„Ich will den Fuchs und den Luchs und das Wisent zurück. Ja, ich will die europäischen Büffel zurück.
(…)
Tot liegt die Maus vorm Monitor – in allen Windows soll es zieh‘n!
Und die Gene der Gen-Bastler können zum Nidhöggr gehn…
Durch unsere grau gewordenen Zellen lasst ein rotes Mammut zieh‘n.“
(„Thors Wiederkehr“, 1992)
Bildstein, Öland, Schweden
KAPITEL VIII
Betrachtungen zur Rune Thurisaz: Was sind Riesen, das schöpferische Prinzip der Entladung, von der Entstehung des Universums bis zur individuellen Entäußerung, besondere Wesenszüge Thors
RIESEN-RUMMS
„Die Götter entstammen den Riesen, und am Schluss unterliegen sie diesen.“
(„Als die Sau noch Göttin war“, 2000)
Naturwissenschaftlichen Berechnungen zufolge war das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren noch nicht da. Es soll als winziger, hochverdichteter Urkern begonnen haben. Das Phänomen, das diesen mikroskopischen Nano-Kern schlagartig aufblähte zu dem gigantischen, ja grenzenlosen Gebilde, das wir als Universum kennen, wird Urknall genannt.
Nach germanischer Auffassung wäre dieser Urknall (hätten Angehörige germanischer Stämme seine Geschichte hören können) ein Riese gewesen.
Die älteste bekannte Atomtheorie stammt von Aristoteles. Dieser griechische Gelehrte der Antike ging bereits davon aus, dass alle Materie aus winzig kleinen Teilchen bestünde, die er „atomos“ („Unteilbares“) nannte. Zweieinhalb Jahrtausende später gelang es amerikanischen Wissenschaftlern, die Kerne solcher „unteilbaren“ Teilchen tatsächlich zu spalten. Die dabei freigesetzte Energie wurde als Atomexplosion bekannt. Die ersten beiden zerstörten 1945 die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Seither fanden weltweit jede Menge so genannter „friedlicher“ Atomexplosionen statt – die Schlagkraft der Bomben wurde größer und größer.
Nach germanischer Auffassung wären diese Explosionen (hätten Angehörige germanischer Stämme solche fürchten müssen), leibhaftige Manifestationen von Riesen gewesen. Feuerriesen aus Muspellheim, der Schreckenswelt der zerstörerischen Gluthitze…!
Da sowohl Atomphysik als auch die Urknalltheorie Errungenschaften des 20. Jhs. sind, die vorher nicht einmal erahnt werden konnten – welche anderen „Riesen“ können in historischen germanischen Zeiten beobacht- und erlebbar gewesen sein? Erdbeben zum Beispiel, Springfluten, Lawinen oder Feuersbrünste – alle denkbaren Naturgewalten; speziell alle als blindwütig und zerstörerisch titulierbaren. In einer rundum beseelten Welt sind eben auch Katastrophen, insbesondere solche, die mensch nicht aufhalten kann, Wesenheiten. Eisriesen, Frostriesen, Feuerriesen, Sturmriesen… Die Liste ist beliebig verlängerbar. Das Wirkprinzip ihrer möglichen Inhalte ist in einer Rune ausgedrückt: Thurisaz. Wortwörtlich „Riese“ (von altnordisch „Thurs“).
Was tut diese dritte Rune im Zusammenhang des erwähnten Schaffens- und Schöpfungsvorgangs, den die erste Achterreihe des Älteren Futhark beschreibt? Sie verbreitet die Materie, treibt sie auseinander, breitet sie aus – schlagartig und chaotisch. Was frappierend zu unserer heutigen Urknalltheorie passt… Vorahnungen derselben brauchen spätantiken Runenkundigen dabei keineswegs unterstellt werden. Übertragen wir das Denkmodell der ersten Runen-Acht zur Veranschaulichung auf etwas Alltägliches, zum Beispiel auf einen Hausbau. Dann steht Fehu für die Investition des nötigen Kapitals, Uruz für die Manifestation (in dem Fall: Anlieferung) des Materials – und Thurisaz ganz friedlich für dessen Ausbreitung über den Bauplatz. Auch wenn das nicht ganz so schlagartig erfolgen dürfte wie bei Explosionen: Um eine Art Entladung handelt es sich trotzdem, und das Ergebnis ist erstmal chaotisch. Denn sortiert wird das Material erst in der nächsten Phase. Zunächst muss es großflächig verteilt werden, damit auf die einzelnen Komponenten überhaupt eine Zugriffsmöglichkeit besteht.
Das Wesen der Rune Thurisaz ist demnach zuallererst Entladung – mit dem Ziel chaotischer (unsortierter) Ausbreitung, die in aller Regel so schlagartig wie möglich erfolgt.
Da es sich bei der Mehrzahl denkbarer „Riesen“ um eher zerstörerische, also Menschen und Menschenwerk gefährdende Phänomene handelt, erscheint die Vorstellung einer davor schützenden Gottheit folgerichtig. Nicht nur über die später aufgezeichneten Mythensammlungen (die uns in Form der Edda vorliegen), sondern auch über zahlreiche archäologische Hinweise (Ortsnamen, Inschriften) ist ein germanischer Donnergott verifizierbar, der im Süden Donar, im Norden Thor genannt wurde. (Noch sehr viel ältere schwedische Felszeichnungen, die eine hammerschwingende männliche Figur zeigen, lassen einen jahrtausendealten Werdegang entsprechender Gottvorstellungen immerhin vermuten.) Die Edda ist voll mit seinen Abenteuern und ihn beschreibenden Anekdoten. Sein Name ging nie ganz unter, obwohl eine Gestalt wie der verfilmte Thor der Marvel-Comics mit dem (bereits als Nacherzählung zu verstehenden) literarischen Vorbild aus der hochmittelalterlichen Edda natürlich kaum mehr Ähnlichkeiten aufweist (und die frei daherfabulierten Filmstories letzte noch ahnbare Zusammenhänge verblassen lassen – die aber auch nicht Sinn und Zweck solcher Geschichten sind).
Für mich