Cloten
Und daß sie diesen Kerl lieben muß, und mich abweisen!
Zweiter Lord [Edelmann] für sich.
Wenn es Sünde ist, eine richtige Wahl zu treffen, so ist sie verdammt.
Erster Lord [Edelmann]
Prinz, ich sagte es Euch immer, ihre Schönheit und ihr Verstand halten nicht gleichen Schritt; sie ist ein treffliches Gemälde, aber ich habe wenig Reflexe ihres Geistes gesehen.
Zweiter Lord [Edelmann] für sich.
Sie scheint nicht auf Narren; der Reflex möchte ihr schaden.
Cloten
Kommt auf mein Zimmer; ich wollte, es wäre irgendein Unglück geschehen.
Zweiter Lord [Edelmann] für sich.
Das wollte ich nicht; es wäre denn der Fall eines Esels, was kein großes Unglück ist.
Cloten
Wollt Ihr mit uns gehn?
Erster Lord [Edelmann]
Ich folge Euch, gnädiger Herr.
Cloten
Nein, kommt, gehn wir zusammen.
Zweiter Lord [Edelmann]
Wohl, mein Prinz.
Alle ab.
[Vierte] Dritte Szene
Zimmer im Palast
Imogen und Pisanio treten auf.
Imogen
Ich wollt, am Hafen ständst du eingewurzelt
Und fragtest jedes Schiff. Wenn er mir schriebe
Und ich bekäms nicht, solch ein Brief verloren
Wär wie Verlust des Heils. Was war das Letzte,
Was er sprach?
Pisanio
Es war: O meine Königin!
Imogen
Dann winkt' er mit dem Tuch?
Pisanio
Und küßt' es, Fürstin.
Imogen
Fühllose Leinwand, glücklicher als ich!
Und das war alles?
Pisanio
Nein, Prinzessin, denn
Solang ers machen konnte, daß ihn Auge
Und Ohr von andern unterschied, blieb er
Auf dem Verdeck, mit Handschuh, Tuch und Hut
Stets winkend, wie der Sturm und Drang der Seele
Ausdrücken konnt am besten, wie so langsam
Sein Herz von hinnen zieh, wie schnell sein Schiff.
Imogen
Er mußte klein wie eine Kräh dir werden
Und kleiner, eh du aufgabst, nachzuschaun.
Pisanio
Das tat ich, gnädge Frau.
Imogen
Zerrissen hätt ich mir die Augennerven,
Nur um nach ihm zu sehn, bis die Verkleinrung
Des Raums ihn zugespitzt wie meine Nadel.
Ihm schaut ich nach, bis er verschmolzen wäre
Von Kleinheit einer Mück in Luft; und dann
Hätt ich mich abgewendet und geweint. –
Pisanio, sprich, wann hören wir von ihm?
Pisanio
Gewiß mit nächster Schiffsgelegenheit.
Imogen
Wir nahmen Abschied nicht, und noch viel Liebes
Wollt ich ihm sagen, zu erzählen wünscht ich,
Wie ich sein dächt in der und jener Stunde,
Gedenken dies und das; und schwören sollt er,
Italiens Liebchen möchten nicht verlocken
Mein Recht und seine Ehr. Ich wollt ihn nötigen,
Um sechs Uhr morgens, Mitternacht und Mittag
Mir betend zu begegnen, weil ich dann
Für ihn im Himmel bin. Ich wollt ihm geben
Den Abschiedskuß, den in zwei Zauberworte
Ich eingefaßt – da kommt mein Vater her,
Und wie der grimme Hauch des Nordens schüttelt
Er unsre Knospen ab, eh sie erblüht.
Eine Hofdame tritt auf.
Hofdame
Die Königin wünscht Eur Hoheit Gegenwart.
Imogen
Was ich dir aufgetragen, das besorge! –
Der Königin wart ich auf.
Pisanio
Wie Ihr befehlt.
Alle ab.
[Fünfte] Vierte Szene
Rom, in Philarios Hause
Es treten auf Philario, Jachimo, ein Franzose, ein Holländer und ein Spanier.
Jachimo
Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch ausdrücklich zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte.
Philario
Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen.
Franzose
Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten.
Jachimo
Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat, wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß, ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist.
Franzose
Und dann seine Verbannung. –
Jachimo
Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein