Vor der Tür des Trauungszimmers warteten ein paar zerknitterte Zechkumpane und sparten nicht mit ermunternden Zurufen. „Sag nein!“
„Jetzt kriegst du lebenslänglich!“
Und was machte Walter? Als der Standesbeamte von ihm das „Ja!“ hören wollte, erklärte er rundheraus: „Ohne meinen Anwalt sage ich hier kein Wort!“
Zum Glück war der Beamte ein humorvoller Mensch, und die Zeremonie kam zu einem guten Abschluss.
Danach stellte sich eine ausgelassene Fröhlichkeit ein, die schließlich auch auf die Hochzeitsgäste übergriff.
Die kirchliche Trauung – der Höhepunkt, die schönste Stunde dieses Tages. Sie im schneeweißen Kleid, Walter, der Hallodri, an ihrer Seite. Etwas stolz war sie doch darauf, dass er nun ihr Mann war. Ein paar Freundinnen von ihr hatten sich die Augen nach ihm ausgeguckt und hätten ihn halt auch gern für sich gehabt.
Dabei besaß er keinen guten Ruf, was Zuverlässigkeit und Treue in Liebesdingen betraf. Laufend neue Freundinnen. Einmal, als sie ihn darauf ansprach, sagte er belustigt: „An diesem schlechten Ruf habe ich jahrelang hart gearbeitet und weder Zeit noch Kosten gespart.“
Leise Sorge mischte sich in ihre Freude über diesen ihren schönsten Tag. Wenn er untreu war und sich heimlich eine Freundin hielt, was dann?
Sie wurde angenehm überrascht. Er legte mit diesem Tag seine Junggesellengewohnheiten ab. Langweilig wurde es jedoch nie in der Ehe. Dazu steckte er zu sehr voller Ideen und Einfälle, und für Überraschungen war er jede Stunde eines jeden neuen Tages gut.
Auf ihrer Hochzeit erfuhr sie gegen Abend von seiner Wirtin, bei der er zwei Jahre zur Untermiete gewohnt hatte, was sich in der Junggesellenabschiedsnacht beziehungsweise am Morgen abgespielt hatte.
Den Wecker hatte sie auf sieben gestellt; sie wollte ihn wecken, damit er die Kurve kriegte bis zur Trauung um neun. Um sechs kam er nach Hause. Als er die Treppe oben war, brauchte sie keinen Wecker mehr. Bis um sieben lag sie wach, dann klopfte sie energisch an seine Tür und wider Erwarten meldete er sich sofort und versprach folgsam, jetzt aufzustehen.
Sie legte sich wieder hin, schlief beruhigt noch ein Stündchen und war beim Munterwerden gegen acht felsenfest der Meinung, er sei schon aus dem Haus, weil sie so gar nichts hörte.
Also frühstückte sie in aller Ruhe und machte sich dann daran, sein Zimmer aufzuräumen. Ein gewaltiger Schreck ergriff sie, als die Tür noch von innen abgeschlossen war.
Sie hämmerte und trommelte gegen das Holz und war mit den Nerven ziemlich herunter, als sich drinnen endlich gähnend und verkatert der hoffnungsvolle Hochzeiter meldete.
Sie schimpfte und lamentierte, bat und flehte und hielt ihn zur Eile an. Und was machte er? Ein Bad sollte sie ihm einlassen, das als erstes!
Alle Minute war sie dann an der Badezimmertür aufgetaucht, klopfte und rief ihm die Uhrzeit zu – einmal, um zu hören, ob er nicht untergegangen war, und zum anderen, um ihn anzutreiben.
Schließlich stand er vor ihr, fünf Minuten vor neun; das Bad hatte nur ungenügend die Falten aus ihm herausgebügelt. Sie bürstete ihm den Anzug ab und bat inständig, er solle nun endlich zu seiner Braut fahren, man habe schon dreimal angerufen.
Da lachte er entwaffnend und sagte, sicher fahre er hin, ihm dämmere, dass heute eine Hochzeit sei, aber erst müsse er noch den Brautstrauß beim Blumengeschäft in der Stadt abholen.
Da hatte sie besser gar nichts mehr gesagt, aber auf die Galle geschlagen sei ihr das doch. Das sei ein Mannsbild! Mit dem könne sie noch einiges erleben!
Die Prophezeiung der Wirtin ging in Erfüllung, aber mehr im positiven Sinne.
Einen Tag nach der so turbulent begonnenen Hochzeit fuhren sie in die Flitterwochen. Mit tausend Mark in der Tasche. Geldgeschenke, die es gegeben hatte. Die Anzahlung für den neuen Wagen, die restlichen Möbel, die Wohnungsrenovierung und die Bewirtung der Gäste hatten ihre verfügbaren Barmittel auf gezehrt, bei der Bank standen sie schon mit zwei Monatsgehältern in der Kreide.
Ohne die Geldgeschenke hätten sie gar nicht in die Flitterwochen fahren können.
Bei Walters Eltern in Süddeutschland machten sie Station und deponierten vierhundert Mark. Die hatten Beziehungen zu einem Textilgroßhandel; auf der Rückfahrt sollten dort die Übergardinen gekauft werden.
Aufs Geratewohl fuhren sie los. Ziel sollte das nette Familienhotel in Riccione sein, in dem sie während der Verlobungszeit schon mal gewohnt hatten. Damals sittsam in getrennten Zimmern, weil’s die Hotelinhaberin nicht anders duldete.
Vorbestellt war natürlich nicht. Es war ja ziemlich unsicher gewesen, ob sie jetzt überhaupt die Hochzeitsreise machen konnten.
Die Autostrada gab es noch nicht. Man zuckelte in der Kolonne den Brennerpass hinauf.
Walter hatte hier schon getrampt, mit dem Fahrrad war er ebenfalls in Italien gewesen. Seit damals hatte er eine Vorliebe für den Gardasee und für die Occidentale, die Straße auf dem Westufer.
Also kam nur diese Strecke in Frage.
Unbeschwert und fröhlich in ihrem Glück fuhren sie in den Tag hinein, bis in Peschiera am Ausfluss des Gardasees die Unbeschwertheit der Sorge um eine Bleibe für die Nacht wich.
Noch war Hauptsaison, es wimmelte von Touristen. Diesen Umstand hatten sie nicht in ihre Überlegungen einbezogen.
Die Hotels, in denen sie anfragten, waren voll besetzt oder zu teuer.
Sie waren schon fast wieder aus Peschiera heraus, als Walter linker Hand zwei riesige Segelschiffe entdeckte, die vertäut am Ausrüstungskai lagen.
„Ich werd’ verrückt! Piratensegler! Du – die drehen bestimmt einen Film“, sagte er. Segelschiffe waren eine Leidenschaft von ihm. Und die zwei Segler sahen auch wirklich imponierend aus. Dass er die Schiffe entdeckte, war weniger ein Zufall, denn er blickte beim Fahren mehr nach rechts und links in die Landschaft als auf die Straße.
Er trat auf die Bremse und spähte nach einem Parkplatz. Ein mittleres Verkehrschaos war die Folge, weil sich zu dem Strom der Touristenfahrzeuge noch der einheimische Feierabendverkehr gesellte.
Ein Polizist mit Tropenhelm versuchte, das Knäuel zu entwirren. Vom Fahrbahnrand auf der Höhe der Kasematten der alten Festung betrachteten grinsend etliche Halbwüchsige das angerichtete Durcheinander; geschäftstüchtig brüllten sie zwischendurch den Lenkern der Fahrzeuge mit ausländischer Nummer ihr „Camere! Zimmer!“ zu.
Walter war wie elektrisiert. Zimmer! Weit von hier konnten sie nicht liegen. In jedem Falle in der Nähe der Segler!
Er schlängelte den Wagen aus dem Chaos und gab einem der Burschen zu verstehen, dass Interesse an den angebotenen Zimmern bestand.
Wie der Blitz schwang sich ein Junge barfuß auf ein klappriges Rad, um den Weg zu zeigen.
Ein Krach! Der Bengel balancierte mühsam auf dem Fahrrad, kämpfte ums Gleichgewicht und schaffte es.
Die Kette war gerissen.
Der Geschäftssinn dieser Jüngstkaufleute war besser ausgeprägt als das Konkurrenzdenken.
Einer hielt sofort seinen Drahtesel bereit, der Pechvogel stieg um und führte triumphierend seine Beutetouristen in eine Seitenstraße unweit des Hafens. Die Mastspitzen der Segler waren über dem verstaubten Grün der Bäume und den Hausdächern zu sehen. Walter nahm das aufmerksam zur Kenntnis.
Da wusste sie schon, wohin es morgen früh zuerst gehen würde, bevor die Weiterfahrt angetreten wurde.
Vor einer Pension, fast völlig hinter Weinblattgeranke und Pfirsichbäumen mit schönen großen Früchten versteckt, hielt der geschäftstüchtige Quartierbeschaffer und kassierte ein gediegenes Trinkgeld für seine Bemühungen.
Die Wirtsleute kamen aus der Tür,