Das Grimmingtor. Paula Grogger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paula Grogger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783990402641
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Pappelbaum?«

      Die Buben lachten sie schreckbar aus. Regina drehte ihnen beleidigt den Rücken und wollte gehn. Aber Markus packte sie beim Kittelzipf und schrie:

      »Du mußt auf ein Frauenzimmer raten.«

      Halb abgewandt und zögernd frug sie:

      »Eine Moarin?«

      »Weit mehr.«

      »Eine Prinzessin?«

      »Noch mehr.«

      Das wagte das Mädchen gar nicht auszusprechen. Doch sie hatte das Wort auf der Zunge. Und Lukas, dem es schon zu lang herging, Lukas plapperte:

      »Ja … eine Künigin.«

      Regina war bis mitten ins Herz hinein glücklich erstaunt. »Hau«, sagte sie unter einem ehrfürchtigen Seufzer. Dem Matthäus aber kam nun doch die dringlich ersehnte Eingebung, und er fing leiernd das Salve Regina an. Allein schon beim Mater misericordiae betete die kleine Dirn wacker mit, denn ihr Vater war nicht umsonst auch Mesner. Markus, der sie schon um Kopfesläng überragte, trotzdessen er nur um weniges älter war, Markus blickte ganz von oben herab auf ihre braunen Zöpf, die fett geölt und glatt und glänzend das Hirnkästchen zusammenhielten, und sprach:

      »Bist nit so dumm!«

      »Gelt ja«, antwortete Regina zwischen dem Aufsagen des Gebetes. Und Lukas zupfte sie und sumste, die Silben verheißungsvoll hinausziehend, bis er keinen Atem hatte:

      »Du … wir lernen dir Lateinisch, nachher magst dich auch wohl prahlen.«

      »Ich lern dir!« herrschte Matthäus.

      Das Schulmeisterdirndel war sofort einverstanden. Sie erkieste nun den Sonntag zum Tag ihrer geistigen Schulung und versprach, sich nach der Litanei mit einem Strickzeug in den Dreizipf zu setzen, allwo wegen der vielen Obstbäume frische Luft und Schatten wär. Der Matthäus möge mit seinem Büchel nur nachkommen, aber ja niemand nichts verraten, denn sie wölle ihren Herrn Vater alsdann mit der ganzen Studiertheit überraschen. Die großen Brüder hielten solches für richtig und boten nun dem kleinen Lukas unter den heftigsten Drohungen auf, dieses Geheimnis ja nicht auszuschwatzen. Sie wisperten eben noch eifrig, als plötzlich bei der letzten Stiegenstufe die Frau Mutter auftauchte und rief, ob die Rögerl vielleicht eine Prinzessin wär, weil sie sich vor der Arbeit gar so fürchte.

      Dem guten Mädchen gab es einen ordentlichen Riß. Sie erinnerte sich keineswegs daran, daß sie noch mehr … nämlich eine Königin sei, und trampelte infolgedessen ziemlich ungehobelt in den Unterstock hinab. So konnte Matthäus sein lateinisches Gebet nicht zu Ende sagen; geschweige, daß der Markus zum Austeutschen kam.

      Der kleine Lukas schritt langsam hinter den Brüdern. Er beteuerte ehrenwörtlich sein heiliges Stillschweigen und hielt solches auch pflichtschuldig. Seine Frau Mutter brauchte nur vom Sonntag zu reden, so wich er ihr in großem Bogen aus. Manchmal wieder überfiel ihn eine böse Lust und Versuchung, die ganze Geschichte brühwarm zu erzählen, und er stellte sich mit Genauigkeit vor, wie alsdann sein Bruder Matthäus ihn durchhauen und sein Bruder Markus ihn beuteln und wie Rögerl einen Buschen Brennesseln zwischen Decke und Leintuch stecken werde. Diese mühsam gehaltene Heimlichkeit glich schließlich einem gefangenen Ratzen, der, an seiner eignen Falle schleppend, immerfort toller und furchtbarer wird.

      Er fühlte sie aber auch schmerzlich wie eine Gewalt, und er versäumte nicht, diese Macht zu mißbrauchen, indem er bei der Rögerl Zuckerstücke und Heiligenbilder erpreßte und oftmals die Drohung aussprach:

      »Du! Heut sag ich’s.«

      Es wurde endlich Sonntag. Und es goß in klatschenden Strömen. Obwohl die Stralzendirn mit diesem Naturereignis nicht gerechnet hatte, blieb sie ihrem Vorsatz treu, und schon beim Mittagessen schaute sie den Matthäus bedeutungsvoll an. Die zwei Stunden bis zum nachmittäglichen Kirchgang strichen nicht schneller, soviel das Mädchen die Sanduhr in der Wirtsstube schüttelte und soviel sie den Markus auch mahnte, daß es Zeit zum Vesperläuten sei. Aber die Stunden verstrichen doch. Und sie sang klopfenden Herzens die lauretanische Litanei herab, und bei jeder Anrufung dachte sie:

      »Wann mein Vater grad wüsset, was ich im Sinn hab …«

      Sie sang hellklingend und schwelend, allein so unsicher, daß der Schulmeister höchlich erstaunte. Beim Segen vergaß sie das Kreuz zu machen, und zuletzt, als Raimund Winkler das Notenblatt auf die Seite legte, lief sie flugs davon, ohne seine Hand zu küssen, was sich von Rechts wegen geziemt hätte.

      Unter einem ungeheuerlichen, brennroten Regendach spazierte sie zum Dreizipf und setzte sich an einen Ort, der von überhängendem Wacholder geschützt war. Die Sonnberger Bauern munkelten, als sie eben heimzu gingen.

      »Ach Gott …«, sagten sie. »Der Schulmeister ist trübsinnig und wunderlich. Hiazt fangt sein Töchterl auch schon an.« Aber das rare Gehaben der Regina wurzelte nicht in Weltverachtung noch in allzu heftigem Wissensdurst. O nein! Sie freute sich nur unbändig über das Geheimnis und über die sichere Tatsach, daß sie binnen kurzer Weil ebenso gescheit sein werde wie der Matthäus, der prahlerische Lackel.

      Sie wartete also ganz bitterlich wohl eine Stunde und noch mehr. Er kam nicht. Immer noch wartete sie, bedenkend, daß der Regen könne schuld sein; oder daß der Herr Vater ihn hab ins Gäu geschickt; oder daß die Frau Mutter keinen Verlaub gegeben.

      Jedoch solches traf nicht zu. Der Matthäus hatte einfach darauf vergessen. Maßen er nämlich als Lehrbub in kein Wirtshaus durfte, war er in die Grafentaverne gegangen und saß nun im Stübchen des Blasius Stocker bei einer dottergelben Biersuppe. Er redete nicht viel. Das Regengetraschel und das geile Getränk sowie das einförmige Gerede des Bräuknechts machten ihn ganz matt. Er warf sich auf die Liegestatt und schlief schon.

      Daheim aber suchte die Frau Mutter das rote Parapluie. Zuerst eigentlich suchte sie den Brotlaib. Und Lukas, welcher gar niemalen eine Gelegenheit ausließ, ihr beflissen in die Speiskammer nachzuhüpfen, Lukas sagte neunmal in einem Atem: »Teufel, halt die Pratzen weg, sonst kömmt der Engel und haut dich weg!«

      Weil aber dies nicht half, meinte er gescheit, es werde ihn wohl die Rögerl wieder eingesperrt haben.

      »So frag sie«, befahl die Stralzin.

      »In einem solchen Sauwetter muß ich zum Dreizipf laufen?«

      »Ja, wie denn?«

      »Lernen tut sie halt mit dem Matthäus«, entfuhr es dem Buben. Wie nun die Frau Mutter kein Wort darauf sagte, erschrak er baß und stellte sich alsogleich grauenhaft deutlich die brüderlichen Fäuste und den Brennesselbuschen der Rögerl für. Die Stralzin war über den neuentdeckten Bildungstrieb wenig erfreut. Wenn sie eine eigene Tochter gehabt, so hätte sie nicht einmal dieser gestattet, am lieben Sonntag zu tändeln, wohlgemerkt in einem Alter, wo man ein Jüngferl schon anhalten muß, daß es die Leibwäsch selber flickt und daß es anfängt, zwei Dutzend schneeweiße Modelstrümpfe für das Heiratsgut zu stricken. Und nun gar ein armes Ziehkind! Es war aus der Weise, zumal durch diese nichtsnutzige Lernerei auch eine frühe Liebschaft sich entspinnen konnte.

      Sie wurde immer zorniger, sprach heimlich zu sich selbst und suchte ausgerechnet ihr rotes Regendach. Und je länger sie’s nicht fand, um so verdächtiger kam ihr die Geschichte für. Sie warf urblitzlich ihren Schurz von sich, ließ alles liegen und stehn und ging im ärgsten Guß ohne Kopftuch und Schirm fort … Das enge Gäßchen zwischen Berghammüller und Engelharscht hinauf bis gegen das Loherhaus. Sie hatte die Augen fast zu, weil der Wind scharfe Tropfen daherpeitschte, und so bemerkte sie lange nicht, daß die Rögerl ihr entgegenstapfte.

      Das Kind war sehr bedrückt; es hatte einen grünen Strumpf in der Hand, welcher schon abfärbte, und es trug das Parapluie so dicht überm Kopf, daß die eisernen Spreizchen an der Schläfe ordentlich weh taten. Ihr Kittel hatte einen breiten und nassen Saum, zum Erbarmen. Die Regina wußte im Augenblick nicht, sollte sie bleiben oder davonlaufen; bis ihr einfiel, daß sie den Schirm ohne jeden Verlaub mitgenommen und daß sie schuld sei, wenn die Mutter Stralzin sich verkühle. Da nahm sich das Kind einen Anrand und reichte ihn zaghaft hin.

      Die