Er hatte ihr die Notwendigkeit einer sofortigen Operation auseinandergesetzt.
Drei Tage lang war es ständig zwischen kritischem Zustand und sich besserndem Befinden hin und her gegangen. Walter kam jeden Tag dreimal zu Besuch. Nach der Pünktlichkeit, mit der er sich einfand, konnte man die Uhr stellen.
Er umhegte sie mit so viel Liebe und Fürsorge, dass sie spürte, wie viel sie ihm wirklich bedeutete. Mit dem Vorzeigen von Gefühlen verfuhr er sonst recht sparsam.
Seine Besuche, seine kleinen Aufmerksamkeiten halfen ihr über den Berg. Die kleinen Begebenheiten, von denen er bei den Besuchen berichtete, rüttelten ihren Lebenswillen auf.
Sogar Wäsche hatte er gewaschen und unter den Augen der amüsierten Nachbarn im Garten auf gehängt. Bloß mit dem Bügeln war er nicht klargekommen.
Als er sie endlich abholen durfte, war er ihr so stolz und glücklich vorgekommen wie damals auf der Fahrt in die Flitterwochen.
Gute Jahre folgten. Einmal gab es eine Trübung.
Der Freundes und Bekanntenkreis war größer geworden, und damit wuchsen auch gewisse gesellschaftliche Verpflichtungen. Auf so einem Abend begann er doch tatsächlich einen heftigen Flirt mit einer Frau, die mindestens fünf Jahre älter als sie war. Die schwarzhaarige Hexe fand Gefallen an dem Spiel und ging bereitwillig darauf ein.
Zuerst war sie nur bestürzt gewesen. Dann aber tief verletzt und gekränkt. Wortlos war sie gegangen.
Auf dem Parkplatz vor dem Haus holte Walter sie ein. Sie machte ihm keine Vorwürfe; ihr Schweigen war eine weit schlimmere Strafe für ihn.
Über den Vorfall wurde nie mehr gesprochen. Sie kehrten ihn unter den Teppich.
Auf künftigen Abenden im größeren Kreis war Walter nach wie vor ein launiger Plauderer und bei Gelegenheit auch ein engagierter Gesprächspartner, Flirts aber ging er geschickt aus dem Weg.
Die Harmonie ihrer Ehe erhielt erst einen Riss, als sie sich zu einem Kind entschlossen und sich der Nachwuchs nicht einstellte.
Die Trübung in ihrem Verhältnis zueinander machte sich nach und nach bemerkbar. Walter ulkte erst noch, ob ihnen die Fügung in all den Jahren am Ende den falschen Weg gewiesen hätte.
Allmählich aber wurde er gereizt und war unausgeglichen. Immer häufiger konnte sie ihn auf Spaziergängen dabei beobachten, wie er in fremde Kinderwagen schaute und Vatergefühle entwickelte.
Mehrmals ging er mit den Nachbarskindern auf den Spielplatz. Einmal kam er mit Sand in den Hosentaschen nach Hause; er hatte im Sandkasten mitgespielt.
Die Möglichkeit war nicht auszuschließen, dass es an ihr lag, wenn sie kein Kind bekamen.
Sie ging zum Frauenarzt, zu Dr. Scharnitz. Die Untersuchung ergab, dass sie kerngesund war und Kinder haben konnte. Da lag es wohl an Walter.
Behutsam brachte sie ihm das bei. Es war nicht voraussehbar, wie er reagierte. Männer konnten unberechenbar werden, wenn ihre dominierende Rolle angezweifelt wurde oder ihre Zeugungsfähigkeit in Frage gestellt war.
Mit bangem Herzen hatte sie auf seine Entscheidung geharrt.
Zu ihrer großen Erleichterung sprach er sich mit ihr aus, sie diskutierten ihr Problem durch. Danach ging er zur Untersuchung.
Zeugungsfähig war er. Nur rauchte er zu stark. Daran lag es. Der Arzt verschrieb ihm Tabletten.
Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem sie morgens von einem leichten Schwindelgefühl ergriffen wurde. Leichte Hitzewellen durchliefen ihren Körper. Mittags wurde ihr schlecht. Der Brechreiz hielt vor, es kam jedoch nichts.
Die Untersuchung und der Test beim Arzt ergaben, dass sie schwanger war.
Walter geriet ganz aus dem Häuschen, als sie ihm die Eröffnung machte, dass sich der lang ersehnte Nachwuchs nun einstellte. Er wuselte und werkelte um sie herum und machte sie völlig konfus, so dass sie sich ernsthaft die Frage stellte, ob sich alle werdenden Väter so aufführten.
Am liebsten wäre er gleich losgegangen, um eine Wiege zu kaufen. Und Babyausstattung.
Namen wurden aufgeschrieben, ausgewählt und verworfen. Jungen und Mädchennamen. Man konnte schließlich nicht wissen!
Sie bremste ihn gelegentlich in seinem vor väterlichen freudigen Tätigkeitsdrang. Nur mit Mühe konnte sie ihn davon abhalten, zur Schwangerschaftsgymnastik mitzugehen.
Andererseits waren sein unbändiger Stolz und seine Freude verständlich. Fünf Jahre hatten sie auf ein Kind gehofft.
Im dritten Monat fuhr sie ihm das Auto zu Schrott.
Lieber Gott, was war sie aufgelöst und moralisch am Boden! Schluchzend versprach sie, ihm ein neues Auto zu kaufen. Wovon bloß?
Finanziell waren sie auf die Füße gekommen, aber das Haus musste bezahlt werden. Das Kind kostete Geld. Und jetzt das Auto demoliert!
Der kaputte Wagen interessierte ihn überhaupt nicht. Er war so rührend um ihr Befinden und um sein ungeborenes Kind besorgt, dass er sie alle Nöte und Ängste vergessen ließ.
Von ihrem Autohaus bekamen sie noch gönnerhaft sechshundert Mark für den Blechhaufen und kauften einen Wagen, der auf Lager war.
Die Art, wie Walter über den finanziellen Engpass wegkam, nötigte ihr Bewunderung ab. Nie gab er ihr ein böses Wort wegen der Geschichte. Er schränkte seine Ausgaben drastisch ein, übernahm in der Firma ungeliebte, aber gut bezahlte Sonderaufgaben und hielt ihr weitgehend Kummer und Sorgen vom Hals.
Nach Weihnachten zogen ihre Eltern um. Sie half mit, obgleich Walter dagegen war.
Eine Woche später schreckte sie aus tiefem Schlaf hoch. Sie hatten die Betten auseinandergerückt. Der Nachwuchs strampelte und trat oft fürchterlich. Allein schon das Wissen, Walter neben sich zu haben, verursachte bei ihr Platzangst. Er hatte Verständnis gezeigt und die Möbel gerückt
Im ersten Moment wusste sie gar nicht, was los war. Walter hatte die Nachttischlampe brennen und las noch.
Dann spürte sie, dass das Bett tropfnass war und sie regelrecht schwamm.
Sie schlug die Bettdecke zurück und registrierte Walters verwunderten, fragenden, verblüfften Blick.
Ehe sie begriff, sagte er schon: „Es geht los!“
Die Blase war gesprungen und das Fruchtwasser abgegangen. Und das drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.
Der Koffer war nicht gepackt.
Walter behielt einen klaren Kopf, als sie durchzudrehen drohte. Er verständigte das Krankenhaus, setzte sie aufs Bett und begann, die unerlässlichen Utensilien zusammenzusuchen. Stillbüstenhalter und anderes.
Bei allem Ernst der Situation bot er ein sehr ergötzliches Bild.
Dann fuhr er sie wieder zum Krankenhaus. Um drei Uhr in der Frühe!
Scherzend sagte er vor der Tür: „Wir nehmen uns besser ein Nachtabonnement.“
Bei der Geburt wollte er dabei sein. Der Arzt hatte Bedenken, stimmte dann jedoch zu. Vor dem frühen Nachmittag allerdings sei nicht damit zu rechnen.
Walter fuhr in die Firma. Sie war sicher, dass er fortwährend das Telefon angestarrte hatte.
Um ein Uhr rief sie ihn an, um ihm seine Tochter per quäkendem dünnem Stimmchen vorzustellen.
Er war hörbar ergriffen, hatte tausend Fragen und versprach, sofort zu kommen.
Sie lag und wartete sehnsüchtig.
Mit einem riesigen Blumengebinde und leichter Schlagseite kam er drei Stunden nach ihrem Anruf. In der Firma war sofort ein Umtrunk inszeniert worden. Als frischgebackener Vater hatte er nicht kneifen können. Oder wollen.
Aber nun war