1.1 Normative Ausgestaltung der Firmung in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der postkonziliaren Synoden in Deutschland
Josef Zerndl hat sich mit der Theologie der Firmung in den Dokumenten der Vorbereitungszeit des Zweiten Vatikanischen Konzils und in den Konzilstexten beschäftigt. Nach seiner Analyse ist die Firmung zu verstehen 1) als Teil der christlichen Initiation, die mit der Feier der Taufe beginnt und auf die Feier der Eucharistie hin ausgerichtet ist. Dadurch wird die Firmung 2) zu einem ekklesialen Heilszeichen, weil die Gläubigen tiefer in die Kirche eingegliedert werden und an der Sendung der ganzen Kirche teilnehmen. Die Firmung ist 3) außerdem „im Konzil das besondere Sakrament des Heiligen Geistes, der mit seinen Gaben die Gläubigen für ihre Aufgaben bestärkt und sie an der apostolischen Sendung der ganzen Kirche teilhaben läßt“51. Diese Systematisierung bietet einen einfachen Zugriff auf die Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie wird deshalb dazu benutzt, um zu überprüfen, welche Kriterien aus theologischer Perspektive in eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Firmung eingebracht werden können.
1.1.1 Firmung ist Teil der christlichen Initiation
In der Konstitution über die Heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium wird die Firmung in den Zusammenhang der „christlichen Initiation“52 gestellt. Das Wort Initiation wird allerdings nicht erklärt53. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung hat in der Instruktion zur ordnungsgemäßen Durchführung der Konzilskonstitution über die Liturgie aus dem Jahr 1994 erklärt, Taufe, Firmung und Eucharistie gehörten zur christlichen Initiation, und zwar im Unterschied zu Initiationsriten wie sie in Stammeskulturen praktiziert werden54. In der Konstitution selbst ist Wort Initiation nur ein weiteres Mal zu finden, wenn neben „den Elementen der [christlichen] Initiation“55 in Missionsländern auch Elemente aus dem kulturellen Leben von Stammesvölkern Verwendung finden können, wenn sie dem christlichen Ritus angepasst werden können. Der innere Zusammenhang der christlichen Initiation wird in SC 71 an den Textstellen, die sich mit der Firmung beschäftigen, stark betont. Bei den Ausführungen über Taufe und Eucharistie ist er in dieser Form aber nicht zu finden. Zerndl begründet dies damit, dass der Ritus der Firmung, der vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil rahmenlos und isoliert gestanden habe, in „den Gang der Eucharistiefeier“56 eingeordnet wurde und damit von dieser Feier seine Gestalt her finden sollte. Jesaja Langenbacher weist darauf hin, dass das Wort Initiation in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgegriffen wurde, um an die Theologie der Alten Kirche anzuschließen57. Wegweisend für die Herausstellung des zusammengehörigen Initiationsritus wäre die liturgische Erneuerung, so Langenbacher im Anschluss an Franz-Josef Nocke58. Auch Günter Koch erklärt, dass in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils der Begriff Initiation aufgenommen wurde, während er im Neuen Testament kaum eine Rolle spielt, um die Abgrenzung von Initiationen in Mysterienkulte deutlich zu machen59. Bei der theologischen Deutung der Sakramente Taufe und Eucharistie und damit auch der Firmung – besonders seit der Theologie des 4. Jahrhunderts – kam es in der Auseinandersetzung mit den Mysterienkulten auch zu „manche[n] sachlichen und terminologischen Übernahmen“60, so Koch. Dies sei beispielsweise in der französischen Liturgiewissenschaft vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffen worden und habe Eingang in die Texte des Konzils gefunden.
Die Sakramente und damit auch die Firmung haben eine soziale Dimension. Sie dienen zum Aufbau der Kirche, gerade auch in den Einzelgemeinden, die besonders als territorial umschriebene Pfarreien, in gewisser Weise die Gesamtkirche darstellen61. In dieser Zuschreibung von Pfarrei / Gemeinde und Kirche sieht Zerndl auch die Wirkung der Initiationssakramente: „christliche Initiation erschöpft sich nicht in ‚Gemeinde’, aber die Eingliederung in ‚Gemeinde’ ist ein wesentliches Ziel“62. Dieses wird schon aus dem Grund deutlich, dass die Wirksamkeit der Sakramente vom Paschamysterium abhängig gemacht wird. So wird in SC 61 die Wirkung der Sakramente und Sakramentalien aus dem Christusereignis abgeleitet und eigens betont, dass der rechte Gebrauch aller materiellen Dinge auf das Ziel hin ausgerichtet ist, den Menschen zu heiligen und Gott zu loben. Initiation und Firmung müssen also von der „metahistorische[n] Bedeutsamkeit der Person Christi“63 her verstanden werden. Damit einher geht aber auch die Öffnung der Gemeinschaft auf andere Menschen und auf die gesamte Schöpfung hin. Christliche Initiation beinhaltet immer auch eine Sendung, denn die Firmung trägt wie alle Sakramente und wie jedes individuelle menschliche Leben64 dazu bei, „das Leben in seinen verschiedenen Gegebenheiten“65 zu heiligen. Diese biographische Bedeutung der Sakramente stellt die Firmung in die Nähe einer Begleitung oder auch Heiligung der Lebenszeit, in der sie empfangen wird, also zum Beispiel dem Jugendalter. Dies kann eben darin geschehen, dass das Leben Jesu für das persönliche Leben von Christinnen und Christen der Gegenwart Bedeutung erlangt. Deshalb wird die Firmung theologisch sowohl im Pfingstgeschehen verortet sein als auch im Pascha-Mysterium.
1.1.2 Firmung ist ein ekklesiales Heilszeichen
Die Dogmatische Konstitution Lumen Gentium über die Kirche hat sich folgendermaßen zur Firmung geäußert: „Durch das Sakrament der Firmung werden sie [die Getauften] vollkommener der Kirche verbunden und mit einer besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. So sind sie in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen“66. Diese Wendung findet sich im Zweiten Kapitel über das Volk Gottes und beschreibt das priesterliche Gottesvolk. Der Christ / die Christin wird in der Firmung also mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet und so individuell für das Leben gestärkt, gleichzeitig wird er / sie vollkommener mit der Kirche verbunden und so wird die Gemeinschaft, die Kirche, gestärkt. Die Firmung ist also sowohl subjektiv bedeutsam als auch ekklesial. Sie steht mit der Taufe genau an dem Schnittpunkt der Zugehörigkeit des Einzelnen zur Kirche. Firmung ist zunächst einmal eine Gabe und zwar sowohl an den einzelnen Christen als auch an das gesamte priesterliche Gottesvolk. Die Firmung beschreibt aber auch eine Aufgabe. Während alle Getauften die Pflicht haben, ihren Glauben „vor den Menschen zu bekennen“67, sind die Gefirmten in strengerer Weise verpflichtet, Zeugen Christi zu sein und den Glauben in Wort und Tat zu verbreiten und zu verteidigen. Der christologische Begründungszusammenhang der Firmung wird hier mit einer Theologie des Volkes Gottes ergänzt, das in der Firmung eine Stärkung erfährt. Deshalb wird eine komparative Sprechweise zur Erklärung der Firmung herangezogen. Damit tritt auch die Verpflichtung zur missionarischen Tätigkeit für die Gefirmten deutlich in den Vordergrund. Bei der Verbreitung des Glaubens ist allerdings auch seine Verteidigung mit impliziert. Dadurch beinhaltet die Firmung sogar den Auftrag zu apologetischem Wirken. Die Beziehung der Firmung auf die Verbreitung des Glaubens in Wort und Tat und der Einleitungspassus von LG 1168 verweisen obendrein auf ethische Implikationen des Sakramentes der Firmung. Darüber hinaus weist LG 11 neben dem christologischen Bezug der Firmung auch auf die pneumatologische Dimension hin. Neben der ethischen und missionarischen Verpflichtung werden auch spirituelle Aspekte der Zeugenschaft für Christus erwähnt.
Während für Peter Hünermann in LG 11 die einzelnen Christinnen