Wahrheit oder Irrtum? Das Leeres-Nest-Syndrom
Die gemischten Gefühle von Eltern, wenn die Kinder erwachsen werden und ausziehen, gehören zum elterlichen Abnabelungsprozess und sind normal. Obwohl ich meine Tochter seit ihrem Umzug in die eigene Wohnung manchmal vermisse – keine Spur von einer dauerhaften Sinnkrise, die das leere Nest vor allem bei Müttern auslösen soll. Damit stehe ich nicht allein. Viele sind am Ende froh, wenn die Schützlinge das Elternhaus verlassen. Es bedeutet mehr Zeit für sich und lang aufgeschobene Interessen. Manche beklagen sich im Gegenteil sogar darüber, dass sich – besonders die Söhne – dauerhaft im Hotel Mama eingerichtet hätten.
Wahrheit oder Irrtum? In den Wechseljahren nehmen Depressionen zu
Stimmungs- und Gemütsschwankungen kommen als Reaktion auf Umstellungen, die Ihr Körper mitmacht, häufiger vor. In einem Punkt können Sie aber sicher sein: Allein aufgrund hormoneller Veränderungen in der Menopause entsteht keine Depression.
Das Schreckgespenst Klimakterium
Nichts fürchtet die Damenwelt mehr als die Wechseljahre. Zumindest, wenn man glaubt, was immer wieder durch die Medien geistert. Dass man sie, die Frauen, das Fürchten erst durch die mediale Berichterstattung gelehrt hat, ist mit dem Wort Einflussnahme noch milde umschrieben.
Schließlich haben regelrechte Meinungskampagnen zum Ruf des Klimakteriums als einer gefährlichen Östrogenmangelkrankheit beigetragen. Allzu leichtgläubig wurde die Hormonersatztherapie als die Erlösung von allen Übeln hochgejubelt. Die drastischen Töne der vergangenen Jahre sind leiser geworden und der ungezügelte Hormonhype hat sich nach den alarmierenden Ergebnissen der großen Studien aus England und den USA gedämpft. Dennoch reißen die Versuche nicht ab, Frauen einzureden, unbedingt etwas gegen die Risiken der Wechseljahre tun zu müssen. Werden sie auch noch damit eingeschüchtert, dass diese Leidenszeit viele Jahre andauert, kann man leicht nachvollziehen, dass einigen schon davor graut, bevor sie überhaupt erst angefangen hat.
Unmissverständlich formuliert die Weltgesundheitsorganisation (WHO): »Die Menopause ist keine Krankheit, sondern ein Teil des normalen Alterungsprozesses, der per se keiner therapeutischen Intervention bedarf.« Gemeinsam mit der International Menopause Society hat die WHO den Oktober zum Welt-Menopause-Monat und den 18. Oktober zum Welt-Menopause-Tag erklärt.
Der Mythos des altersbedingten Verfalls
Was ist mit anderen Quälgeistern, die während und nach der Menopause auftreten? Aus Sicht der Wissenschaft sind hier die Zusammenhänge komplexer, als allgemein angenommen wird. Die nachlassende Östrogenproduktion ist nicht die primäre Ursache von Symptomen wie Gelenkbeschwerden, Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Problemen. Verantwortlich ist unser genetisch-biologisches Altersprogramm. Und alles, was auch sonst die Gesundheit und das Wohlgefühl beeinflussen kann, etwa die Stressbelastung, der Lebensstil oder das familiäre, soziale und berufliche Umfeld. In der Lebensmitte wird vieles anders. Vergesslichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gemütsschwankungen beispielsweise nehmen auch bei Männern ab 50 zu, von grauen Haaren und der unentbehrlich werdenden Lesebrille ganz zu schweigen.
Ohne gesicherten wissenschaftlichen Hintergrund vertraten die meist männlichen Wechseljahresexperten lange die Ansicht, dass künstliche Östrogengaben vor den Folgen der Menopause – Knochenschwund, Herzinfarkt und Alzheimer – schützen. Unabhängig davon, ob sie Beschwerden hatten oder nicht: Die Hormonpillen wurden jeder zweiten Frau zwischen 50 und 60 in Deutschland ärztlich verordnet, oft bis ins hohe Alter. Als Heilsversprechen gefeiert, sollten sie Wohlbefinden, Stimmung und sexuelle Bereitschaft steigern, glatte Haut, glänzende Haare und straffe Brüste garantieren – und den leidigen Alterungsprozess aufhalten.Dass wir nach der Menopause gleichsam dahinsiechen, ist ein Zerrbild der Wirklichkeit. Das Klimakterium ist nicht Auslöser, sondern Teil des Altersprozesses, der, genau betrachtet, schon früher beginnt. Wir Menschen sind mit etwa 19 Jahren ausgewachsen. Um diese Zeit erreichen auch die meisten unserer Organe und Körperfunktionen den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit. Das Gewicht der Eierstöcke sinkt schon ab Mitte 30, der männliche Testosteronspiegel ab 25. Die Fruchtbarkeit bei Frau und Mann lässt nach. Die positive Nachricht: Sexualtrieb und Denkvermögen können bis ins hohe Alter funktionieren.
Vermutlich fühlen Sie sich wie die Mehrzahl aller Frauen im mittleren Alter: Sie stehen mit beiden Beinen fest im Leben und haben noch viel vor. Von dem Gedanken, demnächst auf Stützkorsett und Rollator angewiesen zu sein, können Sie sich getrost verabschieden. Statistisch gesehen dürfen Sie sich auf eine noch lange Lebensspanne freuen. Auch wenn die Menopause selbst kein Gesundheitsrisiko ist, sie kann die kluge Überlegung anstoßen, wie sich das kostbare Gut Gesundheit erhalten oder verbessern lässt.
Das Bild der Frau im Klimakterium
Verbittert und sexuell ins Abseits gestellt: ein Symbolbild, das mit den Wechseljahren verknüpft wird. In Zeiten, als das weibliche Geschlecht noch als schwach galt, bezeichnete man Frauen, die das Verfallsdatum ihrer Fruchtbarkeit überschritten hatten, ungeniert als »Dörrobst«. Kein Wunder, wenn sie sich stigmatisiert fühlen und ihr Alter nach unten schwindeln.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Innere Bilder, Vorstellungen in unseren Köpfen, entfalten große Wirkkraft im Unterbewusstsein. Wir alle tragen Bilder in uns, die von Lernerfahrungen geprägt sind. Auch von Erfahrungen mit anderen Menschen, denken Sie an die Bedeutung des Wortes »Vor-Bild«. Innere Bilder vermitteln uns Werte, Orientierung und Sicherheit. Sie können uns aber auch daran hindern, die Wirklichkeit unvoreingenommen so wahrzunehmen, wie sie tatsächlich ist. So hat sich die Sichtweise, wonach Frauen mit der Menopause nicht nur ihre Fruchtbarkeit, sondern gleich ihre ganze Weiblichkeit einbüßen, als schwarzgemaltes Bild in das kollektive Bewusstsein unserer westlichen Kultur eingegraben.
Wer kennt es nicht, das Bild der hageren alten Hexe aus dem Märchen? Lange herrschte die Vorstellung, dass eine Frau mit zunehmenden Jahren austrocknet. Sobald sie nicht mehr bluten und gebären konnte, verdorrte sie wie ein Baum, dessen Lebenssäfte versiegen. Das antiquierte Bild wirkt noch heute. »Das Alter ist ein Weib mit vertrockneten Brüsten«, betitelte 2014 die deutsche TAZ ihre Rezension über ein Buch, das davon handelt, wie Frauen ihr Älterwerden beurteilen. Und in einer der angesagtesten Fernsehserien der letzten Jahre, Sex and the City, meint eine der Großstadtneurotikerinnen über Wechseljahre-Ratgeberbücher: »Warum sagen die nicht deutlich, was das hier wirklich ist? Etwas für Frauen, die zu vertrocknen anfangen!«
Fragen Sie sich doch einmal, wie das Klischee des dahinwelkenden Geschlechts mit den überwiegend gesunden und aktiven Frauen dieser Altersklasse in Ihrer Umgebung übereinstimmt.
Entzaubern Sie allzu nostalgische Jungendbilder
»Ich wär so gerne wieder jung, noch mal 17 sein, das wäre schön.« Es stimmt, wir sind nicht mehr die scharfen Bräute von damals, die in Minirock und hautengen Tops die Nächte durchtanzen. Das Leben hat am Körper mehr oder weniger deutliche Spuren hinterlassen. Haare wachsen an Stellen, an die sie nicht gehören, und der Richtungswinkel einst kecker Brüste neigt sich abwärts. Neulich kommentierte mein Hautarzt das Ergebnis