Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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anzusehen.

      Kaum hatten seine Blicke die ärmlich gekleidete Gestalt mit dem blutverkrusteten Gesicht gestreift, fuhr er wieder hoch.

      „Das gibt es doch nicht!“ stieß er hervor. „So viele Zufälle auf einem Haufen kann es doch gar nicht geben!“

      Hasard und die übrigen Männer sahen ihn verwundert an.

      „Kennst du den Mann etwa?“ fragte der Seewolf.

      Arne fuhr sich mit der Hand durch die blonde Haarmähne.

      „Ja und nein“, erwiderte er. „Ich kenne zwar seinen Namen nicht, aber ich habe ihn vor etwa einem Jahr in Pillau gesehen, und zwar bei einem Bernsteinhändler, der die Steine auch drechselt und schleift. Der Händler sagte mir damals im Vertrauen, dieser Mann wäre einer seiner besten Zulieferer. Sonst aber würde er sein Dasein als Fischer in Palmnicken fristen.“

      „Das ist ja interessant!“ entfuhr es Hasard. „Dann liegen wir mit unseren bisherigen Vermutungen und Feststellungen gar nicht so verkehrt.“ Mit wenigen Worten schilderte er Arne die verschiedenen Fußspuren, die Batuti ausgewertet hatte, und erläuterte ihm die Schlußfolgerungen, die sich daraus ergaben.

      „Das paßt alles genau zusammen“, meinte Arne von Manteuffel. „Der Sturm der vergangenen Nacht hat viel Tang hier angeschwemmt und damit auch Bernstein. Aus diesem Grund wohl war der Fischer hier unterwegs gewesen. Man hat ihn überfallen, halbtot geschlagen und ihm den gesammelten Bernstein geraubt, denn außer dem einen Stück, das man wahrscheinlich übersehen hat, ist ja nichts da.“

      Hasard nickte.

      „Die Räuber müssen ihn für tot gehalten haben, und das war sein Glück – je nachdem, wie man das sieht. Wie stehen seine Chancen, Kutscher?“

      „Die Verletzungen sind ernst, aber nicht hoffnungslos“, antwortete der Feldscher der „Isabella“. „Ich nehme an, daß ich ihn durchkriege, aber versprechen kann ich das natürlich nicht.“

      Hasard und Arne beschlossen, vorerst noch vor Anker zu bleiben und abzuwarten, was der Mann zu berichten hatte, wenn er ins Bewußtsein zurückkehrte. Dann würde man weitersehen.

      Zunächst aber brachte man den Schwerverletzten vorsichtig in die Jolle der Seewölfe und bettete ihn zwischen die Duchten. Dann wurde das Boot eilig zurückgepullt.

      6.

      Old O’Flynn zog ein griesgrämiges Gesicht, als die Jollen-Crew an Bord zurückkehrte und den Verletzten in den Krankenraum transportierte.

      „Dir paßt es wohl nicht, daß keine Rübenschweine hinter den Sanddünen gelauert haben, was, wie?“ fragte der Profos. „Es wäre dir wohl lieber gewesen, wenn uns irgendwelche Kerle ins Genick gesprungen wären. Dann könntest du wenigstens sagen: ‚Ich, Mister Donegal Daniel O’Flynn, habe es ja gleich gewußt, aber ihr Hurenböcke habt ja nicht auf mich gehört!‘ Gib’s doch zu, Donegal, ich kenne dich!“

      „Ha!“ sagte der Alte verbiestert. „Du und mich kennen, daß ich nicht lache! Und bilde dir nur nicht ein, daß ich mich geirrt habe! Auch wenn bis jetzt noch nichts geschehen ist – es ist noch lange nicht aller Tage Abend. Das dicke Ende folgt schon noch, darauf kannst du dich verlassen!“

      „Juckt dich vielleicht das Holzbein?“ fragte Ed treuherzig.

      „Heute nicht“, sagte Old Donegal beinahe würdevoll. „Aber ich werde dennoch das verdammte Gefühl nicht los, daß es in dieser Gegend Ärger gibt. Und zwar im Zusammenhang mit diesem – äh – mit diesem Fremden, den ihr an Bord gebracht habt.“

      „Du bist heute wieder ein richtiger Schwarzmaler“, sagte der Profos. „Der arme Wicht, an dem sich jetzt der Kutscher und Mac Pellew austoben, wird uns bestimmt keinen Ärger bereiten. Der ist froh, wenn er dem Sensemann noch mal von der Schippe springen kann. Irgendwelche Rübenschweine haben ihm wegen der Klunkerchen, die angeblich mit dem Tang an den Strand gespült werden, was über den Scheitel gegeben.“

      „Ja, ja“, sinnierte Old O’Flynn. „Die Gier nach Gold und Geld, nach Macht und Reichtum hat schon immer Ärger und Unglück gebracht. Darüber war ich mir schon damals auf der alten ‚Empress of Sea‘ im klaren, und ich kann dir nur sagen …“

      „Schon gut, Donegal“, sagte der Profos. „Jetzt fang nur nicht wieder bei der Arche Noahs und der Sintflut an. Ich weiß schon, daß du damals als Erster Offizier auf der Arche gefahren bist. Und die Sintflut hat Noah nur überlebt, weil er auf dich gehört hat!“

      „Witzbold!“ knurrte Old Donegal und marschierte beleidigt über die Kuhl. Bis zum Ablauf des Stundenglases war der Profos Luft für ihn, das stand jetzt schon fest. Aber spätestens dann würden sie wieder ein Herz und eine Seele sein und zusammenhalten wie Pech und Schwefel.

      Zu allem Überfluß landete jetzt auch noch Sir John auf dem Handlauf des Schanzkleides.

      „Ziegenkäse, Hafenratten, Töpfegucker!“ krakeelte er zusammenhanglos.

      Der alte O’Flynn drehte sich um und warf dem Papagei einen wütenden Blick zu.

      „Jetzt fang du nur auch noch an, du Mistvieh!“ rief er. „Aber bei einem solchen Holzkopf von einem Herrchen kann man ja nichts anderes erwarten, nicht wahr?“

      Wieder war es Gary Andrews, der hagere Fockmastgast, der die Männer auf den Decks auf eine merkwürdige Begebenheit hinwies.

      „Am Strand tauchen eine Menge Leute auf!“ rief er. „Alle aus südlicher Richtung!“

      Gleich darauf sahen auch die übrigen Seewölfe jene seltsame Prozession, die sich dicht am Wasser entlangbewegte. Bei dem, was sich in der nächsten Zeit ihren Augen darbot, kamen sie aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.

      Die morgendlichen Dunstschwaden hatten sich verzogen, die Sonnenstrahlen ließen die kabbeligen Küstengewässer silbrig aufglänzen. Der Wind wehte noch immer aus Westen und ließ die beiden Galeonen an den Ankertrossen schwojen. Alles in allem bot dieser Morgen an der samländischen Bernsteinküste ein Bild des Friedens.

      Dieser Eindruck wurde jedoch durch das, was am Strand geschah, jäh zerstört.

      Eine Schar von Menschen zog langsam durch den weichen Sand, und zwar so, als müßte sie Tausende von Erbsen aufsammeln, die jemand in der Nacht ausgestreut hatte. Wie die Seewölfe rasch feststellten, befanden sich auch Frauen und Kinder bei jener morgendlichen Prozession. Und sie brauchten natürlich nicht lange herumzurätseln, um zu wissen, was dort geschah.

      Die Menschen sammelten Bernstein, besser gesagt, sie mußten Bernstein sammeln, denn die ärmlich gekleideten Männer, Frauen und Kinder waren nicht allein, sondern wurden von einer doppelten Anzahl Uniformierter umgeben, die, wie deutlich zu erkennen war, sogar Peitschen schwangen. Von ihren Pferden aus hielten sie die Menge auf Trab.

      Das Bernsteinsammeln erfolgte demnach unter Zwang und Bewachung, und der Erlös floß logischerweise nicht in die Taschen der armen Küstenbevölkerung, sondern in die Kassen jener Leute, die niemals kennengelernt hatten, was Hunger bedeutete.

      „Das dürften schätzungsweise fünfundzwanzig Leute sein“, sagte Hasard. „Hinzu kommen ungefähr sechzig Soldaten. Das ist nicht zu fassen!“

      Edwin Carberry warf dem alten O’Flynn einen verstohlenen Blick zu, doch der hob würdevoll die Nase, als müsse er mit ihr die Windrichtung feststellen.

      „Die Leute sind ja wirklich beschissen dran“, meinte der Profos dann. „Dabei könnten diese Rübenschweine von Soldaten doppelt soviel Arbeit leisten als diese Schar zerlumpter Gestalten, wenn sie sich nur erst von ihren verlausten Ziegenbökken schwingen würden. Aber das haben diese im Suff gezeugten Hurensöhne natürlich nicht nötig. Das Schwingen der Peitschen ist da viel bequemer.“ Zu Hasard gewandt, fuhr er fort: „Sir, ich kann mir nicht helfen, aber wenn ich das sehe, da kribbelt es mir so merkwürdig in den Händen.“

      Hasard zuckte mit den Schultern.

      „Zu