Steine brennen nicht. Klaus D. Biedermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus D. Biedermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783937883526
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PC zu bauen, der seine Energie durch die Photosynthese eines Baumes erhielt.

      Aber erst im vorletzten Jahrhundert war es einem Wissenschaftler und Mitarbeiter der asiatischen Niederlassung von BOSST gelungen, die Kraftquelle Mensch für den Antrieb von Automobilen zu nutzen. Der Fahrer selbst und natürlich auch seine Beifahrer produzierten die Energie praktisch zum Nulltarif. In der gesamten Bandbreite der Elektrophysiologie lieferten die Forschungsteams von BOSST und ihre interdisziplinären Aktivitäten wesentliche Beiträge, nicht nur diesen.

      Nikita genoss die Momente in ihrem Wagen. Sie fühlte sich wie auf einer kleinen Insel, denn alle Kommunikationsinstrumente ließen sich auch abschalten, sodass man einfach nur chauffiert wurde und sich ausruhen konnte.

      Heute hatte sie ein komisches Gefühl, irgendetwas lag in der Luft. Etwas Entscheidendes, wie ihr das bekannte Kribbeln in ihrer Magengegend sagte. Sie hatte manchmal solche Vorahnungen, die sich dann meist auch bestätigten. Als sie ein kleines Mädchen war, hatte sie diese Gefühle, manchmal auch mit Visionen verbunden, sogar noch viel ausgeprägter. Im ersten Schuljahr wurde sie von ihren Mitschülern deswegen ausgelacht und auch von ihren Lehrern bekam sie keine Unterstützung, sondern eher noch abfällige Bemerkungen.

      Danach wurden diese Empfindungen seltener. In der Pubertät hatte sie »ihre Anwandlungen«, wie sie es inzwischen selbst nannte, wieder öfter. Sie hatte sogar manchmal am helllichten Tag regelrechte Albträume, während denen sie auch nicht ansprechbar war. Todschlecht war ihr oft dabei, manchmal bis zum Übergeben. Diese Erfahrungen waren für sie schon traumatisch, da sie ein Eigenleben zu entwickeln schienen und drohten, zu Dämonen zu mutieren.

      Nachdem sie das erste Mal mit einem Jungen geschlafen hatte, hörte es in dieser Intensität schlagartig auf und reduzierte sich auf Vorahnungen wie eben dieses Kribbeln in der Magengegend.

      Sie war dankbar dafür. Sonst gab es keine Veranlassung, gerne an dieses »erste Mal« zurückzudenken, aus dem die meisten ihrer Freundinnen ein Riesentheater gemacht hatten.

      Pete Johnson hieß er, war zwei Jahre älter als sie und der Baseballstar der benachbarten Schule. Alle Mädchen flogen auf Pete und auch Nikita hatte sich schließlich von seinem umwerfenden Charme einfangen lassen. Sie war ihm gegenüber anfänglich sehr reserviert gewesen, was ihn anscheinend besonders motiviert hatte. Er bemühte sich rührend um ihre Aufmerksamkeit und am Ende hatte er sie tatsächlich erobert.

      Manche Mädchen platzten vor Neid. Nach einer der seltenen Partys auf Sells waren sie ziemlich beschwipst in seiner Bude gelandet. Beide hatten sich Mut angetrunken, denn auch für ihn war es das erste Mal, was sie nie gedacht hätte. Wohl aber, nachdem alles sehr schnell vorbei war. Sie traf sich noch ein paar Mal mit ihm, erkannte allerdings bald, dass sein Hauptinteresse dem kleinen Lederball galt. Da sie nicht als sein Maskottchen enden wollte, gab sie ihm nach zwei Wochen den Laufpass, was bei einigen Freundinnen auf großes Unverständnis stieß. Der nächste Mann, auf den sie sich körperlich einließ, war Jan und sie hatte gleich bedauert, dass er nicht der Erste gewesen war.

      Mit den Vorahnungen konnte sie leben und erzählen musste sie ja auch niemandem davon. Was konnte Professor Rhin nur von ihr wollen?

      Kapitel 5

      Anfangs war es für Effel schwierig gewesen, sich so zu »versenken«, wie Mindevol es ihm beibrachte. Mit den ersten Erfolgen begann es, Spaß zu machen. Gleichzeitig erfüllte es ihn mit Ehrfurcht und Staunen. Er erinnerte sich noch genau daran, als er zum ersten Mal einen Bodach sah, einen jener Kobolde, die gerne in Kaminen leben. Es war zwar ein sehr vorwitziger Kobold gewesen, der es Effel leicht gemacht hatte, aber es war eine wundervolle Bestätigung für Mindevols Lehren.

      Nun, Sams Blick folgend, versenkte sich Effel wie er es gelernt hatte. Sein Blick schien ins Leere zu gehen, wurde in Wirklichkeit aber weiter. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.

      Die Konturen der Blätter und Zweige wurden unscharf. Sie verschwammen fast vor seinen Augen und die Geräusche des Waldes traten in den Hintergrund.

      »Du musst zwar noch üben, aber es klappt schon ganz gut«, hörte er eine Stimme sagen.

      Obwohl er nicht schreckhaft war, musste er doch unwillkürlich zurückzucken. Er behielt aber die Balance, schob ein paar Zweige zur Seite und streckte den Kopf noch etwas weiter vor.

      Was er vernahm, hörte sich eher wie das Rascheln von Blättern an und doch waren deutliche Worte zu verstehen.

      Plötzlich sah Effel den Eigentümer dieser seltsamen Stimme. Es war ein Krull, ein Wesen, nicht viel größer als 50 cm. Effel erkannte ihn, weil Mindevol diese Wesen oft genug beschrieben hatte. Soweit bekannt war, gehörten die Krulls zur Gattung der Gnome, wurden sehr, sehr alt und waren Wanderer zwischen den Welten. Manche Leute sprachen ihnen magische Kräfte zu, andere wieder behaupteten, sie seien hässlich, würden in Höhlen hocken und Schätze bewachen. Krulls hatten angeblich Verbindung zu den unterschiedlichsten Bewusstseinsstufen und konnten andere führen, wenn diese bereit dazu waren. Das wusste Effel ebenfalls von Mindevol. Sonst war von diesen Wesen relativ wenig bekannt, da sie als scheu galten und sich noch lange nicht jedem zeigten. Mindevol war zwar mit einigen von ihnen befreundet, nur hatte er nie so recht mit der Sprache herausgerückt, wenn man ihn nach diesen Freunden fragte. »Sie möchten nicht, dass man über sie redet«, sagte er, »und ich respektiere das.«

      Der Krull sah gleichzeitig lustig und ernst aus, hässlich aber war er nicht.

      »Vielleicht liegt es daran, dass nur seine Augen lachen«, dachte Effel. Die Augen waren das Besondere. Aber auch das Gesicht passte in seine Vorstellungen von jemandem, der magische Kräfte besaß.

      Er mochte mittleren Alters sein, so um die 120 Jahre vielleicht. Sein braunes Haar war schulterlang und wurde dann und wann von einer feinen silbernen Strähne durchzogen. Klare, smaragdgrüne Augen und eine freundliche Stupsnase machten ihn für Effel sofort sympathisch. Er trug ein grünes Wams, braune Stiefel und eine ockerfarbene Hose.

      »Die Farben des Herbstwaldes«, schoss es Effel durch den Kopf.

      Er saß ganz ruhig auf einer Wurzel, die Arme um seine Knie geschlungen, und sah Effel freundlich an.

      »Wenn du ein wenig übst, Effel, so wirst du uns sehen können, ohne alles andere unscharf zu sehen. Wir gehören zu dieser Welt wie die Blumen und die Bäume, wie die Tiere und die Menschen. Wie alle Wesen wirken auch wir mit am Rad des Geschehens. Dein Hund ist aber sehr stürmisch.«

      »Oh, entschuldige bitte«, Effel zog Sam zu sich heran. Dieser legte sich auch sogleich hin.

      »Woher kennst du meinen Namen?«

      »Na bist du nicht der junge Mann aus Seringat? Der Mann, auf dem so viele Hoffnungen ruhen? Der Mann, der ausgesandt wurde? Das hat sich herumgesprochen. Wir Krulls kennen die Namen aller Suchenden, denn wir können auf ihren Reisen wichtige Wegweiser und Begleiter in die anderen Welten sein.

      Aber das ist nur eine unserer Aufgaben.« Das hatte er ohne jeden anmaßenden Unterton gesagt.

      »Heißt das, du hast hier auf mich gewartet, du wusstest, dass ich heute hier vorbeikommen würde?« Effel war sehr erstaunt. Was wusste dieser Krull noch alles über ihn? Während er sich diese Frage stellte, versuchte er sich aus den Einzelheiten dieser merkwürdigen Begegnung ein vernünftiges Bild zu machen.

      Aber noch ergab es für ihn keinen Sinn.

      »Heute oder morgen, was spielt das für eine Rolle? Ich wusste, dass du kommst. Das hat aber nichts mit übersinnlicher Wahrnehmung zu tun, wie du jetzt vielleicht denken magst, sondern es liegt an unserem gut funktionierenden Nachrichtensystem.

      Seit deiner Abreise, von der uns Mindevol natürlich in Kenntnis gesetzt hat, wirst du begleitet, denn diese Mission geht auch uns etwas an. Aber das hat er dir doch erklärt, oder?« Der Krull gab sich keine Mühe, sein Vergnügen über Effels Verwirrung zu verbergen.

      »Ja, so etwas hat er tatsächlich gesagt, aber ich habe es wohl anders verstanden«, gab Effel zu. Er hatte sich vorgebeugt, die Hände auf die Knie gestützt, konnte er den Krull gut erkennen.