Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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klappte auf. „Das – das kann nicht Ihr Ernst sein“, stammelte er nach Sekunden. „Sie verlangen von mir, daß ich – daß ich …“ Er wußte nicht weiter.

      „Er kennt den Namen“, sagte Don Juan trocken.

      „Den Eindruck habe ich auch“, entgegnete Hasard und nickte. „Es liegt natürlich an ihm selber, wie lange er es aushalten muß.“ Er drückte etwas fester zu und hob das Kerlchen noch ein Stück höher.

      Der Zuträger begann zu wimmern. „Ich spreche mein eigenes Todesurteil, wenn ich es sage! Ich könnte mich ebensogut selbst töten.“

      „Nun übertreibe mal nicht!“ Hasard schob ihn mit dem Rücken gegen die Wand. Durch den unverminderten Druck am Hals wurde die Atemluft des Kerlchens noch knapper. „Ernsthafte Probleme kriegst du in erster Linie mit uns, wenn du nicht bald ein bißchen plauderst.“

      Don Juan zog zur Untermalung seinen Entersäbel. In der nun einsetzenden Dunkelheit war das Funkeln der Klinge auf bedrohliche Weise zu erkennen, zumal der Spanier die Klingenspitze beeindruckend nahe vor das weißgraue Gesicht mit den hervorquellenden Augen hielt.

      Die Wirkung blieb nicht aus. Das Wimmern des Kerlchens steigerte sich zu hohen Tönen, die fast wie ein Quieken klangen. Nicht einen Atemzug lang zweifelte er daran, daß diese Ungläubigen ihn massakrieren würden.

      Nach allem, was man über sie hörte, mußten sie wahre Bestien in Menschengestalt sein. Das Kerlchen bedauerte sich selbst zutiefst. Ausgerechnet ihm mußte es widerfahren, solchen Teufeln in die Hände zu fallen! Womit, bei Allah, hatte er das verdient?

      Aber sollte er selbst zugrunde gehen, damit sich ein anderer ins Fäustchen lachte? Die Gedanken jagten sich in seinem Kopf. Gewiß, er würde aus Istanbul verschwinden müssen, damit er nicht gejagt und umgebracht wurde.

      Denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Engländer gegen eine Übermacht bestehen wollten. Sie hatten einfach keine Chance. Aber sie hatten es, verdammt noch mal, in der Hand, über sein Leben oder Sterben zu entscheiden.

      Und er wollte nicht sterben.

      „Unsere Geduld ist nicht grenzenlos“, sagte der Seewolf leise und doch drohend.

      Don Juan de Alcazar bewegte den Säbel ein Stück und ließ die Klingenspitze sachte das Kinn des Kerlchens berühren.

      Er zuckte zusammen und riß den Mund weit auf, um zu schreien. Er fing an zu zappeln.

      Hasard rammte ihn fester gegen die Wand, und sofort wurde er wieder still.

      „Ich – ich rede“, keuchte er.

      Hasard ließ ihn zu Boden sinken und lockerte seinen Griff – doch nur ein wenig.

      „Wer hat Kemal Yildiz umbringen lassen?“ wiederholte er seine Frage in rauhem Ton.

      „Es ist einer der mächtigsten Männer in Istanbul“, antwortete das Kerlchen schnaufend. „Wenn nicht der mächtigste überhaupt.“

      Der Seewolf lachte leise. „Niemand ist so mächtig, daß er nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Den Namen!“

      „Mehmet Küzürtüsi.“

      Hasard und Don Juan wechselten einen Blick. Also hatte Münnever Yildiz mit ihrer Vermutung recht gehabt. Dieser Küzürtüsi zählte zu jenen Kreisen in Istanbul, die alles Herkömmliche und Überlieferte eisern bewahrten und um nichts in der Welt durch neue Denkanstöße ablösen lassen wollten.

      Männer wie Kemal Yildiz, der die Grenzen seines eigenen Standes mutig überschritt und für Gerechtigkeit eintrat, waren Küzürtüsi und seinesgleichen in höchstem Maße unbequem.

      Yildiz hatte sie in ihren Machtansprüchen zu sehr gestört.

      Hasard ließ das Kerlchen los. „In Ordnung. Du wirst uns zu Küzürtüsi führen.“

      Der Zuträger erschauerte. „Aber – aber …“ Seine Stimme erstickte.

      Hasard lachte rauh. „Keine Angst. Wir lassen dich rechtzeitig vorher laufen. Du wirst niemandem in die Hände fallen.“

       6.

      Das Kerlchen war erleichtert, als der Seewolf sein Versprechen einhielt.

      Hasard ließ ihn laufen, als er gemeinsam mit den Männern in einer Seitengasse verharrte. Die Gasse mündete in den Platz vor dem Küzürtüsipalast. Die Zwillinge, Old Donegal, der Kutscher und das „Viehzeug“, Carberrys Sammelbegriffe für Plymmie, Arwenack und Sir John, waren auf Befehl des Seewolfs an Bord geblieben.

      Sämtliche übrigen Männer waren mit Säbeln und Pistolen ausgerüstet, und sie hatten eine Mordswut im Bauch, die sie beim besten Willen nicht unterdrücken konnten.

      Menschen, die wehrlos und ahnungslos waren, mit einer Pulverladung zu töten, war nach ihrer übereinstimmenden Meinung so ziemlich das Niederträchtigste, was man sich vorstellen konnte.

      Man muß einem Gegner die Chance geben, sich zu wehren. Das war das mindeste, was man tun konnte.

      Dieser Küzürtüsi und sein Höllenfürst waren zusammen gewissermaßen ein Ausbund an Gemeinheit. Den Arwenacks lief die Galle über, wenn sie nur daran dachten, in wie vielen Fällen diese Hundesöhne schon auf ähnliche Weise gemordet hatten.

      Es wurde höchste Zeit, daß man ihnen das Handwerk legte. Dabei hatten weder der Seewolf noch einer seiner Männer das Gefühl, daß sie sich in eine Sache einmischten, die sie nichts anging.

      Kemal Yildiz wäre eine Art Verbündeter geworden, ein guter Freund, da waren sie sicher. Yildiz hatte das Format gehabt, den Mittler zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen zu spielen. Die Arwenacks hatten das allein aus den Worten seines Abgesandten schließen können. Und was sie von Münnever Yildiz erfahren hatten, bestätigte ihr Urteil.

      Dem Andenken dieses Mannes waren sie es schuldig, seinen Tod zu rächen.

      Die Männer verharrten mehrere Minuten lang. Regungslos beobachteten sie den Palast, dessen filigran wirkende Türme und Zinnen wie ein kunstvoller Scherenschnitt vor dem Nachthimmel aussahen.

      Die Schritte des davoneilenden Kerlchens waren längst verklungen. Er hatte sorgfältig darauf geachtet, daß ihn niemand zusammen mit den Engländern bemerkte. Einen Erfolg ihrer Aktion schien er nicht zu erwarten.

      Der Palast war von einer etwa mannshohen Mauer umgeben. Auf der Mauerkrone befand sich ein schmiedeeisernes Gitter von drei Fuß Höhe. Die oberen Enden des Gitters waren wie Speere zugespitzt und nach außen gebogen. Auch das Haupttor, ganz aus Gitterwerk, war auf diese Weise geschmiedet.

      Sam Roskill und Bob Grey übernahmen die erste Aufgabe. Auf ein Zeichen des Seewolfs huschten die beiden schlanken Engländer los. Sam trug ein zusammengerolltes Tau über der Schulter, an dessen Ende sich ein Enterhaken befand, den sie mit Lappen umwickelt hatten. Bob hatte sich ein zusammengerolltes Bündel von dickem Segeltuch unter den Arm geklemmt.

      Ohne ein verräterisches Geräusch erreichten sie die Umfassungsmauer unmittelbar neben dem rechten Torpfeiler. Bewegungslos verharrten sie. Von dem Kerlchen wußten sie, daß zwei Posten in entgegengesetzter Richtung auf der Innenseite der Mauer patrouillierten.

      In Abständen von etwa fünfzig Yards gab es Treppen, die zu kleinen, wehrturmartigen Plattformen hinaufführten. Von dort aus konnten die Posten überblicken, was sich außerhalb des Palasts abspielte.

      Sie mußten beseitigt werden, wenn man in den Palast vordringen wollte. Es gab keinen Weg, der daran vorbeiführte.

      Sam und Bob spähten zu den Turmplattformen in ihrer Nähe. Noch war dort niemand zu sehen. Auch Schritte waren auf der anderen Seite der Mauer nicht zu hören. Besser konnte die Gelegenheit nicht sein. Die Posten mußten sich an entfernteren Stellen des Grundstücks befinden.

      Sam Roskill nahm das Tau in die Linke und schleuderte den dick ummantelten Enterhaken senkrecht hoch. Es klappte schon beim ersten