Christine Schrappe
Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal
Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 88
Herausgegeben von
Konrad Baumgartner und Erich Garhammer
in Verbindung mit
Martina Blasberg-Kuhnke und Franz Weber
Christine Schrappe
Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal
Ein Schlüsselinstrument zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Kirche
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© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Druck und Bindung: Difo-Druck GmbH, Bamberg
ISBN 978-3-429-03462-7 (Print)
ISBN 978-3-429-04625-5 (PDF)
ISBN 978-3-429-06010-7 (ePub)
Vorwort
Inhaltliche und strukturelle Veränderungen in der Pastoral haben Auswirkungen auf das Selbstverständnis und die Aufgabenfelder von Pfarrern, Diakonen, Pastoral- und GemeindereferentInnen. Was in Studium und Ausbildung gelernt wurde, trägt nicht mehr lebenslang. Wenn die „Schafe“ den Pfarrei-Pferch verlassen, löst dies Irritationen bei den Hirten aus. Sinnsuchende können heute unter vielen Anbietern wählen. Die Angebote der Kirchen werden je nach biographischer Relevanz individuell und punktuell genutzt. Die meisten Menschen identifizieren sich nur noch okkasionell mit der Kirche. Weil sich Traditionen und Gemeindeideale auflösen, bewegen sich Seelsorger1 in neuen pastoralen Landschaften und müssen ihre „Landkarten“ neu entwerfen.
Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal hat es zu tun mit Verunsicherungen, mit Rollenverflüssigung und neuen Konfliktfeldern. Mitarbeitende in der Kirche haben aber – gerade in Umbruchszeiten – ein Recht darauf, dass sie Arbeitsstrukturen vorfinden, in denen sie psychisch und physisch gesund bleiben. Unternehmergeist und Eigenverantwortung sind vom Einzelnen nicht nur einzufordern, sondern müssen in der Unternehmenskultur einer Diözese vorgelebt und eingeübt werden. Das Anliegen dieser Arbeit ist es, den Auftrag und das Handeln der Kirche als Dienstgeberin theologisch zu reflektieren und Wege für die Praxis aufzuzeigen. Personalentwicklung ist ein wesentliches Instrument zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Kirche.
Dieses Buch hat einen Sitz im Leben. Es ist aus meiner zehnjährigen Tätigkeit als Diözesanreferentin für Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im neu gegründeten Personalreferat der Diözese Würzburg erwachsen. Unter dem Titel: „Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal. Ein Schlüsselinstrument zur Gestaltung von kirchlichen Transformationsprozessen“ wurde die vorliegende Veröffentlichung im Sommersemester 2011 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Bei Herrn Prof. Dr. Konrad Baumgartner und Prof. Dr. Erich Garhammer bedanke ich mich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge“, die im Echter Verlag erscheint.
Ich danke Herrn Professor Dr. Erich Garhammer für die fachliche Begleitung. Er hat mich ermutigt, meine beruflichen Erfahrungen wissenschaftlich zu reflektieren und neue Ansätze der Personalentwicklung in einen kreativen Dialog mit biblischen Überlieferungen und dem Selbstverständnis der katholischen Kirche zu bringen.
Ich danke Herrn Professor em. Dr. Theodor Seidl für sein Zweitgutachten und die exegetische Betreuung während der Erstellung dieser Arbeit. Seine Hinweise waren gerade in den biblischen Kapiteln sehr hilfreich.
Mein Dank gilt desweiteren meinem Kollegen Edmund Gumpert, der mit scharfem Blick, aber immer mit hoher Wertschätzung, die Korrekturlesung übernommen hat. Danken möchte ich auch Claus Schreiner, der mich mit theologischem Sachverstand und technischem Können bei der Fertigstellung der Arbeit praktisch unterstützt und in Freundschaft motiviert hat. Besonders dankbar bin ich meiner Familie, die mich in diesen Jahren getragen und manchmal ertragen hat. Herrn Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand danke ich für die oft erwiesene Wertschätzung gegenüber allen pastoralen Diensten und die zugesagte Unterstützung der Diözese Würzburg für dieses Buch.
Würzburg, den 15.03.2012
Christine Schrappe
1 Die nachfolgend verwendete männliche Form bezieht selbstverständlich die weibliche Form mit ein. Auf die Verwendung beider Geschlechtsformen wird lediglich mit Blick auf die bessere Lesbarkeit des Textes verzichtet.
Das Anliegen
Die Förderung des pastoralen Personals ist Investition in die Zukunft der Kirche, in ihre Glaubwürdigkeit und in die Sicherung ihrer Auftragserfüllung. Das hauptberufliche pastorale Personal im Pfarreidienst ist in besonderem Maße von aktuellen Umstrukturierungsmaßnahmen in allen deutschen Diözesen betroffen. Die Verflüssigung kirchlicher Sozialformen führt zur Auflösung traditioneller Berufsbilder. Dabei handelt es nicht um marginale Aufgabenverschiebungen, sondern um die Frage nach der Rolle und Identität aller pastoraler Dienste. Es geht um die Reflexion des Auftrags der Kirche heute.
Die Motivation und Arbeitshaltung hauptberuflicher Theologen wird beeinflusst durch die realen Arbeitsbedingungen in der Kirche. Dabei empfinden die hauptamtlich in der Kirche Tätigen die „Asymmetrie der Perspektiven“2, die Spannung zwischen kirchlichem Selbstverständnis, der allgemeingesellschaftlichen Wahrnehmung von Kirche und der eigenen Binnenansicht als besondere Herausforderung. Der Umgangsstil innerhalb der Kirche wird von Seelsorgern manchmal als belastender empfunden als die eigentlichen Arbeitsanforderungen in der Pastoral. Unzufriedenheit mit innerdiözesanen Leitungs- und Kommunikationsstrukturen hat gerade in Umbruchszeiten Auswirkungen auf die Ausstrahlung und Überzeugungskraft des einzelnen Theologen.
Organisationen sind immer auch „geronnene“ Werte. Das Menschenbild der Organisation Kirche lässt sich am Umgang mit dem eigenen Personal ablesen. Personalarbeit unterliegt großem Handlungsdruck durch täglich neue Konflikte und Problemstellungen. Die Schwangerschaft einer Gemeindereferentin, die plötzliche Erkrankung eines Pfarrers oder ein öffentlich ausgetragener Konflikt in einer Pfarrei zwingt Personalverantwortliche, unter hohem Zeitdruck existentielle Entscheidungen zu treffen. Stellenveränderungswünsche von Laien oder Personalanfragen von Pfarrern können nicht immer wunschgemäß bedient werden, unangenehme Entscheidungen müssen Gemeinden täglich vermittelt werden. Wenig Zeit bleibt dabei, das Selbstverständnis als Personalverantwortlicher oder das eigene Konzept von Personalentwicklung zu überdenken. Der tägliche Handlungsdruck birgt die Gefahr der steten Reaktion statt proaktiver Gestaltung von Personalarbeit. Der theologischen Begründung kommt in diesen Prozessen die undankbare Rolle der „Nachreflexion“ zu. Die pastoraltheologische Beleuchtung einzelner kirchlicher Handlungsfelder muss sich deswegen auch auf den internen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern beziehen. Wo dies unterbleibt, besteht gerade im Alltag einer Personalabteilung die Gefahr des „Totalitarismus“ der Praxis. Ein unter hohem Zeitdruck sich entwickelnder Pragmatismus im „Personalgeschäft“ gefährdet den Anspruch, Personalentwicklung als verantwortetes Handeln im Rahmen des kirchlichen Auftrages zu wahrzunehmen und zu gestalten.
Praktische Theologie hat eine kritisch-prophetische Aufgabe. Sie muss Horizontverengungen benennen, Spuren auslegen auch für die konkrete Gestaltung eines Handelns von Kirche als Organisation