Der als Fußballfan bekannte ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone initiierte den Clericus Cup, der 2007 das erste Mal ausgetragen wurde. Dabei spielen internationale katholische Teams von allen Kontinenten gegeneinander. Die offiziellen Fußballregeln wurden dazu leicht abgeändert. So gibt es beispielsweise keine roten Karten, sondern blaue, bei denen der betroffene Spieler fünf Minuten aussetzen muss.16
Auch der mittlerweile heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. war für seine Affinität zum Sport bekannt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er um die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen herum die Abteilung „Kirche und Sport“ im Vatikan errichtete. Damit war der Grundstein gelegt, den christlichen Auftrag im Bereich des Sports auch auf weltkirchlicher Ebene anzugehen und wahrzunehmen. Die Abteilung wurde dem Päpstlichen Rat für die Laien zugeordnet und hielt 2005 einen weltweit beachteten Kongress in Rom zum Thema „Der christliche Auftrag auf dem Feld des Sports heute“ ab17, aus dem folgende Schlussempfehlungen hervorgingen:
„Die Kirche will die Welt des Sports mehr beachten und Kontakte besonders über die nationalen Bischofskonferenzen im Hinblick auf ihren pastoralen Auftrag wahrnehmen.
Kirchliche Aussagen zum Sport sollen stärker verbreitet und Studien besonders zu ethischen Fragen des Sports gefördert werden.
Der Sport wird als Beitrag zur Evangelisierung anerkannt; wichtig ist hierfür auch das Zeugnis für Christus von Spitzensportlern.
Eine Kultur des Sports, die im Einklang mit der Würde des Menschen steht, soll vorrangiges Ziel in der kirchlichen Jugend- und Erziehungsarbeit sein.
Die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Sportorganisationen als Plattform des Dialogs wird begrüßt.“18
Im Laufe der Jahre folgten weitere Kongresse und ähnliche Veranstaltungen. Grundsätzlich bestimmen folgende Hauptaufgaben das Handeln dieser Abteilung:
„Gesprächspartner für die Sportorganisationen der Welt sein und mithelfen, den Sport zu einem Mittel des Friedens und der Brüderlichkeit zwischen den Völkern zu machen
nationale Kirchen anhalten, für mehr seelsorgerischen Beistand in der Welt des Sports zu sorgen
Studien über die ethische Dimension des Sports anregen und Initiativen unterstützen, die das Bekenntnis zum Christentum in der Welt des Sports fördern“19
Zudem ist hier der Heilige Aloisius „Luigi“ Scrosoppi zu nennen. Der von 1804 bis 1884 lebende italienische Heilige, dessen Gedenktag der 3. April ist, wurde am 22. August 2010 von Bischof Alois Schwarz im Rahmen eines Gottesdienstes in der Pfarre Pörtschach am Wörther See in Abstimmung mit den römischen Stellen zum Schutzheiligen für alle FußballerInnen ernannt. Einen solchen hatte es zuvor nicht gegeben. Die Idee dazu stammte im Rahmen der Wörthersee-Zukunftsinitiative vom Fußballfan Manfred Pesek. Aloisius Scrosoppi hatte sich in besonderer Weise um die Jugend verdient gemacht und stand für Werte, die auch im Sport eine wichtige Rolle spielen, wie Fairness, Ausdauer und Zielstrebigkeit ein.20
Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass einige Fußballclubs in Europa von Geistlichen gegründet wurden. Zum Beispiel Celtic Glasgow in Schottland. Hier wollten die Gründungsväter mit den Eintrittsgeldern die Armenspeisung der Kirchengemeinde finanzieren. Oder Borussia Dortmund, dessen Gründung ebenso auf eine Kirchengemeinde zurückgeht, deren Kaplan die männlichen Jugendlichen mittels des Fußballs an die Kirche binden wollte.21
Das Miteinander von Fußball und Kirche war allerdings nicht immer so. Markwart Herzog wies etwa daraufhin, dass die Geschichte des Fußballspiels in den meisten Ländern von Generationenkonflikten durchzogen war. So gab es bereits in der Zeit des deutschen Kaiserreichs viele Geschichten von jungen Kickern, deren Fußballbegeisterung mit der „Sonntagspflicht“ kollidierte. Schon in den ersten Jahrbüchern des Deutschen Fußball-Bundes wurden solche Kulturkonflikte thematisiert.22 Unvergessen seien laut Herzog weiterhin Geschichten von Fußballern, die heute zu den sogenannten „Alten Herren“ gehören und die fünfzehn Minuten vor dem Abpfiff das Feld verlassen mussten, um rechtzeitig in der Kirche den Ministrantendienst versehen zu können. Oder die umgekehrt das Fußballtrikot unter dem bürgerlichen Habit trugen um unmittelbar nach dem Ende des Gottesdienstes, oder heimlich schon einige Minuten früher, die Kirche verließen, um beim Jugendspiel ihrer Mannschaft mitmachen zu können. Diese Geschichten zogen sich durch mehrere Jahrzehnte. In den 1950er Jahren kam es manchmal fast zu Krisen, die sich deswegen in bundesdeutschen Familien abspielten.23
Anekdotenhaft und deshalb nicht mehr genau zu terminieren, berichtet Hermann Queckenstedt in seinem Referat „Sonntagskick statt Sonntagspflicht – Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Fußballvereinen und christlichen Kirchen“, das er im März 2014 auf der 7. Sporthistorischen Konferenz im Kloster Irsee hielt, von einem gewissen Ulrich „Uli“ Hoeneß, der im Alter von acht Jahren von einem Ministrantenzeltlager ausbüchste, woran er seitens seiner Eltern teilnehmen musste, 50 Kilometer mit seinem Fahrrad zu einem Fußallspiel seiner Mannschaft fuhr, beim Stand von 0:4 eingewechselt wurde und mit fünf Toren den 5:4-Endstand herstellte. Oder Josef „Sepp“ Maier, dessen Eltern seinen Messbesuch oft damit kontrollierten, indem sie ihn danach fragten, welchen Kragen der Pfarrer im Gottesdienst getragen hatte. Maier wusste sich zu helfen. Er ging kurz in die Kirche, merkte sich den Kragen des Pfarrers um dann rasch zum Fußballspielen zu gehen.
Doch seit den 1980er Jahren24 lernte die Kirche zu akzeptieren, dass „sie als gelebte Religion nicht in Konkurrenz- oder Führungskämpfen mit anderen Kulturphänomenen steht, sondern daß sie gerade im Dialog mit solchen Kulturphänomenen wie Fußball an gleichnishafter Sprache gewinnen kann“25. Auch Andreas Merkt konstatiert, dass die antike Arena und das Christentum noch Gegensätze bildeten und der wilde Urfußball ebenso mit der christlichen Lehre unvereinbar gewesen sei. Im heutigen, modernen Fußball sei aber eine grundsätzlich mit dem Christentum versöhnte Form von Arenakultur und Ballspiel entstanden, sowie eine Spielkultur, die in besonderer Weise dem christlichen Menschenbild entspricht.26
Deshalb könnten hier ergänzend zu den genannten Initiativen zahlreiche weitere Projekte und Ausführungen erwähnt werden, die pastorale MitarbeiterInnen vor Ort oder Wissenschaftler initiiert haben. Diese Dissertationsschrift versteht sich deshalb dezidiert als Anknüpfung an das bisherige Engagement in diesem Bereich bzw. an das bisherige Zugehen der Kirche auf den Fußball. Einige weitere Bemühungen werden daher im Laufe dieser Arbeit aufgegriffen, wie zum Beispiel die Herausarbeitung des Heiligen beim Fußball (Matthias Sellmann), die Skizzierung der Gemeinsamkeiten von Sport und Kirche (Sport und christliches Ethos: Schreiben der beiden christlichen Kirche aus dem Jahr 1990) oder die Vorstellung der Stadionkapelle in der Arena Auf Schalke.
Trotz der bereits bestehenden, positiven und vielfältigen Initiativen in diesem Bereich wird hier von der Überzeugung ausgegangen, dass eine stärkere Verbindung von Fußball und Pastoral, wie sie in dieser Arbeit gefordert wird, das bisherige Engagement noch ergänzen und bereichern kann.
3.4 Frauenfußball
Die Begeisterung, die dieser Sport auslöst, ist prinzipiell und wesentlich nicht an ein Geschlecht gebunden. Der Lauf der Geschichte des Sports und die heutige Erscheinungsform zeigen jedoch, dass der Fußball hauptsächlich mit Männern in Verbindung gebracht wird, was diese Arbeit ebenfalls berücksichtigt. Trotzdem wird die Verbindung von Frauen und Fußball immer wieder thematisiert, zum Beispiel bei der Darstellung der emanzipatorischen Kraft des Fußballs. Auch die Haltungs-Impulse des dritten Hauptteils und einige Handlungs-Impulse wenden sich gleichermaßen an Frauen wie an Männer. Denn gerade die Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft sowie einiger Teams der Damen-Bundesliga, aber auch die Leidenschaft so vieler Mädchen und junger Frauen, die in den Jugend- und Amateurmannschaften spielen, haben den Frauen-Fußball in Deutschland im Laufe der letzten Jahrzehnte zu einem gesellschaftlich akzeptierten und erfolgreichen Sport gemacht.27