4.2 Handlung: Drei Beispiele pastoraler Mitarbeiter, die das Fußballfeld für sich als pastoralen Lern-Ort qualifiziert haben
4.2.1 Susanne Haensel (Evangelische Pfarrerin und Vorsitzende des Fan-Projektes von Borussia Dortmund)
4.2.2 „Clubpfarrer“ Thomas Eschenbacher
4.2.3 Die diözesane Fußball-Mannschaft des Bistums Würzburg
5. Der Fußball als Teil der Populärkultur
5.1 Haltung: Das Fußballfeld als pastoralen Lern-Ort der Populärkultur anerkennen
5.2 Handlung: Zwei Beispiele populärkulturellen Lernens vom Fußball
5.2.1 Fußball-Wallfahrt mit Jugendlichen im Ruhrgebiet
5.2.2 Sportler-Gottesdienste
6. Auf gemeinsamen Grundlagen aufbauen
6.1 Haltung: Fußball und Kirche verbindet Wesentliches
6.2 Handlung: Den ersten Schritt tun
7. Die Wichtigkeit der ästhetischen Dimension
7.1 Haltung: „Tatsächlich - Hagebuttentee!“
7.2 Handlung: Die Kapelle in der Arena Auf Schalke
7.2.1 Die Arenakapelle als vierfacher Ort
7.2.1.1 Ein anderer Ort
7.2.1.2 Ein Ort der Kunst
7.2.1.3 Ein heiliger Ort
7.2.1.4 Ein pastoraler Ort
7.2.2 Fazit
8. Plädoyer für eine leidenschaftliche Seelsorge
8.1 Haltung: Eine Theologie der Adjektive
8.2 Handlung: Neues wagen!
9. Abschlussbemerkung
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Literaturverzeichnis
EINLEITUNG
1. Fußball – Phänomen der Massen und Leidenschaft des Einzelnen
Laut einer statistischen Erhebung des Weltfußballverbandes FIFA spielten im Jahre 2006 über 265 Millionen Menschen in über 200 Ländern Fußball. Davon sind über 38 Millionen in weltweit mehr als 325.000 Vereinen organisiert.1 Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eigenen Angaben zufolge so viele Mitglieder wie nie zuvor. In den 21 Landesverbänden des DFB sind aktuell 6.889.115 Menschen gemeldet. Die Zahl der erfassten Vereine ist trotz des demografischen Wandels stabil. Aktuell sind 25.324 Klubs gemeldet, die insgesamt 161.727 Mannschaften stellen. Allein bei den Junioren zwischen 15 und 18 sind derzeit 515.364 Fußballer gemeldet und bei den Mädchen bis 16 Jahren 336.464.2 Hinzu kommen noch ungefähr vier Millionen Menschen, die als so genannte Hobbykicker in ihrer Freizeit in Hobby-, Betriebs- oder Thekenmannschaften regelmäßig Fußball spielen.3
Darüber hinaus sind noch diejenigen zu erwähnen, die nicht aktiv Fußball spielen, sondern sich als Zuschauer bzw. Fans mit Fußball beschäftigen, auch wenn es dabei sicherlich Überschneidungen mit den aktiven Fußballern gibt. So besuchten 13.323.031 Personen die Spiele der Ersten Fußball-Bundesliga in der Saison 2014/20154 und 34,65 Millionen Menschen sahen das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 zwischen Argentinien und Deutschland live in der ARD.5 Diese Liste der Superlative ließe sich noch in vielen weiteren Bereichen fortführen. „Hinter all diesen eben genannten Zahlen stecken Menschen jeden Alters, jedes Bildungsgrades, jeder Herkunft, jeder Religion, jeder sozialen Gruppe. Es sind Menschen, die sich Woche für Woche, teils Tag für Tag mit dem Fußball beschäftigen – lokal, regional, national und international. Das sind diejenigen, die am Wochenende zuerst die Bundesligaspiele verfolgen und ihren Verein anfeuern um dann am Sonntag in der B-Klasse oder in höheren Klassen am Samstag selbst gegen den Ball zu treten. Das sind diejenigen, die Woche für Woche die Stadien der Fußball-Bundesliga in ganz Deutschland besuchen, um ihren Verein hundertprozentig zu unterstützen und unter der Woche sämtliche Neuigkeiten der Bundesligavereine und des internationalen Fußballs diskutieren. Das sind auch diejenigen, die Wochenende für Wochenende in den unteren Ligen viel Zeit auf den regionalen Sportplätzen verbringen, indem sie ‘ihre Erste Mannschaft’ zu den Spielen begleiten und darüber hinaus viel Herzblut und Zeit investieren, ihren örtlichen Heimatverein am Leben zu erhalten.“6
Fußball bedeutet für diese Menschen Leidenschaft pur, Emotion pur, Leben pur – mit all dem, was Leben ansonsten auch ausmacht: von der enttäuschenden und bitteren Niederlage bis zum euphorisch gefeierten Sieg ist hier alles an Emotionen vertreten, was das menschliche Zusammenleben zu bieten hat.7 Dazu formulierte der Autor Ror Wolf: „Die Welt ist zwar kein Fußball, aber im Fußball, das ist kein Geheimnis, findet sich eine ganze Menge Welt. Es ist eine zuweilen bizarre Welt, in der unablässig Gefühlsschübe aufeinanderprallen; Emotionen, die jederzeit in ihr Gegenteil umschlagen können: Entzücken in Entsetzen, Begeisterung in Wut, Verzweiflung wieder in Entzücken.“8 Auch der ehemalige schottische Fußballspieler und -trainer Bill Shankly brachte es bereits 1981, sicher mit einer Portion Ironie, auf den Punkt: „Some people think football is a matter of life and death. I don’t like that attitude. I can assure them it is much more serious than that.“9
Das heißt, es gibt „unzählige Menschen, die Fußball nicht nur spielen, sondern ihn leben. Menschen, die mit ihrem Verein – ob aktiv als Spieler oder passiv als Zuschauer – wirklich leiden, wenn ein Spiel verloren wurde. Es geht hier nicht um ein ‚Schade, dass das Spiel verloren ging‘; es geht hier darum, dass der Fußball vielen Menschen tatsächlich an die Substanz geht und eine Niederlage oder ein schlechtes Spiel einige unruhige Nächte nach sich ziehen kann. An Sieg oder Niederlage machen nicht wenige Fußballer einen nicht geringen Teil ihres Lebensglücks fest. Konnte ein Spiel gewonnen werden, ist das Leben derzeit in vielen beruflichen wie privaten Zusammenhängen in Ordnung. Ging ein Spiel verloren, drückt das die gesamte Stimmung in einigen Lebensbereichen. Nicht zu vergessen ist auch die allwöchentliche Anspannung in Bezug auf den Verlauf und den Ausgang des nächsten Spiels, die teilweise sogar zur Angst werden kann.“10 Aber natürlich auch die unbändige Freude, wenn ein Spiel gewonnen wurde.
Aufgrund all dieser Emotionen ist Fußball in Deutschland auch ein umfassendes Gesprächsthema in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen: „Über das beim Spiel Erlebte wird an den Arbeitsplätzen und Schulen, in den Wirtshäusern und Familien berichtet und gestritten. So liefert es unendlich viel Erzählstoff, wirkt bedeutungsvoll in den Alltag der Menschen hinein, bleibt sinnstiftend haften im Bewußtsein der Fans, wird zum Inhalt einer die Generationen übergreifenden Erinnerung, ist dann nicht mehr nur ein Bestandteil individuellen Angedenkens, sondern setzt sich bedeutungsvoll im ‚kollektiven Gedächtnis‘ (z.B. der Vereine) fest (…) oder sogar im ‚kulturellen Gedächtnis‘ ganzer Nationen.“11
Kurzum: Gewiss soll der Fußball nicht verklärend überhöht werden. Dennoch bleibt zu konstatieren, dass der Fußball in Deutschland eine omnipräsente Realität ist, die zahlreiche Menschen emotional und zeitlich stark beansprucht. Das Fußballfeld ist ein Ort, an dem sich Leben pur abspielt.12
2. Die Zielsetzung dieser Arbeit
Ein zentraler und viel zitierter Absatz des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die Eröffnungsverse der Pastoralkonstitution Gaudium et spes: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi“ (GS 1). Wie oben angedeutet ist das Fußballfeld ein Ort bzw. ein Realitätsmodell13, an dem sehr viel Freude, sehr