Selbstorganisierte Teams führen. Siegfried Kaltenecker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Siegfried Kaltenecker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783969105344
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von agilen Interaktionen lebt: Was genau wann auf welche Weise angesagt ist, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Je nachdem, wie die jeweiligen Anforderungen aussehen, werden Werte, Kompetenzen und Werkzeuge unterschiedlich kombiniert und eingesetzt. Und je nachdem, wie sich dieser Einsatz auswirkt, werden sie entweder so beibehalten oder variiert. Wobei dieselben Auswirkungen wiederum durch unterschiedliche Werte-, Kompetenz- und Werkzeugkombinationen erzielt werden können. Fast müßig zu betonen, dass in einer komplexen Welt eben weder lineare Ursache-Wirkungs-Logiken angesagt sind noch fixe Steuerungsmechanismen.

      Auf die Idee von Führung als Teamsport gemünzt, bedeutet dies:

       Die Steuerung eines selbstorganisierten Teams hängt von vielen Faktoren ab: vom Markt im Allgemeinen und den Kundenwünschen im Besonderen über die organisatorischen Rahmenbedingungen bis hin zu den jeweiligen Stärken, die die einzelnen Teammitglieder situativ einbringen.

       Es braucht mehr als eine Fähigkeit, um Teams erfolgreich zu führen. Ein gemeinsames Wertegerüst, der versierte Einsatz der notwendigen Kernkompetenzen sowie ein gut gefüllter Werkzeugkasten erleichtern eine solche Führung enorm.

       Teams können ganz verschiedene Werkzeuge einsetzen, um die aktuellen Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Es hängt von der vorliegenden Situation ab, wer das Steuerrad bedient.

       Das Steuerrad selbstorganisierter Teams kann nicht nur von einem, sondern von mehreren Leuten bedient werden. Konsequenterweise ist jedes Teammitglied im Team ein potenzieller oder eine potenzielle Kapitänin: Je nach Situation übernehmen ein oder mehrere Expertinnen die Verantwortung.

       Je nach Wetterbedingungen werden unterschiedliche Führungseinsätze benötigt. Das Wetter bleibt zwar unberechenbar – der Zustand des Teamschiffs hängt jedoch ganz wesentlich von der Reederei ab. Weniger metaphorisch ausgedrückt: Die Rahmenbedingungen und die laufende Kooperation mit dem Senior Management bestimmen in hohem Maße, wie gut sich die vorhandenen Teampotenziale entfalten können.

      In den folgenden Kapiteln werde ich tiefer in die jeweiligen Dimensionen des skizzierten Modells eintauchen. Zuerst möchte ich die Grundwerte genauer darstellen. Was heißt Commitment für mich? Wie verstehe ich Mut? Welche Bedeutung hat Respekt im selbstorganisierten Umfeld? Und worum geht es bei Einfachheit?

      Im Anschluss gehe ich auf vier Kernkompetenzen der Führung ein. Warum sind Fokussieren, Designen, Moderieren und Verändern so wichtig? Was steckt hinter den jeweiligen Kompetenzen? Welche grundlegenden Skills werden gebraucht?

      Ab Kapitel 7 stehen die Werkzeuge im Brennpunkt, die Sie für die Führung selbstorganisierter Teams einsetzen können. Welche Tools sind das? Was muss jeweils beachtet werden? Und wie können Sie sicherstellen, dass Sie nicht wie der sprichwörtliche fool with a tool enden?

       2.2Grundwerte selbstorganisierter Teams

      »Was zählt jetzt?«, titelt Gary Hamel eines seiner Bücher programmatisch. »Werte«, lautet seine zentrale Antwort [Hamel 2012]. Warum sind Werte wichtig? Sie sind wichtig, weil sie unsere Wahrnehmung prägen. Sie gleichen Brillengläsern, durch die wir die Welt beobachten, mit Filtern, die uns dabei helfen, den laufenden Ereignissen Sinn abzugewinnen. Wo sehen wir hin? Worauf achten wir besonders? Was springt uns gleichsam ins Auge? Obwohl sie bisweilen recht inflationär eingesetzt werden, stellen Werte auch im Organisationsumfeld nicht nur rhetorische Hülsen dar. Im Gegenteil: Sie leiten sowohl unser persönliches Handeln als auch unsere Unternehmenskultur.

      Systemisch betrachtet bestimmen Werte die Grundausrichtung jedes Unternehmens wesentlich mit. Während die Mission sozusagen den harten Kern dieser Ausrichtung definiert, sind unsere Werte weiche Faktoren, die über das Gelingen der Mission entscheiden. Werte und Mission sind wie die viel zitierten zwei Seiten derselben Medaille. Neben der Frage »Warum gibt es uns überhaupt?« muss immer auch die Frage »Und worauf legen wir besonderen Wert?« beantwortet werden. Beide sind gewissermaßen gleich existenziell.

      Salopp formuliert markieren Werte das, was wirklich wichtig ist. Sie sind das, woran Teams viel liegt und worauf sie entsprechend bauen. In der agilen Welt spielen Werte eine prominente Rolle: beispielsweise Kommunikation, Einfachheit, Feedback und Mut für XP; Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut für Scrum; Transparenz, Balance, Kundenorientierung oder Arbeitsfluss für Kanban.

      Warum ich Commitment, Einfachheit, Respekt und Mut ausgewählt habe, hat vor allem zwei Gründe. Erstens überzeugen mich die dazu vorliegenden Beschreibungen am meisten: Es sind die vier Werte, die aus meiner Sicht die stärkste Basis ergeben. Und zweitens ist die Wahl subjektiv begründet: Commitment, Einfachheit, Respekt und Mut sind einfach die Werte, die meiner persönlichen Geschichte am besten entsprechen. Gleichzeitig sind diese Werte das Produkt meiner eigenen Lerngeschichte als Manager und Berater. Im Folgenden will ich diese Werte genauer darstellen.

       2.2.1Commitment

      Was also heißt für mich Commitment? Grundsätzlich bedeutet das, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um ein vereinbartes Ziel zu erreichen. Es geht darum, dass ich mich selbst für ein gewisses Ergebnis verantwortlich fühle – auch wenn dieses Ergebnis vielleicht nur einen kleinen Unterschied macht, wie die Seestern-Geschichte nahelegt.

       Seesterne retten

      Ein kleiner Junge geht über einen Strand, auf dem Tausende von Seesternen liegen. Alle paar Meter bückt er sich, hebt einen Stern auf und wirft ihn ins Wasser. Eine Frau, die den Jungen dabei beobachtet, geht kopfschüttelnd auf ihn zu und fragt: »Was tust du da?«

      »Ich rette Seesterne«, antwortet der Junge.

      »Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, entgegnet die Frau verwirrt. »Welchen Unterschied macht es in Anbetracht der Tausenden anderen Seesterne, wenn du einen davon ins Meer zurückwirfst?«

      »Für diesen einen macht es einen Unterschied«, meint der Junge trocken, während er einen weiteren Seestern ins Meer zurückwirft.

      Was ist die Moral dieser Geschichte? Was sagt sie uns über die Natur von Commitment? Meiner Ansicht nach betont die Seestern-Story, dass es um Leidenschaft geht: Etwas muss einfach getan werden – und sei es bloß zum Wohle Einzelner. Im Geschäftsleben kann eine solche Haltung definitiv einen Unterschied für unsere Kunden machen. Es geht um Selbstverpflichtung, etwa durch

       das Teilen einer Mission, die auf Kundenwert ausgerichtet ist;

       die Entscheidung, wie viel Arbeit wir uns vornehmen, indem wir die Kundenwünsche und unser Leistungsvermögen mittels Sprint-Längen oder Work-in-Progress-Limits aufeinander abstimmen (siehe Abschnitt 4.3);

       die Vereinbarung, wer welche Aufgaben übernimmt und wie wir gemeinsam sicherstellen, dass diese Aufgaben zeitgerecht abgeschlossen werden;

       die Einhaltung vereinbarter Qualitätskriterien und Regeln;

       das Geben und Nehmen von kollegialem Feedback (siehe Abschnitt 6.2.3);

       das gezielte Nutzen und Ausbauen der eigenen Stärken;

       den Willen, uns wechselseitig beim Wort zu nehmen und nicht darüber hinwegzusehen, wenn jemand in Schwierigkeiten gerät;

       das Verfolgen kontinuierlicher Verbesserungen auf persönlicher wie systemischer Ebene.

       2.2.2Einfachheit

      »Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell«, formuliert das zehnte Prinzip des Agilen Manifests [Beck et al. 2001]. Wie sieht die einfachste Lösung aus, die funktioniert? Und was können wir uns sparen? In