Das Grimmingtor. Paula Grogger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paula Grogger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783990402641
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Jagern gegen Röthelstein gepürscht, daselbst kampiert habe und in grausiger Morgenfrühe auf einen Wolf losgegangen sei. Die Weidmänner, noch schlaftrunken und steif, hatten ihm assistiert und schon gemeint, es werde fehlschlagen. Allein durch Gottes Beihülf wär der Bursch an Leib und Leben bewahrt geblieben und trüge weiters keine Spuren als einen noch schwürigen Schurf am rechten Oberarm, so das Biest mit dem schäumenden blutigen Maul verursacht … Zweitens ging die Klag über den Markus, daß er ein verstockter Kerl, stinkfaul und indolent wäre, und obzwar er nie und niemandem einen positiven Schaden anrichte, im großen und ganzen jeder Verfeinerung sich begebe.

      »Und der Lukas?«

      »Ja …«, meinte Gotthardus, er habe sich erzählen lassen, vom Rektor sowie mehreren Scholaren, daß Lukas ein ausgezeichneter Rechenkünstler gewesen bis zur Stund, wo er plötzlich keinen Stift und Griffel mehr angerührt, bleich und verbissen herumgeschlichen und sodann nach Tag und Wochen im Refektorium hingesunken wär.

      In aller Heiligen Nam! Was das bedeute? frug der Göd.

      Item, so berichtete Gotthardus, es habe nunmehr schleunigst der Medikus hermüssen, und dieser sei durch ein peinliches Verhör mit viel Kreuz- und Querfragen draufgekommen, daß Lukas beim Läuten sich am Glockenstrang aufgezogen und im Schwunge an die Mauer geschleudert worden war. Solch heftiger Anprall hatte ihm das Schlüsselbein entzweigesprengt und das Übel wäre alsbald in Brand ausgeartet, wenn der Bub es nicht durch seine Ohnmacht verraten hätte. Jetzt sei er völlig in Genesung, trage aber vorsichtshalber den Arm noch in der Schlinge. Ganz merkwürdig …, schloß der Abt, ganz auffallend gestalte sich seit jenem Unfalle das häusliche Pensum der Brüder, schier … als wäre mit dem Schlüsselbein deren ergötzliche Eigenart aus dem Leim gegangen. Hiebei blickte er sie nachdenklich, ja mit leiser Ironie an, zeigend, daß er ein erfahrener Mann und wohl auch ein Menschenkenner war.

      Der Ennshofer, wenig vertraut mit solcherlei Gedankenschlüssen, nickte nur, um sein Bedauern kundzugeben, dankte den beiden Ordensherren für ihre Obsorg, nahm die Rechnung in Empfang und bezahlte die Hälfte im Hinblick auf seine Gevatterspflicht, wobei er sich jedoch der Bemerkung nicht enthalten konnte, daß an den Stralzenkindern leider Chrysam und Tauf verloren wäre. Sodann befahl er seinen durch die Kirche Schutzbefohlenen, welche der ganzen Verhandlung stumm beigewohnt und ihre Blicke über die Stuckfiguren der Decke hatten wandern lassen, vom Hochwürdigen Prälaten sowie dem Herrn Präfekten sich zu beurlauben und deren Hand zu bussen.

      Die Buben gehorchten. Matthäus, welcher mit seinen siebzehn Jahren die Männer an Größe schon überragte, bog ungeschickt und sehr flüchtig den Rücken, und seine Lippen küßten in die Luft. Gleichwohl war der Druck seiner derben Finger von verschämter Innigkeit, denn er fühlte, es geschah zum letztenmal.

      Auf der Fahrt teilte der Göd ihnen treffliche Lehren aus, unterzog sich auch der Mühe, in der Gegend von Frauenberg abzusteigen. Und dieweil sie, an der alten Pestsäule vorbeibiegend, den beschwerlichen Weg zur Wallfahrtskirche hinanstiegen, erzählte ihnen der Göd eine seltsame kleine Legende:

      Vor vierhundert Jahren und weniges darüber ist die Enns ungewöhnlich weit über die Ufer getreten. Und die Regenbäche, von den Bergen schießend, und das Grundwasser aus den Mooren, Lehm und Schotter haben sich in der Talenge verklaust. Immer mehr Bäume mit Wipfel und Wurz, Hütten, Zäune, Bloche und Brücken kamen angeschwommen und spießten sich am Ausgange des Stausees, so daß schließlich mancher Turm und Hügel untertauchte. Auf dem Kulmberg, welchen der Göd itzt zu viert bestieg, hauste damals ein mageres Bäuerl und frug sich, jeden Morgen ausspähend, ob ihm der Herr beföhle, eine Arche zu bauen, oder ob er sölle ersaufen. Einmal nun überspülte die Sintflut schon das Kämmchen, welches ihn nach Nord mit den höhern Gebirgen verband. Und er mußte also glauben, daß aller Zuweg gegen die Almen würd abgeschnitten. Seine Augen bedeckend, kniete er lange vor dem Haustor, bis sein Weib ihn ermahnte und sein Kind ihn kosete. Er schaute auf und gewahrte nun, wie ein großes Trumm Holz in kurzen Zeitläuften immer wieder mit den Wellen anschlug. Der Bauer ging hinein und holte einen Feuerhaken, maßen er das Stück aufzufischen gedacht. Denn nahezu auf einer Insula lebend, wußt er nit, wie bald ihm das Brennholz ermangeln werde, vorausgesetzt, daß er solches überhaupt noch brauchte.

      Mit dem Instrumente tüchtig auslangend, zog er das Trumm heran, nachdem sein Eheweib und Kind ihm einen festen Strick um den Gurt gebunden und ihn beim Fensterkreuz angeseilt hatten, damit er in dem aufgeweichten Erdreich nit gleite und talab rutsche. Ein paar Hiebe trafen recht, aber das wilde Wasser entriß ihm die Beute. Letztlich aber faßte der Haken, und zu dritt zerrten sie das Bloch herauf. Die Bauersleute erkannten an der Form, trotzdem dieselbe von Schlamm und Unrat bedeckt war, daß sie etwas Besonderes vor sich hatten. Sie wuschen, wischten und putzten, bis sie zu ihrer Freude ein holdseliges Marienbildnis erblickten. Das Weib wollte es behalten.

      Der Mann aber, den Untergang seiner Keusche befürchtend, trug’s über den umspülten Höhenkamm, über Alm und Hochhalde zum Stift Admont hinab. Die Benediktiner, welche keine Stunde vor dem Durchbruch der Klause sicher waren, haben hinwiederum mancherlei Wertgegenstände über das Gebirge nach Liezen zurückbefördert. Ob die Statue darunter gewesen, vermag niemand zu sagen. Sicher ist, daß dieselbe am nächsten Morgen abermals auf den Kulmberg zugeschwummen kam und vom armen Bäuerl herausgefischt ward. Indem er sie nämlich von der Lethe reinigte, erkannte er neben dem frischen Hieb des Feuerhakens noch ältere im Mantel der Lieben Frau. Ungeachtet einer weit größeren Lebensgefahr trug er auch an diesem Tage das Bildnis zu den Admontern. Aber sieh da! Am dritten Morgen, als er mit Weib und Kind von jeglicher Zuflucht abgetrennt war und sie jammervoll wehklagten, schlug eine brausende Welle die Haustür ein und warf das hülzerne Kunstwerk auf den Boden. Von diesem Augenblick an verlief sich das Hochwasser langsam. Der Regen gab nach. Und wie durch ein Wunder zerbarst die Klause nicht, sondern trug sich von selber ab, so daß dem unteren Ennstal, insonderheit dem Stifte Admont, von Wassersgewalt nichts Schreckbares geschah. Der Abt Hartnid Gleußer erbaute aus Dankbarkeit für solch göttliche Fügung noch in ebendemselben Jahr auf dem Kulmberg eine Wallfahrtskirche. So geht die Legende …

      Indessen waren sie bis zur Kirche gelangt. Die Buben verhielten sich ehrfürchtig, strichen mit ihren Fingern die rauhen Fresken entlang, bestaunten das Steinmosaik, und als sie hinter dem Altar eine gotische Marienstatue entdeckten, frugen sie den Ennshofer, ob solche das angeschwemmte Bildnis wär.

      Das alte ursprüngliche Bildnis sei nicht mehr da, sagte der Göd. In den Türkenkriegen hab es der Sohn von jenem Bäuerl verschleppt und geborgen, man wisse nicht, wo, sagte der Göd, warf einen Taler in den Opferstock, kaufte alsdann in der Taverne für jedes Kind ein rundes Bräverl und einen Kreuzerwecken. Und es läutete schon Mittag, als sie wieder unten im Kalesch saßen und gen Liezen kutschierten.

      Die Luft ging träge und warm. Sie brachte den Geruch von Moorerde. Unzählige Birkenstämme leuchteten weiß und wiegten ihr zerfranstes, liebliches Krönlein. An der Berglehne wehte das Korn golden, und die sonnichten Wiesen standen schon saftig im zweiten Futter …

      Bei den Weißenbäcker Wänden machten sie einen kurzen Halt, weil dortselbst, nur dem scharfen Auge erkennbar, ein Gams kletterte. Da äußerten sich die Buben gesprächig über Wild, Wald und Weide, über die Ortschaften und Schanzbauten, welche sie unterwegs gesehen hatten, und der Ennshofer fand verwundert, daß sie lange nicht so dumm waren, wie sie ausschauten.

      Von Wörschach an, wo die Pferde schon den heimischen Stall witterten, ging es in noblichem Trab, und der Roßknecht hatte bei den vielen Büheln gerade genug zu tun mit dem Ein- und Ausdrehen der Schleife. Die drei hülzernen Koffer prellte es, und der feiste Ennshofer rutschte bei einer Kurve manchmal gröblich gegen den Matthäus; aber der Lackel hielt es schon aus.

      Zwischen drei und vier Uhr erreichten sie Stainach, wo sie nach ausgiebigem Mahle, einer erbaulichen Lehr und kurzem Abschied ihrem Schicksal überlassen wurden. Mit dem Ältesten voran … so schritten die Brüder zum Posthalter Vasold und frugen nach einer Gelegenheit.

      »Jawohl«, antwortete dieser schnaufend und aufgeregt, sie möchten nur warten, in einer schwachen halben Stund führen zwei Kutschen vor, sie sollten alsdann in die zweite einsteigen, maßen die erste für einen hocherlauchten Herrn bestimmt sei, welcher inkognito vom Markte Aussee nach Öblarn reise.

      Die