„Faßt man in diesem Sinne die Leitgedanken aus den verschiedenen Theologien der Firmung zusammen, so erscheint sie als »Teil«-Sakrament der Taufe und als deren Vollendung (sakramental), als die spezifische Eingliederung in die Sukzession des Geistes Jesu Christi (christologisch), als Zeichen für die Glaubensentscheidung (anthropologische Komponente für den Fall der Kindertaufe) und als Zeichen und Auftrag für Engagement und Glaubenszeugnis innerhalb und außerhalb der Kirche (ekklesiologisch)“12.
In einer späteren Veröffentlichung geht Biemer einen anderen Weg, wenn er schreibt: „wem sich die Symbolgeste Gottes in Jesus Christus durch seine Kirche in der Berührung mit dem Taufwasser, beim Kreuzeszeichen des Chrisam, beim Essen und Trinken der eucharistischen Gaben […] erschließt, dem wird die Erfahrung der Begegnung mit dem lebendigen Gott zuteil“13. Offensichtlich führte die Kombination verschiedener Modelle von Firmtheologien nicht dazu, eine breite Übereinstimmung unter Theologen zu erreichen14.
In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in der katholischen Theologie die Fragen aufgeworfen, ob mit der Theologie der Firmung nicht eine Abwertung der Taufe verbunden wäre und ob seit der Theologie Thomas von Aquins nicht ein Umfunktionieren der christlichen Initiation stattgefunden hätte. So veröffentlichte im Jahr 1974 Jean Amougou-Atangana seine Schrift Ein Sakrament des Geistempfangs? Er identifiziert Unsicherheiten „in der offiziellen katholischen Lehre von der Firmung“15. Deshalb untersucht er die Heilige Schrift und die patristische Tradition, um zu klären, „was für die Firmung vertretbar ist, und entsprechende Vorschläge“16 vorzulegen. Sein Ergebnis lautet, dass die Firmung kein eigenständiges Sakrament sei, sondern „ein an der Taufe partizipierendes Nebensakrament“17. Von diesem Verständnis der Firmung ist auch Ulrich Schwalbachs Arbeit Firmung und religiöse Sozialisation aus dem Jahr 1979 geprägt18. Er untersucht zudem die subjektive Seite der Religion der Firmanden mit Hilfe religionspsychologischer und religionssoziologischer Kategorien und versucht, Konsequenzen für die Praxis der Firmung zu ziehen. Den Rahmen dafür bietet ihm die Gemeindetheologie19. So wünscht er, die „Zusammenarbeit von Familie, Gemeinde und schulischem Religionsunterricht“20 zu stärken.
Stand der Diskussion
Wer Veröffentlichungen zur Firmung aus den letzten beiden Jahrzehnten sucht, findet ein unausgewogenes Bild vor: Es existieren zahlreiche Beiträge zum Thema Firmung im katechetischen Bereich, und neue Firmkonzepte werden in Pfarreien, Dekanaten und Diözesen erarbeitet21. Immer wieder wird auch die Ansicht diskutiert, Firmanden hätten mehrheitlich keinen Bezug mehr zu ihren Heimatpfarreien und zum religiösen Leben in der Kirche22. Deshalb überrascht es, dass in den letzten beiden Jahrzehnten in Deutschland lediglich zwei große Untersuchungen veröffentlicht wurden, die sich mit der Firmung in dogmatischer Hinsicht beschäftigten. Diese waren die Arbeit von Manfred Hauke aus dem Jahr 1999 und die Arbeit von Jesaja Langenbacher aus dem Jahr 2010.
Manfred Haukes Habilitationsschrift23 enthält eine detaillierte Übersicht über die Genese und die Entwicklung des Sakramentes der Firmung bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Zeitgenössische theologische Entwürfte oder dogmatische Veröffentlichungen zum Sakrament der Firmung aus der Mitte beziehungsweise dem Ende des 20. Jahrhunderts spielen bei ihm eine untergeordnete Rolle. Hauke wünscht, dass seine Arbeit „vor allem zum systematischen Verständnis der Firmtheologie“24 beiträgt. Ziel seiner Arbeit ist deshalb, aus der biblischen Grundlegung des Firmsakramentes und der historischen Entwicklung der Firmung heraus eine Systematik des Sakramentes der Firmung zu erstellen. Von dieser Basis aus nimmt Hauke auch Stellung zu Fragen um das Firmalter, den Spender der Firmung und zu ökumenischen Fragen wie der Konfirmation oder der so genannten Geisttaufe in pfingstlerischen Bewegungen.
Die Promotionsschrift von Jesaja Langenbacher25 ist von der kommunikativen Theologie nach Hilberath und Scharer inspiriert und setzt hier ihren Schwerpunkt. Andere theologische Entwürfe als die der so genannten kommunikativen Theologie spielen bei ihm eine untergeordnete Rolle. Die Arbeit von Hauke wird von ihm überhaupt nicht erwähnt. Ebenso unerwähnt bleiben Anfragen an die aus der Themenzentrierten Interaktion inspirierten kommunikativen Theologie, wie sie beispielsweise von Edmund Arens oder Norbert Mette vorgelegt wurden. Ziel der Arbeit Langenbachers ist es, zu klären, wie die gegenwärtige „Krise in der Lebens- und Glaubenskommunikation der Kirche“26 überwunden werden kann. Dies erscheint ihm durch eine gelungene Kommunikation „zwischen den drei Instanzen Lehramt, Theologie und Glaubens-Basis“27 auf der Grundlage der Themenzentrierten Interaktion möglich.
Eine weitere große theologische Auseinandersetzung mit der Firmung ist die Habilitationsschrift von Patrik C. Höring, die im Jahr 2011 veröffentlicht wurde. In seiner religionspädagogischen Arbeit sucht er nach den „Möglichkeiten von Lernen und Lehren der beteiligten Subjekte“28 in der Firmung und verbindet dies mit der pastoraltheologischen Sichtweise, die für ihn „die Firmung als Sakrament und seine Feier im Kontext und aus der Perspektive der Gemeindetheologie“29 reflektiert. Darüber hinaus möchte er mit Liturgiewissenschaftlern über die Feier der Firmung und der Dogmatik über das Verständnis des Sakramentes in ein Gespräch kommen und auf der Grundlage der theologischen Analyse verschiedener Praxiskonzepte, Hinweise für die Vorbereitung und die Feier der Firmung geben. Eine größere pastoraltheologische Arbeit zur Firmung aus den letzten Jahrzehnten ist mir nicht bekannt.
Methode der Arbeit
In der vorliegenden pastoraltheologischen Arbeit wird die Kontextualität theologischer Forschung und der Glaubenspraxis der Kirche im Hinblick auf das Sakrament der Firmung bearbeitet. Das bedeutet, dass mit der kirchlichen Praxis „auch Lebenspraxis und Handlungsformen der Mitglieder der Glaubensgemeinschaft“30 in den Blick genommen werden. Es geht damit um „die Praxis der Kirche in der Vielfalt ihrer institutionellen oder personalen Vollzugsformen, ohne sich den Blick auf andere Praxisformen zu verbieten“31. Dieser pastoraltheologische Charakter soll mittels einer interdisziplinären Zusammenschau eingelöst werden.
Interdisziplinarität ist laut Norbert Mette gewährleistet, wenn verschiedene wissenschaftliche Disziplinen oder Forscher einen gemeinsamen Forschungsgegenstand bearbeiten, wobei keinem der wissenschaftlichen Zugänge eine untergeordnete Funktion zukommen darf. An der „Präzisierung der Fragestellung u. der Hypothesenbildung bis hin z. Interpretation der Ergebnisse“32 sind alle ausgewählten wissenschaftlichen Zugänge gemeinsam beteiligt33. Interdisziplinär zu arbeiten führt in der Theologie dazu, mittels nichttheologischer wissenschaftlicher Zugänge eine zeitgemäße Darlegung des christlichen Glaubens zu ermöglichen und um des Wohls der Menschen willen die befreienden Erinnerungen der Glaubenspraxis der Kirche in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen34. Die Entwicklung einer hierfür benötigten interdisziplinären Logik oder Methodologie bezeichnete Norbert Mette im Jahr 1996 noch als anfänglich35.
Im Jahr 2010 veröffentlichte Johannes Först seine Habilitationsschrift, die sich mit einer theologischen Methodologie der Rezeption religionsbezogener Daten beschäftigte36. In dieser Arbeit wird eine sachgerechte