Wenn ja, dann überrascht mich das nicht. Die moderne Welt konzentriert sich dermaßen auf materielle Werte, dass unsere Kultur jegliches Gespür für das Geheimnis des Lebens verloren hat. Vielleicht lauschen die Leute deshalb auf vergangene Zeiten, in denen sie die Erde noch als einen Ort des Zaubers und der Wunder erlebten.
In vielerlei Hinsicht tauchen auch unsere früheren Selbste aus diesen Zeiten auf. Und damit bringen sie neue Ausdrucksweisen für die alten Traditionen in unsere Welt zurück.
Die Lakota-Indianer haben ein wundervolles Gebet, das Mitakuye Oyasin. Es bedeutet: „Wir sind alle miteinander verwandt.“ Der Respekt vor dem Geist, der in jedem Lebewesen steckt, ist der Kern sämtlicher schamanischer Kulturen.
Nach Jahrhunderten gedankenloser Ausbeutung stellt nun das Bewusstsein für Ökologie und Umweltschutz unsere uralte Achtung vor der Natur wieder her. Viele Biogärtner und Tierschützer greifen möglicherweise unbewusst auf alte Verhaltensweisen zurück, die sich jetzt in den Wäldern des uralten Gedächtnisses rühren.
Die schamanischen Heilmethoden konzentrieren sich auf die spirituelle Ebene als den wahren Grund aller körperlichen Probleme. Dieser Grundsatz kehrt nun mit einem neuen Bewusstsein darüber, wie Gefühle und Gedanken unser körperliches Wohlbefinden beeinflussen, zurück. Moderne Therapiemethoden haben damit angefangen, den Körper ganzheitlich zu behandeln - so wie Schamanen es schon immer getan haben -, statt ihn als Ansammlung mechanischer Teile anzusehen.
Eine wachsende Anzahl von Menschen betrachten mittlerweile die Sonnenwende und Tagundnachtgleiche als Wendepunkte der Jahreszeiten. Diese Feiern bekräftigen die alte zyklische Zeitenrechnung. Sie verbinden uns auf einer ganz tiefen Ebene mit unserem uralten Glauben an die Rückkehr der Sonne und des Lebens nach dem Tod.
Es ist, als hätten wir den Kreis vollendet. Die Intuitionen der Urvölker, die lange als Aberglaube abgetan worden sind, werden nun wissenschaftlich bewiesen. Die überlieferten alten Wege erweisen sich als realistisch und lebensbejahend.
Vergangene Leben in schamanischen Bereichen knüpfen ein starkes Band mit Mutter Natur. Kehren wir aus ihnen zurück, empfinden wir Dankbarkeit für ihren Überfluss, ihr Geheimnis und ihre Macht in unserem Herzen. Diese Erfahrung schafft eine Grundlage der Sicherheit in der Psyche, die in späteren Inkarnationen zu einer starken Quelle der Kraft wird.
Unter dem breiten Schirm dieser Hauptwirkung befindet sich außerdem eine Vielzahl an persönlichen Zielen und Nutzen. Einer meiner Klienten fand heraus, dass er das Leben eines Schamanen lebte, um seine Beziehung zu Tieren zu heilen. Eine andere Klientin erinnerte sich daran, wie sie einen ernsten Konflikt zwischen zwei Stämmen schlichtete - und wurde sich bewusst, dass sie ihrer Begabung zur Diplomatie bisher keine Beachtung geschenkt hatte.
Ein Dritter erinnerte sich an ein Leben, in dem er auf hohe Bäume kletterte, um Nahrung und Baumaterial für seine Gemeinde zu sammeln. In Höhen zu arbeiten war ein Thema, das in vielen aufeinander folgenden Leben eine Rolle spielte. In seinem derzeitigen Leben waren die ‚Höhen‘, die er zu erklimmen versuchte, zwar eher symbolisch als tatsächlich, doch die Erinnerung machte ihm Mut und bewies ihm, dass er es schaffen könnte.
Wenn eine Erinnerung kurz davor steht, an die Oberfläche zu steigen, können alle möglichen Auslöser sie wecken. Als Anthea eine Stätte mit alten aufrecht stehenden Steinen besuchte, überraschten sie die starken Gefühle von Erregung und Sehnsucht, die in ihr hochstiegen. Zu Hause beschloss sie, ihre Reaktion näher zu erforschen. Sie richtete ihre Konzentration auf die Stätte und ließ sich in eine entspannte Meditation fallen.
In der Erinnerung, die hochstieg, fand sie sich an demselben Ort vor sehr langer Zeit wieder. Ein Mann in einem weißen Gewand legte ihr einen Kranz aus Eichenblättern auf den Kopf und gab ihr eine Trommel. Sie spürte, dass es sich um eine Feier der Druiden handelte. Obwohl die Erinnerung nur kurz war, fühlte sie sich wichtig an. Auch enthielt sie eine Botschaft über Antheas jetziges Leben.
Als ich sie ein paar Monate später wiedersah, sagte sie mir, dass sie nach der Erinnerung aus reiner Neugier mit Trommeln angefangen habe. Wie sie festgestellt hatte, hatte sie Spaß daran und es fiel ihr leicht zu lernen. Früher war sie ziemlich nervös und unruhig gewesen. Nun strahlte sie ein neues, ruhiges Selbstvertrauen aus. Sie trommelte sich ihren Weg zurück zur inneren Stärke eines früheren Lebens.
Jede körperliche Ausdrucksweise kann ein wirkungsvoller Auslöser von Erinnerungen sein. Alte Rituale, Lieder und Tänze haben das Potenzial, längst verschüttete Gefühle zu wecken.
Früh am Morgen des Tages, an dem Billie zu einem Workshop für Indianertänze fuhr, staunte sie, als sie ihre Vorhänge aufzog. Draußen hüpften Dutzende von Krähen pickend auf der Straße herum. Und noch mehr Krähen hockten in langen Reihen auf den Dächern, den elektrischen Kabeln und Straßenlampen. Das war so ungewöhnlich, dass es etwas bedeuten musste. Sie hatte jedoch keine Ahnung, was das war. Doch es dauerte nicht lange, bevor sie mehr darüber erfuhr:
Sobald ich im Workshop angekommen war, vergaß ich die Krähen. Es machte mir großen Spaß, mitzutanzen und die Lieder mitzusingen. Ich weiß nicht warum, aber es hat mir viel bedeutet. Irgendwann erwähnte der Workshopleiter plötzlich, dass unter den Indianern die Krähe eine wichtige Botin des Geistes ist. Er sagte, es sei eine große Ehre, „Krähenfrau“ genannt zu werden. Wegen dieser auffallenden Synchronizität frage ich mich nun, ob ich in einem früheren Leben womöglich eine Indianerin war.
Billies Regression finden Sie im nächsten Kapitel. Wie sie und viele andere festgestellt haben, werden die Geschenke der Vergangenheit manchmal in seltsamen und erstaunlichen Verpackungen geliefert.
1
Die Botschaft der Krähen
Gewöhnlich müssen neue Ideen erst einmal die starken Widerstände alter Methoden überwinden. Daher scheint es mir passend zu sein, dass der erste Bericht in diesem Buch von einer dramatischen Begegnung zweier ganz verschiedener Einstellungen handelt.
Billies Erlebnis mit den Krähen und dem Indianertanz-Workshop weckte ihr Interesse an früheren Leben. Einmal deswegen, doch vor allem, weil sie fühlte, dass ihr Leben in einer Sackgasse gelandet war, wollte sie eine Regression durchführen.
„Nichts bewegt sich mehr. Nichts ändert sich“, sagte sie. „Früher war alles immer im Fluss. Aber jetzt läuft nichts mehr. Nach dem Erlebnis im Workshop frage ich mich daher jetzt, ob etwas aus einem früheren Leben mir helfen könnte.“
Billie fiel es leicht zurückzugehen. Schon bald sah sie sich neben einer langen Reihe verstaubter Karren auf einem Pferd reiten. Es war in Amerikas Pionierzeit, als die Leute in den Wilden Westen zogen.
Aus praktischen Gründen war sie ein junges Mädchen in Männerkleidung, und auch, weil sie schon immer eine Art Wildfang gewesen war. Ihre Familie reiste in einem der Wagen, während sie und ihr Bruder zusammen mit anderen Reisenden nebenher ritten. Wie sie sagte, war das, um die Wagen leichter zu machen und nach Gefahren Ausschau zu halten.
AF: Was für Gefahren?
B: Ich glaube, Angriffe von Indianern.
AF: Ist das schon mal passiert?
B: Nein. Wir versuchen, Indianergebiet zu umgehen. Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Es sieht so aus, als wollten die Anführer jetzt anhalten und das Nachtlager errichten. Es wird bald dunkel. Es gibt hier eine kleine Bucht mit Wasser. Ja - jetzt ertönt der Ruf bis ganz nach hinten: ‚Alle anhalten.‘
(Pause)
Jetzt ist die Nacht angebrochen. Alle sitzen um die Lagerfeuer herum. Ich laufe ein bisschen umher. Es ist ein klarer Sternenhimmel.