Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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fest.

      Angespannt horchten die beiden Männer.

      Kein Alarmgebrüll, keine eiligen Schritte. Bob Grey riskierte einen vorsichtigen Blick durch die Gitterstäbe des Tors. Da waren auch keine Lichter von Laternen, die im Palast angezündet wurden. Noch schien keiner etwas bemerkt zu haben.

      Bob zögerte nicht. Er hatte sich das Segeltuchbündel mit einer Schnur um die Hüfte gebunden. Mit kraftvollen Bewegungen hangelte der drahtige blonde Engländer am Tau nach oben. In Sekundenschnelle erreichte er die Mauerkrone, hielt sich am Gitter fest und löste das Bündel von der Hüfte. Geschickt warf er es über die gefährlichen Eisenspitzen und zupfte es so zurecht, daß mehrere Lagen Segeltuch das Eisen entschärften.

      Es bereitete ihm keine Mühe, sich trotz der gebogenen Gitterspitzen hinüberzuschwingen. Auf der Innenseite des Gitters wollte er verharren, um sich einen erneuten Überblick über die Lage zu verschaffen.

      Eine schneidende Stimme ließ ihn zusammenzucken.

      „Keine Bewegung, oder du stirbst!“

      Bob wandte den Kopf vorsichtig nach links. Das Licht von Mond und Sternen reichte aus. Er sah den Posten, der hinter dem linken Torpfeiler gelauert haben mußte. Der Mann hatte eine ziselierte einläufige Pistole im Anschlag. Wo steckte der andere? Wollte dieser eine sich Lorbeeren verdienen und alle Schwierigkeiten selbst beseitigen?

      Bob hörte seinen Gefährten, der begonnen hatte, die Mauer zu erklimmen. Keine Zeit mehr, ihn zu warnen.

      Schon im nächsten Atemzug erschien Sam Roskill auf der anderen Seite des Eisengitters.

      Der Mann mit der ziselierten Pistole war einen Sekundenbruchteil lang irritiert. Bob sah es an der ruckartigen Bewegung seines Kopfes. Die winzige Zeitspanne genügte dem drahtigen Engländer.

      Blitzartig griff er zum Gurt, zog das Messer mit einer fließenden Bewegung und warf es mit der ganzen Kraft seiner Armmuskeln.

      Den dumpfen Einschlag der Klinge, die bis zum Heft in die Brust des Postens drang, folgte das Krachen der Pistole. Aber der Schuß bedeutete keine Gefahr. Der Mann, der schon hintenüber kippte, riß den Abzug nur noch reflexartig durch. Das Blei raste in den Nachthimmel.

      Bob Grey sprang auf den gepflasterten Weg, der sich an der Innenseite der Mauer entlangzog. Sam Roskill überwand das Eisengitter und folgte seinem Gefährten.

      Innerhalb der nächsten Sekunden mußte die Hölle losbrechen.

      Tatsächlich ertönte wildes Alarmgebrüll aus dem hinteren Teil des Palastgartens. Bob Grey kniete bei dem Toten, nahm sein Messer wieder an sich und löste ein Schlüsselbund vom Gurt des Postens. Sam Roskill stand mit schußbereiter Pistole hinter einem Zierstrauch am Rand der Zufahrt, die vom Tor zum Palast führte.

      Zusehends mehr Stimmen wurden dort laut. Lampenlicht flutete aus einer aufschwingenden Tür. Die Palastwache reagierte schnell. Gestalten stürmten ins Freie. Waffenstahl erzeugte matte Reflexe.

      „Beeil dich, verdammt noch mal!“ rief Sam zischend.

      Bob hatte das Messer in die Scheide geschoben. Mit dem Schlüsselbund lief er zum Tor.

      Draußen stürmten die Arwenacks über den Platz.

      In Bobs Händen klirrten die Schlüssel. Fieberhaft suchte er den passenden.

      Die Männer der Palastwache rannten mit langen Sätzen. Mehr als vierzig, fünfzig Yards waren sie nicht mehr vom Tor entfernt.

      Sam Roskill duckte sich unwillkürlich. Er hielt die schwere Pistole im Beidhandanschlag.

      Noch dreißig Yards. Die Gesichter der Palastwächter waren im Mondlicht schon zu erkennen.

      Endlich fand Bob Grey den richtigen Schlüssel. Die Torflügel schwangen mit leisem Kreischen auf.

      Aus den Augenwinkeln heraus sah Sam Roskill den Seewolf und die anderen herbeistürmen. Sam feuerte.

      Die Pistole ruckte in seinen Fäusten. Eine grelle Feuerzunge stieß in das bleierne Mondlicht.

      Einer der Küzürtüsi-Männer überschlug sich im Laufen. Die anderen, links und rechts von ihm, gerieten ins Stolpern, da er ihnen quer vor die Füße stürzte.

      Der alte Kampfruf aus Cornwall donnerte in den Palastgarten. „Ar – we – nack! Ar – we – nack!“ Es war wie der tönende Ausdruck einer entfesselten Urgewalt, die den Palastwächtern entgegenbrandete.

      Und eben dieses Gefühl hatten sie im nächsten Moment.

      Ihre Schüsse waren schlecht gezielt, zu überhastet. Durch die präzise Kugel von Sam Roskill war das Verteidigungskonzept der Türken völlig durcheinandergeraten.

      Der Anblick der Angreifer, die durch das offene Tor hereinstürmten, bewirkte ein übriges. Die Verwirrung steigerte sich ins Grenzenlose. Als sie ihre Krummsäbel zogen, waren der Seewolf und seine Männer bereits zur Stelle.

      Klingenstahl klirrte.

      Die Wächter Mehmet Küzürtüsis mußten all ihr Beharrungsvermögen zusammenraffen, um angesichts der Angreifer nicht in Panik zu geraten. Da waren so furchterregende Gestalten wie der hünenhafte Mann mit dem Narbengesicht, der riesige Schwarze mit dem mörderisch funkelnden Gebiß und der rothaarige Riese, der statt eines Säbels eine Zimmermannsaxt schwang. Eine Waffe, die gleich zwei Palastwächter auf einmal niedermähte.

      Hasard stürmte über den zusammensinkenden Gegner hinweg, den er mit einer blitzartigen Attacke niedergestreckt hatte. Ben Brighton, Dan O’Flynn und die anderen waren unmittelbar hinter ihm. Gemeinsam stürmten sie auf den offenstehenden Eingang der Wache zu.

      Der Haupteingang des Palasts befand sich ungefähr zehn Yards weiter rechts. Auch dort brannte jetzt Licht hinter den Fenstern. Man richtete sich auf die weitere Verteidigung ein.

      Der Seewolf und seine Gefährten fackelten nicht lange. Wie erwartet, gab es einen Durchgang von der Wache zur Eingangshalle des Palasts. Hasard riß die Tür auf und schnellte mit flachem Sprung in die Halle.

      Schüsse krachten. Kugeln sirrten über ihn hinweg, durch die offene Tür zur Wache. Auf der anderen Seite des Raums klatschte das Blei in die Wand.

      Hasard federte hoch. Der Radschloßdrehling lag in seiner Rechten. Im Bruchteil einer Sekunde erfaßte er die Lage. Weitere Wächter waren bei der großen Eingangstür herumgewirbelt. Einer von ihnen, am weitesten links, hatte seine Pistole noch nicht abgefeuert.

      Hasard zog durch und ließ sich sofort darauf fallen. Der Drehling wummerte. Im Fallen spürte der Seewolf den sengenden Hauch des Bleies aus der Pistole des anderen. Aber seine Kugel hatte getroffen.

      Hasard feuerte im Liegen, als die drei anderen Kerle nach bereitliegenden geladenen Pistolen griffen. Grenzenloses Erstaunen zeichnete ihre Gesichter. Eine sechsschüssige Waffe hatten sie noch nicht gesehen. Es war dieses Erstaunen, mit dem sie starben.

      Der Seewolf gab den anderen mit einem knappen Ruf zu verstehen, daß die Gefahr beseitigt war. Zügig drangen sie weiter vor und schwärmten im Palast aus. Hasard, Ben Brighton, Don Juan de Alcazar und Dan O’Flynn stürmten die breite Treppe hinauf, die von der Halle ins obere Stockwerk führte. Das Kerlchen hatte ihnen den Weg zu Küzürtüsis Schlafgemach beschrieben.

      Hasard ließ die Tür mit einem Fußtritt auffliegen. Drinnen krachte sie gegen eine Kommode. Mit wenigen langen Sätzen war er als erster im Zimmer.

      Keine weiteren Wächter.

      Nur ein schlotternder Koloß von Kerl war da, der sich die seidenen Decken bis zum Kinn hochgezogen hatte. Unter dem Baldachin seines Luxusbetts wirkte er wie ein verängstigtes Riesenbaby, dessen Augen von innen her aus den Höhlen gedrückt zu werden schienen. Es sah beängstigend aus.

      „Sie sind Mehmet Küzürtüsi“, sagte der Seewolf und ließ es nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung klingen.

      Statt einer Antwort erschauerte der Füllige heftiger. Seine Zähne begannen zu klappern.

      „Sie