Als gestandene Frau bringen Sie solche Torheiten jedenfalls nicht mehr aus der Ruhe. Sie haben aufgehört, sich ständig zu hinterfragen. Das befreit ungemein. Das »junge Früchtchen« von einst ist zu einer Persönlichkeit herangereift.
Der Schwarzmalerei etwas entgegensetzen
Jedes Lebensalter hat seine ganz besonderen Werte und seinen ganz besonderen Zauber. Anstatt sich von düsteren Altersbildern frustrieren zu lassen, denken Sie lieber an die Vorzüge erlesener Rotweine: Auch die werden mit den Jahren immer besser.
Was sind Merkmale einer reifen Persönlichkeit? Sie verfügt über emotionale, moralische und soziale Reife, sie denkt und handelt eigenständig und zeichnet sich durch bestimmte psychisch-geistige Fähigkeiten aus:
Sie übernimmt die Verantwortung für das eigene Leben.
Sie ist sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst.
Sie hat die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Selbstkritik.
Sie haushaltet mit der eigenen Energie und sorgt für sich selbst.
Sie ist flexibel im Denken, Fühlen und Handeln.
Das Jugend- und Schönheitsdiktat
Der allgegenwärtige Jugend- und Schönheitskult ist ein Fallstrick für das »schöne Geschlecht«. Er setzt die reife Frau faltenfrei, schlank, jugendlich und attraktiv in Szene. Natürlich alternde, nicht fotogeshopte Frauen findet man eher selten. Schauspielerinnen, Supermodels und andere prominente Vorzeigedamen ab 40 (ab 50, ab 60 – suchen Sie sich eine Zahl aus) werden als Sexsymbole bejubelt. Vorausgesetzt, sie verkörpern die Vorstellung der perfekten Frau: glattes Gesicht, volle Lippen, Traumbody und unberührt von Altersspuren. Ein Ideal, das für Frauen wie Sie und ich unerreichbar ist. Die Botschaft der getunten Bilder: Frauen um die 50 sind erfolgreich, begehrenswert und genießen das Leben. Oma war gestern – die Frau von heute ist ewig jung, zu allem bereit und umwerfend sexy.
Diskriminierung des weiblichen Alters
Altern in der Gegenwartsgesellschaft ist der Inbegriff des Niedergangs, der besiegt werden muss. Älterwerden sollen doch bitte die anderen, aber wir selbst? Bloß nicht! Es wird alles dafür getan, um das jugendliche Aussehen zu bewahren. Die Fassade tritt in den Vordergrund, innere Werte und Charaktereigenschaften, persönliche Entwicklung und Lebensleistungen werden zweitrangig.
Meine Mutter kam in schwierigen Zeiten zur Welt. Wie sie ihre Menopause erlebte und was sie über das Älterwerden dachte, danach habe ich sie nie gefragt. Ich kann mich aber gut daran erinnern, wie sie auf Komplimente über ihr immer noch jugendliches Äußeres reagiert hat: »Glatte Haut ist doch kein Verdienst. Stolz bin ich darauf, dass ich fünf gesunde Kinder durchgebracht habe.«
Frauen gelten schneller als alt und haben ein anderes Ansehen als Männer mit Silberlöwenstatus. Das Phänomen der unterschiedlichen Betrachtung des Alters wird als »double standard of aging« bezeichnet. Wie die öffentlichen Medien die soziale Ungleichbehandlung der Geschlechter weitertreiben, darauf wies unlängst die Schauspielerin Maria Furtwängler hin. Sie nannte es diskriminierend, dass Frauen schon ab Mitte 30 im Fernsehen so gut wie unsichtbar werden. Übrigens sehen wir selbst graue Haare und Falten bei Geschlechtsgenossinnen viel kritischer als bei Männern. Dass Frauenzeitschriften, die daraus bestehen, die neueste Wunderdiät anzupreisen und körperliche Schwachstellen weiblicher Promis aufzuzeigen, von Frauen gemacht werden, hält uns den Spiegel vor: Wir haben das abwertende Muster übernommen, unter dem wir selbst am meisten leiden.
Die Selbstwertfalle – wenn Schönheit zur Norm wird
Männer werden über Leistung definiert, Frauen über ihr Aussehen. Sobald sie nicht mehr dem knackigen Ideal männlicher Wunschträume entsprechen, fühlen sich manche plötzlich unsichtbar. Inzwischen wird äußere Schönheit nicht mehr als Gottesgeschenk gepriesen, sondern als Erfolgsverdienst. Wer konsequent und hart an sich arbeitet, wird belohnt; wer »hässlich« bleibt, ist selbst schuld! Falten und hängende Augenlider verschwinden auf wundersame Weise über Nacht, Botoxspritzen in der Mittagspause sind so unkompliziert geworden wie der Coffee to go. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Jede soll selbst entscheiden, ob und wie der Natur nachgeholfen werden soll. Fatal sind Schönheitsnormen, die Frauen unter Zugzwang setzen. Sie treiben zu gegenseitigen abschätzenden Blicken an (hat sie schon oder hat sie nicht?) nach der Devise »Falten gehen gar nicht, Botox geht immer!«. Befreien Sie sich von solch fragwürdigen Zwängen, denn:
Eine Heidi Klum ist nicht unbedingt glücklicher als eine Heidi Müller aus Bonn.
Makellose Schönheit ist unerreichbar.
Supermodels oder Schauspielerinnen werden vor jedem Shooting aufwendig gestylt, die Fotos in den Hochglanzmagazinen sind samt und sonders retuschiert.
Unrealistische Schönheitsideale führen zu Unzufriedenheit und Minderwertigkeitskomplexen.
Schönheitsnormen fördern Eifersucht und Missgunst: Damit erfüllen wir das Klischee der oft zitierten weiblichen Stutenbissigkeit.
Wer sich Schönheitsdiktaten unterwirft, lebt fremdbestimmt.
Dem Älterwerden kann niemand entkommen, den Wettkampf um ewige Jugend verlieren wir alle.
Die Werbeversprechen der Kosmetikbranche sind glatt gelogen und die teuren Cremetiegel ihren Preis nicht wert. Zahlreiche Körperpflegeprodukte und Kosmetika enthalten übrigens bedenkliche, hormonell wirksame Chemikalien.
Ob Kosmetik oder plastische Chirurgie – die Schönheitsindustrie feiert weltweit Gewinnrekorde. Die globalen Umsätze aller operativen Eingriffe bewegen sich in zweistelliger Milliardenhöhe: Tendenz steigend. Zunehmend nachgefragt sind Schamhügel- und Schamlippenkorrekturen. Vaginalstraffungen aus primär ästhetischen Gründen sollen den weiblichen Intimbereich verjüngen. Besonders beliebt ist zurzeit der sogenannte Brötchenlook, versetzt er doch die Vulva wieder in den kindlich-unbenutzten Zustand. »Es ist der nackte Wahnsinn«, so eine Chirurgin über Schönheitsoperationen, »was Frauen alles ausblenden, wenn es um Schönheit geht. Um einer Schönheitsnorm zu entsprechen, lassen sie sich freiwillig verstümmeln und bezahlen dafür auch noch viel Geld!«
Der Kampf gegen den eigenen Körper
Der Zwang zur äußeren Perfektion wird zum Kampf gegen den eigenen Körper. »Lieber Ziege als Kuh«, sagte eine ältere Frau in einer Sendung über den zunehmenden Selbstoptimierungswahn, »wer sich ausruht, verliert den Kampf als Erste.« Wenn ab 40 erste Gewichtsprobleme beginnen,