Solo für Fanny.
Wohin mit Fanny?
Anna hatte ihre Freundin, die ich vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte, untergehakt.
Ella Wolkenheim.
Ein echt heißes Geschoss mit Augen, die nicht zu ihr passen wollten. Arrogant und megacool. Eine von der Sorte ‚ich-weiß-wer-ich-bin-du-mich-auch‘. Die Tochter eines Schönheitschirurgen. Des angesagtesten in München und Umgebung, erklärte mir Anna voller Ehrfurcht. Mir unerklärlich, wie man einen Faltenschnippler so vergöttern kann.
Aber: Das ist München. Von Typen wie dem lebe auch ich. Professor Doktor Peter Wolkenheim. Selbst mir sagte der Name was, da der Herr Professor Botoxlippe-Nasenbär – das soll seine Spezialität sein, Nasen – ständig durch die Klatschzeitungen ging.
Der Elektriker von nebenan gibt mir keine Aufträge. Es gibt in unserer schönen Stadt unzählige Privatermittler, von denen sich einige sogar Detektive nennen:
„Unsere Detektei ist Ihr zuverlässiger Partner, wenn Sie Detektive für Privat- sowie Wirtschaftsermittlungen aller Art suchen. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz, langjährige Erfahrung und Diskretion, wenn sie einen Detektiv in Anspruch nehmen möchten. Die Qualität unserer Arbeit und unser Engagement werden regelmäßig DEKRA zertifiziert. Erstberatung kostenlos.“
Was für ein Scheiß!
Die echten Aufträge bekommen Leute wie ich. Die Jobs sind zwar seltener, aber wenn, dann braucht man wirklich Leute mit einer guten Ausbildung, echtem Können. Der Job hat was mit Arbeit zu tun, wie ich sie über Jahre beim bayerischen LKA erfolgreich gemacht hatte. Dass sie mich gefeuert hatten, das war ein Politikum gewesen …
Okay. Ella Wolkenheim. Interessante Person. Trotz ihrer zur Schau gestellten Arroganz.
Der Lärm, der aus dem MEGA drang, war jetzt schon unerträglich. Fanny war entsetzt und blieb gleich an der Garderobe hängen. Keine Chance, ihn auch nur einen Millimeter in den Laden zu zerren. Ich musste also einen der hochnäsigen Kleiderständer fragen:
»War wohl ‘ne Fehleinschätzung. Tierschutzverein. Wo kann ich den mal für ein paar Minuten abstellen?«, fragte ich den Tätowierten im schwarzen Anzug, der mir am nächsten stand, und zeigte auf das Tosa-Inu-Monster.
Der Muskelprotz grinste mich herablassend an:
»Lass ihn hier in der Garderobe. Der kackt doch nicht alles voll, oder?!«
Fuzzi, Ohrknopfträger mit direkter Verbindung zum Boss, Angeber blöder.
Meine Superwaffe, Fanny: Er war schließlich so groß und bissig wie Max, der Typ, der keine Waffe braucht und ein echter Kumpel von mir ist …
»Nee – wo denkst du hin!«
»Okay. Dann mach ihn da fest. Ich bin den ganzen Abend hier vorne.«
Fanny schaute ihn mit herabgezogenen Lefzen an. So einer passte ihm nicht, aber er akzeptierte. Fanny wollte mir nicht den Abend verderben.
Mein Gott, was für ein Lärm. Musik soll das sein? DJ DongDong – oder so ähnlich – aus New York. Extra eingeflogen. Einfach nur mega! DJ, das ist heute was Besonderes. Die Jungs verdienen ihr Geld leichter als ich. Was der wohl heute Nacht einstreicht? Zwanzig Mille oder fünfzig? Wie bezahlt das ein Tierschutzverein aus Starnberg? Ich muss die googeln.
Die Drinks waren schlapp. Das Fingerfood ebenso. Lauwarm wie die Luft der Klimaanlage. Reden – unmöglich. Aber mit wem sollte ich mich schon unterhalten … Abtanzen war angesagt. Dazu war ich zu faul, ehrlich. Nach der Mammutvorstellung der letzten Nacht. Echt, ich war ein Platzhirsch. Zumindest für Anna. So fühlte ich mich. Wenngleich ich im Moment ziemlich abgefuckt aussah, oder?
„Shed A Light“ von Robin Schulz & David Guetta hämmerte sich in meine Ohren ein. Anna war selig und sie tanzte mit ihrer Freundin, der Ella, die einen guten Style draufhatte, von der ich aber noch nie was gehört hatte. Komisch. Anna erzählt mir doch sonst alles …
So verging die Zeit für die anderen.
Für mich stand sie still.
Der angeblich so berühmte DJ Dingdong, oder DongDong aus NYC wollte uns gerade anteasern, den absoluten Top-Song der Woche „Picco“ von „Unstoppable“ mit ihm abzufeiern, da ertönte aus einer Ecke ein gnadenlos aufdringlicher Schrei. Der Schrei einer Sirene klang dagegen wie ein abgestandener Pups im Weltall.
DJ Dindingeling unterbrach seine Werbehymne. Alle schauten in Richtung Treppe, von der aus es zu den Toiletten im Untergeschoss ging und erstarrten.
Ich erwachte aus meiner mir selbstverordneten Lethargie. Der Bulle brach mit mir durch. Handy raus, 110, Notarzt, dann die drei getippt: Sepp. Der neue Super-Commissario, der meinen Freund Mario, den Verschollenen – eigentlich war der im Zeugenschutzprogramm, aber das wusste keiner außer mir und dem neuen LKA-Chef A.D. Lauer – im Kommissariat 1 der Mordkommission abgelöst hatte.
Mein Instinkt sagte mir, dass etwas faul sei.
Ich sah den zuckenden Körper eines Mädchens mit einem auffälligen Long-Bob im Ombre-Ton und bahnte mir wild einen Weg zur Treppe.
Sepp war nicht erreichbar.
Mailbox.
»Komm ins MEGA, sofort!«, schrie ich in das smarte Teil, um dann, noch immer ganz (Ex)-Bulle, sofort die Situation mit meinem Smartphone zu filmen.
Gelber Schaum drang stoßweise aus ihrem Mund. Dann nur noch epileptisches Zucken.
Aus.
Als ich direkt neben ihr stand, war es bereits zu spät.
Das It-Girl war tot.
Definitiv.
Jetzt schrie der ganze Club. Schriller als jeder Jet beim Start von einer zu kurzen Piste auf dem direkten Weg zum Crash.
Panik brach aus.
Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Ich brüllte mit aller Kraft, die ich noch in meiner angefressenen Stimme aufbringen konnte:
»Fanny! Achtung!«
Braver Hund.
Hatte mich gehört. Hunde haben halt sensationelle Lauscher! Er wusste, was zu tun ist. Er riss sich in der Garderobe los, rannte zu mir, schneller als ein aufgepimpter, tiefergelegter 88er Golf GTI eines Luden von der Reeperbahn, warf mir einen fragenden Blick zu. Verstand mich und raste ebenso schnell wieder zur Eingangstür und machte sich dort breit.
An ihm kam in den nächsten Minuten, wenn‘s sein musste Stunden, keiner mehr vorbei. Das Party-Völkchen wollte sich nämlich sofort verpissen.
Jetzt hatten sie plötzlich alle Schiss. Verständlich, denn ich war mir sicher, dass in der Nacht Muntermacher aller Couleur und jeder Preisklasse unterwegs waren. Ein gefundenes Fressen für eine Razzia, die unweigerlich durchgeführt werden würde, sowie ich einen meiner Ex-Kollegen endlich erreicht hatte.
»Das ist ja Fee!«
Eine panische Stimme.
Es ist Ella, die Neu-Alt-Freundin von Anna, die in Schockstarre plötzlich neben mir stand, die Hand vor Entsetzen vor ihren süßen Schmollmund haltend.
»Mein Gott, das ist ja Fee!«, wiederholt sie sich und fing schrill zu kreischen an. Wie eine Kreissäge im Einsatz bei ihrem Vater, dem Professor für gewollte Körperveränderungen.
Jetzt stand auch Anna neben mir.
»Wer ist Fee?«, brüllte ich sie an, Münchens Party-People in Panik übertönend.
»Die kennst du nicht? Es ist Fee Herzog. Die Tochter vom Immo-Herzog. Dem reichsten Makler der Stadt! Das ist eine Katastrophe!«
Anna Fischer war ebenfalls in Panik. Na ja, nicht jeden Tag hat man eine eklig aussehende Leiche auf einer Party. Ich verstand das schon.
Die Models und Millionäre, die Söhne und Töchter, Banker, Makler und