Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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seinen Gedanken weit weg zu sein, und so mußte der Profos seine Frage noch einmal wiederholen.

      „Wo legen wir an, Sir?“

      „An der freien Pier an Backbord.“

      „Dann lasse ich jetzt Segel wegnehmen?“ sagte Ed fragend. Er fragte in letzter Zeit überhaupt wegen jeder Kleinigkeit nach.

      „Ja“, erwiderte Hasard knapp.

      Carberry gab mit ruhiger Stimme seine Anordnungen. Ebenso schweigend gingen die Arwenacks daran, den Großteil der Segel aufzutuchen.

      Old O’Flynn wiederholte seine Ansicht diesmal bei dem rothaarigen Schiffszimmermann Ferris Tucker, der sehr unglücklich dreinblickte.

      Aber auch Ferris war ziemlich skeptisch.

      „Das ist doch bloßes Wunschdenken von dir, Donegal“, sagte er etwas nachsichtig.

      „Ist dir denn nichts aufgefallen?“ fragte der Alte.

      „Was sollte mir denn aufgefallen sein?“

      „Wenn man nach einer Wasserleiche sucht“, sagte Donegal leise, „und sie dann nicht findet, was tut man dann?“

      Darauf wußte Ferris allerdings keine Antwort, und so zuckte er nur mit den Schultern.

      „Man schießt mit Kanonen über das Wasser, um dem Toten Auftrieb zu geben“, erläuterte der Alte fast flüsternd. „Durch den Donner treibt die Leiche auf. Das hält man schon seit Ewigkeiten so, und genauso tun es auch die Chinesen.“

      „Wir haben es aber nicht getan“, sagte Ferris.

      „Eben, eben“, ereiferte sich der Alte, „wir haben es nicht getan, und zwar aus gutem Grund. Ganz tief in seinem Innern glaubt nämlich keiner daran, daß Gary ertrunken ist. Es will nur niemand zugeben, aber ich weiß es besser. Und weil es insgeheim doch alle glauben, haben wir auch die Kanonen nicht abgefeuert.“

      „Weck nur keine falschen Hoffnungen. Das sind doch bloße Hirngespinste und Wunschträume, Donegal. Manchmal übertreibst du wirklich ein bißchen.“

      „Ich weiß, ich weiß“, sagte der Alte gleichmütig, „ich bin ja immer der Spinner an Bord, über den man heimlich lacht und den keiner für voll nimmt. Aber ich sage nur: Ihr alle werdet euch noch verdammt wundern.“

      Damit ließ er Ferris nachdenklich stehen und kehrte auf das Achterdeck zurück. Tucker sah ihm lange nach, dann schüttelte er unmerklich den Kopf.

      Der Hafen war jetzt klar zu erkennen. Auch Menschen unterschied man schon, die an der Pier standen und den beiden heransegelnden Schiffen entgegenblickten. Auf der „Wappen von Kolberg“ wurden jetzt ebenfalls die Segel ins Gei gehängt, und beide Galeonen trieben langsam auf den Hafen zu. Je zwei Segel standen noch an den Rahen.

      Dan O’Flynn griff zum Spektiv und blickte hindurch. Das war reine Gewohnheitssache, und auch diesmal streifte sein Blick durch die Optik die Leute an der Pier und die Boote im Hafen.

      Ganz flüchtig zog die Optik auch an dem Reiter mit den vier Pferden vorbei, und Dan wollte das Spektiv gerade an Ben Brighton weitergeben.

      „Was ist?“ fragte Ben, als die Hand wieder zurückzuckte.

      Dan O’Flynn gab keine Antwort. Erneut nahm er das Spektiv hoch und sah auf die Pier. Der Reiter wanderte in die Optik, aber er hatte sein Gesicht leicht zur Seite gedreht und blickte in diesem Augenblick zu den Schuppen hin.

      Dan sah seine schmuddelige Jacke, darüber einen Schlapphut. Aber die Gestalt erschien ihm doch vertraut, wenn sie durch die Kleidung auch fast unkenntlich wirkte.

      Da drehte der Mann auf dem Pferd sein Gesicht wieder und blickte genau zur „Isabella“ herüber.

      „Verdammt!“ rief Dan O’Flynn verdattert. Er setzte den Kieker ab, rieb sich die Augen und hatte ihn gleich darauf wieder am rechten Auge.

      „Was ist denn?“ fragte Ben erneut, und wieder erhielt er zu seiner Verwunderung keine Antwort.

      Dan O’Flynn schluckte hart. Das Gesicht des Mannes! Verdammt, dachte er schluckend, das gibt es doch gar nicht. Ihm klappte glatt der Unterkiefer weg vor Verblüffung.

      „Ich werd verrückt!“ schrie er. „Ich seh Geister!“

      Dann schien Dan O’Flynn tatsächlich verrückt zu werden, jedenfalls benahm er sich so, als sei er jetzt durchgedreht.

      Er warf dem verdutzten Ben Brighton den Kieker zu, riß die Arme hoch und vollführte zum Erstaunen aller eine Art Wildentanz auf.

      Er schlug Hasard auf die Schulter, riß dem schweigend dastehenden Ben wieder den Kieker aus der Hand, linste hindurch und ließ das Ding einfach auf die Planken fallen.

      „Ein Sonnenstich kann es nicht sein“, sagte Big Old Shane. „Vielleicht hat ihn was anderes gestochen.“

      Auch der Seewolf blickte Dan an, als sei der von allen guten Geistern verlassen.

      Dan setzte ein paarmal zum Sprechen an, brachte aber vor wilder Freude, Verblüffung und Staunen keinen Ton heraus. Dafür vollführte er wieder seinen verrückten Tanz.

      „Gary!“ brüllte er dann. „Gary steht auf der Pier! Seht euch den Kerl mit den vier Pferden an! Das ist Gary Andrews!“

      Ein paar der Seewölfe blickten erst peinlich berührt auf Dan, dann schluckten sie kräftig, und gleich darauf ging auf dem Achterdeck fast eine Prügelei um den Kieker los.

      Hasard vergaß für Augenblicke das Schiff, riß den Kieker hoch und merkte, daß seine Hände zitterten. Die anderen standen ungeduldig und erwartungsvoll daneben.

      Als er zur Pier hinübersah, da traf auch den Seewolf fast der Schlag, denn jetzt winkte der Reiter wie ein Wilder, riß die Arme hoch und begann zu brüllen.

      „Gary!“ brüllte Hasard wild. „Es ist Gary, Leute!“

      Was dann geschah, ließ den ganzen Hafen zittern. Auf der „Isabella“ war von einer Sekunde zur anderen der Teufel los.

      Die Kerle hüpften auf dem Deck herum, brüllten so laut: „Arwenack!“, daß die Hafengebäude zitterten und einige Leute verstört aus den Häusern liefen, um nachzusehen, was da passiert sei.

      Die meisten wollten es immer noch nicht glauben, rannten aufs Achterdeck, starrten hinüber und brüllten dann los.

      „Gary ist wieder da!“ schrie Luke Morgan. „Den bringt wirklich nichts um! Der hat es geschafft!“

      Gegenseitig hauten sie sich auf die Schultern, daß es nur so krachte. Ein Alptraum war von ihnen gewichen, und nun ging es keinem schnell genug, bis sie endlich anlegen konnten.

      Matt Davies und Blacky, die die ganze Zeit mit verbiesterten und traurigen Gesichtern herumgelaufen waren, horchten ungläubig auf und rannten ebenfalls nach achtern.

      „Stimmt das wirklich?“ fragte Blacky aufgeregt und mit knallrotem Schädel.

      „Er ist es wirklich“, sagte Hasard lachend. „Es ist unser Gary, er hat es wirklich geschafft.“

      „Kein Gespenst?“ vergewisserte sich Blacky noch einmal.

      „Schau selbst durch den Kieker.“

      Das tat Blacky auch, doch kaum hatte er einen Blick auf Gary Andrews erhascht, da riß ihm Matt Davies das Spektiv weg, blickte zum Land und riß jubelnd die Arme hoch.

      So schnell war an Bord der „Isabella“ noch nie die Stimmung umgeschlagen. Erst zu Tode betrübt, jetzt himmelhoch jauchzend.

      Aber es wurde noch verrückter, denn nun begann Blacky plötzlich zu spinnen und hatte es furchtbar eilig. Er hatte es so eilig, daß er in seiner Aufregung sogar vergaß, sich vorschriftsmäßig abzumelden.

      Alle, die auf dem Achterdeck standen, waren vor Verblüffung starr, als Blakky mit einem lauten Freudengeheul einfach Anlauf nahm und mit einem wilden Satz über Bord hechtete. Im Wasser schlug er auf wie eine