Stressfaktor Perfektionismus
Zweifellos hat die Gleichberechtigung uns neue Entfaltungsmöglichkeiten ermöglicht. Gleichzeitig ist der soziale Druck gestiegen. Das Idealbild der starken modernen Frau: fit, flexibel, leistungsfähig soll sie sein, beruflich dem Manne mindestens ebenbürtig. Ganz nebenbei soll sie die Rolle der Familienmanagerin, der Vorzeigemutter, der sexy Bettgefährtin, der verständnisvollen Partnerin (suchen Sie sich beliebig viele aus) unter einen Hut bringen und obendrein entspannt und tipptopp aussehen. Frauen, die im Alltags- und Berufsleben »ihren Mann« stehen, leben oft gegen ihren natürlichen Rhythmus und stoßen in den Wechseljahren an die Grenzen ihrer bisherigen Leistungsfähigkeit.
Hochroter Kopf im Geschäftsleben signalisiert Unsicherheit – karriereschädlich; Hitzewallungen sind nicht öffentlichkeitstauglich. Häufig anzutreffen bei Frauen mit hohen Leistungsstandards ist der Hang zur Selbstausbeutung, zu übermäßiger Disziplin und Kontrolle. »Wer nichts leistet, ist nichts wert. Ich muss eben noch einen Zahn zulegen«, sind Glaubenssätze, die typisch für Perfektionistinnen sind. Wechseljahre sind ihnen lästig und stören die gewohnten Routinen. Auch das hält die Nachfrage nach Hormonen aufrecht. An der Problematik, immer nur Vollgas zu geben, ändert diese Lösung nichts.
Stress als Auslöser hormoneller Dysbalancen
Hormone lieben ausgeglichene und harmonische Verhältnisse. Ein erhöhter Stresslevel in Verbindung mit zu wenig Bewegung bedeutet mehr Stresshormone. Über- oder Unterforderung, Kummer und Sorgen stören nicht nur das innere Gleichgewicht, sondern bringen auch die Ausschüttung der weiblichen Sexualhormone Progesteron und Östrogen durcheinander.
Kennen Sie den Satz »Das geht mir jetzt richtig an die Nieren«? Gemeint ist damit häufig, dass einen etwas aufregt oder angreift. In Wahrheit hat Stress mit den Nebennieren zu tun, genauer gesagt mit den Stresshormonen Adrenalin und Cortisol, die dort gebildet werden. In den Wechseljahren sind optimal funktionierende Nebennieren besonders wichtig. Sobald die Eierstöcke die Produktion von Progesteron und Östrogen herunterfahren, übernehmen diese kleinen Organe einen Teil dieser Aufgabe. Deshalb wird der weibliche Körper auch während und nach der Menopause weiterhin mit Sexualhormonen versorgt. Und zwar in Mengen, die nicht mehr der Mutterschaft, sondern ausschließlich dem Selbsterhalt dienen.
Wenn Sie aber ständig unter Strom stehen, sind die Nebennieren überlastet, ähnlich wie eine Batterie, die leerläuft. Starke Wechseljahresbeschwerden können also ein Signal dafür sein, dass Ihre Nebennieren erschöpft sind. Sie merken einmal mehr, warum Entspannung und Stressausgleich in den Wechseljahren so immens wichtig sind.
Gift für die Seele: Kränkungen machen krank
Worte können heilen, Worte können kränken. Eine Kollegin legte einmal den Finger in die Wunde sprachlicher Verunglimpfungen, mit denen Frauen in den Wechseljahren bedacht werden: »Wenn ich jedes Beispiel auflisten würde, dann wäre was los. Da wird die Frau, ich zitiere jetzt mal ›… zur hässlichen Hexe mit Rundrücken, Hängebauch, Inkontinenz, Reizbarkeit und depressiver Verstimmung‹.«
Unheilvolle ärztliche Kommunikation
Die medizinische Fachliteratur ist voll von unschönen Symptombezeichnungen. Sie spiegeln den kritischen Umgang mit älter werdenden Frauen in unserer Kultur wider. Da ist die Rede von »degenerativen Veränderungen, defizitären Östrogenen, vulvovaginaler Atrophie und seniler Beckeninvolutionsatrophie«. Man erklärt uns den weiblichen Körper in der Menopause als defektes Produkt, gefolgt von der unvermeidbaren geistigen Invalidität.
Dumme Sprüche und Respektlosigkeiten
»Frau in Menopause« ist kein Kompliment. Das Ereignis, das mir dazu einfällt, ist lange her. Da saß ich mit einer Bekannten und ihrem Begleiter im ICE nach Stuttgart. Das Abteil war stickig und heiß. Uns gegenüber saß eine Dame, sichtlich nicht mehr in den Zwanzigern. Sie wedelte sich mit einem Fächer kühlere Luft zu. Da lehnte sich unser Bekannter mit süffisantem Lächeln vor und raunte mit Verschwörermiene: »Achtung – Hitzewallungalarm! Diagnostiziere: Menopause. Einfach nur peinlich.«
Selbstabwertende innere Dialoge
»Bist du dafür nicht langsam zu alt?« Ein und dieselbe Frage führt zu völlig unterschiedlichen Reaktionen. Während es der einen herzlich egal ist, was andere über sie denken, schluckt die andere das Gift dieser Botschaft. Schlagartig meldet sich eine boshafte innere Stimme, die gnadenlos nachtritt. »Kein Wunder, dass sich andere über dich lustig machen. Du bist wirklich zu alt. Deine Brüste hängen ja schon bis zum Bauchnabel.« Unser ärgster Kritiker sitzt im eigenen Kopf. Je bewusster Sie sich darüber werden, wie Sie mit sich selbst reden, desto eher kommen Sie ihm auf die Schliche und können ihn in die Schranken weisen.