines Kindes nachahmen, um den Lernerfolg des Kindes zu steigern.

      4.Das Wir-Gefühl und die Prosozialität unter Kindern kann gefördert werden, wenn Kinder einander bei der Ausführung von Handlungen beobachten (z. B. gemeinsames Armkreisen im Kreis stehend, klassische Klatsch-Reim-Spiele im Zweierteam, zu zweit Fangball spielen, der Reihe nach über einen Balken balancieren).

      Die Wichtigkeit der Vorbildfunktion von anderen Menschen beim kindlichen Lernen kann nicht überschätzt