Wie auch immer: An meine Lauscher drangen Sirenen. Irgendjemand muss auch noch die Bullen gerufen haben. Ich war es nicht oder hatte Sepp meinen Anruf mitten in der Nacht doch mitbekommen?
Es waren drei Einsatzwagen.
Sepp schob sich als Erster an Fanny vorbei. Der kannte den Aufsteiger aus der Ettstraße und war nicht abgeneigt, die Verstärkung willkommen zu heißen.
Super. Auf Sepp war Verlass.
Ich stand noch immer an der Leiche. Kein schöner Anblick, wenn man Situationen wie diese nicht gewöhnt war. Nicht eine Person hatte den Club verlassen können. Der Mörder musste noch unter uns sein …
II
ES wurde eine lange Nacht. Sepp machte mit seinem Team einen gründlichen Job. Stoisch ruhig – er war ein ganz anderer Typ als mein ‚verschollener‘ Freund, Ex-Hauptkommissar Mario vom Morddezernat München 1 – ließ er von allen Partypeoples erst mal die Personalien aufnehmen. Das dauerte. Und nicht nur das: Schnell wurde mir klar, dass das keine Party des Tierschutzvereins Starnberg war.
Wie ich vermutet hatte – ein Fake.
Es ging im MEGA mega um Saufen, Abzocken und Drogen …
»Wie kommst du denn auf diese ‚Party‘, Doktor?«, fragte mich Sepp auch sofort, nachdem sich seine Leute und er einen Überblick verschafft hatten.
»Gute Frage. Einladung per SMS. Und da Fanny gestern vier Jahre alt geworden war, dachte ich, die Leute vom Tierschutz wussten das, weil ja mein guter Fanny registriert ist. Du weißt doch, Kampfhunde und so. American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier, sowie Bullmastiff, Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Bordeaux Dogge, Fila Brasileiro, Mastin Espanol, Mastino Napoletano und Mastiffs, wie mein Tosa Inu, unterliegen der Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Hunde!
Die liebenswerten Viecher haben Kennzeichnungspflicht. Der Tierschutz. Ich wollte Fanny eine Freude machen, wenn er schon eingeladen ist …«
»Den Tierschutzverein Starnberg gibt es nicht. Vergiss es. Wir wissen noch nicht, wer dahinter steckt, aber das ist auf jeden Fall eine Falle für Leute wie dich und deinen Fanny!«, antwortete mir der immer ernste und müde aussehende Sepp, der schon seit über zwanzig Jahren Dienst in München tat. Ein unauffälliger Beamter. Immer korrekt, nie aus der Ruhe zu bringen und kein Freund von meinem Tosa Inu.
Soviel stand fest.
»So was Ähnliches dachte ich mir schon, Sepp! Na ja, das geht mich hier nichts an. Das ist euer Job. Ich mach mich dann mal vom Acker, wenn du nichts dagegen hast. Fanny, den du nicht leiden kannst, hat euch gut vertreten, denke ich mal.«
»Ja, danke. Wenn du mich fragst, ist die ‚Party‘ hier gemacht, um Drogen zu verticken. Die laden ein, tun so als ob, spendieren den Kids ein paar Drinks und, wenn‘s gut geht, ein paar Häppchen dazu, damit sie sie später in der Nacht ausnehmen und ihnen ihre scheiß Pillen andrehen können. Die Dealer wollen neue Kunden anwerben. Ich habe gerade schon die Kollegen vom Drogendezernat gebeten, sich die Jungs mal unter die Lupe zu nehmen. Die werden gleich eintrudeln und ich schätze, da werden einige der Herrschaften unruhig. Schau nur in ihre Gesichter!«
Mit dem Statement ließ mich der behäbig schlurfend und immer viel zu langsam gehende Kommissar stehen, um sich gleich noch mal umzudrehen:
»Das weißt du selbst. Das Mädchen ist an einem Drogencocktail gestorben. Für mich Mord. Eindeutig.«
Dann trottete Sepp wieder die paar Meter zum Tatort und zündete sich ein Zigarillo an. Er erinnerte mich an Columbo, den etwas wirr wirkenden, zerknautschten und angeblich vergesslichen Inspektor der Los Angeles Police vergangener Filmtage, der es mit seinem vertrottelten Charme, kühler Analyse und gesundem Intellekt faustdick hinter den Ohren hatte.
Verrückt: Für Sepp waren alle unter Fünfzig ‚Kids‘. Ich mag diese altmodischen Herren bei der Polizei …
Anna versuchte, Ella Wolkenheim irgendwie zu trösten. Seit die Bullen das MEGA übernommen hatten, waren drei Stunden vergangen und Ella heulte noch immer.
Clever, das muss man ihnen lassen: Sepp und seine Kollegen hatten, kaum waren sie im MEGA eingetroffen, alle Handys eingesammelt. Das war ihre erste Amtshandlung und ging so schnell und überraschend, dass die verwirrten, angeschickerten, angefixten Feiersüchtigen keine Chance mehr hatten noch zu telefonieren oder eine SMS zu schicken, Fotos auf Instagram zu posten oder Videos zu versenden.
Der Schock saß zu tief und das Ereignis war zu abstrus für die ‚high‘ (waren die meisten) ‚Society‘, so dass sie mit der Situation nichts richtig anzufangen wussten.
Inzwischen waren auch die Jungs von der Droge eingetroffen. Sauber! Weitere vier Bullen in Zivil, darunter eine Frau, die aussah, als sei sie selbst auf Droge …
Fanny bekam Besuch:
Zwei Schäferhunde beschnupperten ihn neugierig. Dass sie keine Drogen bei ihm vermuteten, verstand sich von selbst.
Tiere unter sich.
Können sie sich riechen, ist alles gut. Wenn nicht, ist Knurren und Zähnefletschen angesagt. Es blieb friedlich und Fanny war wohl ganz happy nicht alleine die Verantwortung tragen zu müssen. Er fühlte sich dank seiner Statur als der Boss. Logisch! Mindestens 92 Kilogramm Lebendgewicht. Seit der Sache mit dem Feingeist und den Russen hatte er noch mal vier Kilo draufgelegt. Diesmal keine Muskelmasse, sondern Bauch. Ihm ging es bei uns einfach zu gut und er hatte sich nach seinem letzten Einsatz gegen Feingeist & Co. auch eine Belohnung verdient.
Es kam richtig Unruhe auf. Schätze, im MEGA waren circa zweihundert Party-People. Die genaue Zahl kannte nur Sepp. Wenn ich mich so umblickte, sah ich definitiv in rund zweihundert ängstliche Augenpaare.
Die Temperatur im Club stieg.
Angst schüttet Katecholamine aus. Stresshormone. Adrenalin und Noradrenalin. Botenstoffe. Sie verbreiten die Nachricht:
„Scheiße, ich sitze in der Falle. Wohin mit meinen Pillen, wohin mit dem Koks, dem Ethanol, dem Ecstasy, dem Crystal Meth, Candyflipping, Badesalz, Spice, Krokodil und Russian Cocktail?!!“
Das Herz spinnt, die Gefäße verengen sich, der Blutdruck steigt. Der Körper schreit „Hilfe“ und hyperventiliert. Im MEGA war es inzwischen megawarm. Gefühlt 55 Grad plus!
Sonderschicht für die Kollegen von Sepp und die Hunde.
Klar, dass sich die PP verpissen wollten. Nur wie?
Der Laden war dicht. Dichter, am dichtesten.
Auf den Klos Hochbetrieb. Nützte nichts, denn dort standen ein paar Uniformierte in ihrem modischen Abenddress. Nix mit wegkippen. Schlucken war auch keine Lösung. Fallenlassen bei den gierigen deutschen Schäferhunden mit je 225 Millionen Geruchsrezeptoren in der Nase?
Keine gute Idee!
Kollektiv hörte Fanny, ohne dass etwas zu hören war, die Menschenmeute schon wieder sagen:
„Scheiße – wir sitzen alle in der Falle!“
Ella Wolkenheim begann zu zittern wie das berühmte Espenlaub. Nein, sie war nicht drauf, wie mir Anna versicherte. Auf gar nichts. Clean. Sie musste es wissen. Schließlich war es ihre Freundin, nicht meine.
»Geht‘s dir nicht gut, Ella? Kann ich was für dich tun?«, versuchte ich die verkrampfte Stimmung irgendwie in den Griff zu bekommen.
»Nein. Alles okay. Besser: fast! Mich schockt das alles. Fee war mein Sonnenstern. Meine beste Freundin. Seit dem Kindergarten, verstehst du?! Ich kann das gar nicht begreifen! Wer macht sowas? Die hat man doch vergiftet, oder?«
Dabei schaute sie mich so flehend an, dass ich fast auch ‘nen Anfall von Mitleid bekommen hätte.
»Wenn