Seewölfe Paket 18. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397761
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nahmen alle Haltung an, das Kinn am Kragen, den Blick soldatisch fest auf den Kommandanten gerichtet, der ihnen soeben einen Mordbefehl erteilt hatte.

      Einzig der Feldscher starrte auf den Boden, den Kopf gesenkt. Don Angelo Baquillo musterte ihn verächtlich und zuckte mit den Schultern. Diesem Quacksalber würde er schon beibringen, nach welcher Pfeife er zu tanzen hatte.

      „Das paßt Ihnen wohl nicht?“ fragte er höhnisch.

      Der Feldscher hob den Kopf.

      „Meine Aufgabe ist es, Leben zu erhalten, nicht zu vernichten“, erwiderte er.

      „Sie hätten Pfaffe werden sollen“, erklärte Don Angelo Baquillo und stieß ein bellendes Lachen aus.

      „Könnte sein“, sagte der Feldscher ruhig, „und es stört mich nicht weiter, daß Sie das offenbar sehr lustig finden. Vermutlich werden Sie gleich nicht mehr lachen, wenn ich Ihnen sage, daß Ihr Plan, die kranken Indianer auszurotten, im Sinne Gottes und seiner Gebote nichts weiter als wahnsinnig ist. Können Sie mir vielleicht erklären, durch wen die Menschen in Italien – in der Alten Welt weit weg von hier – mit dem Sumpffieber angesteckt werden? Etwa auch von Indianern? Ich war in Italien und habe dort viel gelernt. Indianer habe ich dort allerdings nicht gesehen.“

      Don Angelo Baquillo schnappte nach Luft. Dann brüllte er: „Wollen Sie meutern, Sie lächerlicher Salbenschmierer?“

      „Ein Mann, der Salben verschmiert, ist kaum zum Meutern geeignet, Señor Kommandant“, sagte der Feldscher gelassen. „Ich weise Sie nur nach den Gesetzen der menschlichen Vernunft und Logik darauf hin, daß die Indianer unmöglich die Ursache des hier grassierenden Fiebers sein können. Das ist alles und hat mit Meuterei absolut nichts zu tun. Begreifen Sie das nicht?“

      „Ich begreife nur, daß Sie vom Kriegshandwerk nicht die geringste Ahnung haben!“ schrie Don Angelo Baquillo voller Wut. „Scheren Sie sich hinaus, Sie salbadernder Quacksalber! Sie untergraben Disziplin und Manneszucht! Kümmern Sie sich gefälligst um die Kerle, die sich vom Dienst drücken wollen. Alles andere geht Sie einen Dreck an, verstanden?“

      „Ich bin nicht schwerhörig“, sagte der Feldscher kühl, nickte knapp und verließ das Stabsquartier.

      Als die Tür geschlossen war, reckte Don Angelo Baquillo die Brust heraus, in seinen Augen stand ein kaltes Glitzern, als er seinen Stab musterte, zuletzt den Adjutanten.

      „Was halten Sie von diesem Menschen, Teniente?“ fragte er lauernd.

      „Ein unmöglicher Mensch, Señor Kommandant“, erwiderte der Teniente, „und sehr gefährlich, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.“

      „Sie haben es erfaßt, mein Lieber.“ Das Glitzern in den Augen Don Angelo Baquillos verschwand, dafür erschien ein berechnender Ausdruck. „Ihr Vorschlag?“

      „Liquidieren, Señor Kommandant“, erwiderte der Teniente. „Am besten bei der Aktion morgen vormittag – unauffällig natürlich. Das ließe sich einrichten. Ich schlage vor, ihn morgen mit in das Dorf zu nehmen, und zwar unter dem Vorwand, daß er als Feldscher die Aufgabe habe, uns die kranken Bastarde zu bezeichnen und herauszusuchen. Bei dieser Gelegenheit könnte man einen Vorfall provozieren, in dessen Verlauf er erschossen wird – natürlich ein unglücklicher Schuß, weil er von einem dieser roten Hunde angegriffen wurde.“

      „Sehr gut, ausgezeichnet!“ sagte Don Angelo Baquillo akzentuiert. „Sie übernehmen das, Teniente?“

      „Es wird mir eine Ehre sein“, sagte der Teniente.

      So wurde also noch ein Mord geplant, und keiner der Señoras des Stabes hatte dagegen den geringsten Einwand. Keiner gab zu bedenken, daß man mit diesem Mord auch den einzigen Arzt der spanischen Siedlung beseitigte. Und keinem dieser Offiziere war klargeworden, daß er bereit war, einem völlig sinnlosen – oder wahnsinnigen – Befehl Folge zu leisten. Man tat seine Pflicht, nicht wahr? Man gehorchte. Das Gewissen, so man es hatte, ignorierte man.

      Der Stab wurde entlassen, der Adjutant würde die Einzelheiten und Orders für die Aktion des nächsten Tages ausarbeiten, exakt in der Rollenverteilung, präzise, nüchtern und soldatisch klar, wie die Abläufe für kriegerische Handlungen zu sein hatten. Der Feind war ja erkannt – nach Auffassung des Kommandanten. Und der mußte es wissen.

       7.

      Der verbrecherische Plan des Kommandanten hatte einen Fehler, den er nicht bedacht hatte. Das lag aber daran, daß er die Indianer in seiner maßlosen Überheblichkeit für tierische und daher dumme Wesen hielt, eben für Ungeziefer. Dabei vergaß er auch, daß er sie andererseits für intelligent genug erklärt hatte, die Spanier mittels Ansteckung vernichten zu wollen. Im übrigen hielt er die Timucuas auch für zu dumm, die spanische Sprache zu erlernen.

      Aber Taliwa hatte genug von dieser Sprache mitgekriegt, um zu verstehen, welche neuerliche Untat von dem verhaßten Mann geplant wurde. Mit dem Ohr an der Tür hatte sie im Schlafraum des Kommandanten gelauscht. Als die Posten vor dem Stabsquartier abgelenkt waren, weil der Feldscher nach draußen trat, hatte sie die Gelegenheit genutzt, zu entwischen.

      Sie hatte insofern Glück, weil der eine der beiden Posten gerade mit klappernden Zähnen und Schüttelfrost zusammengebrochen war. Und daraufhin hatte der Feldscher zusammen mit dem anderen Posten den offenbar kranken Mann hinüber ins Krankenrevier geschleppt.

      Das Fenster des Schlafraums lag sowieso nach hinten heraus, und als sich alle Blicke in der Siedlung auf den Vorgang mit dem zusammengebrochenen Soldaten richteten, schlüpfte sie aus dem Fenster und huschte hinter den Hütten zu einem Baum, der unmittelbar an der übermannshohen Palisadenumzäunung der Siedlung stand.

      Diesen Weg hatte sie schon lange vorher erkundet und auch bereits benutzt, wenn sie Shawano über irgendwelche Dinge, die sie erfahren hatte, Bericht erstattete.

      Gewandt wie eine Katze kletterte sie an dem Stamm hoch, hangelte an einem Ast entlang über die Palisaden hinweg und ließ sich jenseits auf den weichen Untergrund fallen. Sekunden später war sie in dem Sumpfdickicht verschwunden.

      Wiederum Minuten später huschte sie ungesehen in die Hütte des Häuptlings, der tief in Gedanken versunken mit gekreuzten Beinen auf einer Schilfmatte saß.

      Er war ein weiser und kluger Mann, und er hatte bereits seit Tagen gespürt, daß sich für die Timucuas etwas Bedrohliches entwickelte. Das hing mit dem Sumpffieber zusammen, das sich in die Hütten der Timucuas geschlichen hatte. Aber ihm war auch nicht entgangen, daß die Feindschaft der spanischen Eindringlinge in der letzten Zeit noch bösartiger geworden war. Er hatte den Eindruck, daß den Timucuas die Schuld dafür zugeschoben wurde, daß die spanische Siedlung von der Krankheit nicht verschont geblieben war. An entsprechenden Bemerkungen, finsteren Blicken und drohenden Gebärden hatte es in letzter Zeit nicht gemangelt. Die kranken Männer des Stammes, die zur Arbeit getrieben wurden, waren noch grausamer und härter als sonst behandelt worden.

      Aus allen diesen Anzeichen war Shawano klargeworden, daß sich die Situation des Stammes in gefährlicher Weise verschlimmert hatte und nach einer Lösung drängte. Er spürte, daß sie sich in einem Stadium befanden, das der Ruhe vor dem Sturm nicht unähnlich war. Irgend etwas würde passieren – etwas Furchtbares.

      Aber was sollte er tun? Flucht war der einzige Ausweg, Flucht vor den Spaniern und Flucht vor dem tödlichen Fieber. Gab es noch eine andere Möglichkeit? Er sah keine. Der große, wuchtig gebaute Mann mit den schlohweißen Haaren und dem sorgenzerfurchten Gesicht hob den Kopf, als Taliwa wie ein Schatten in die Hütte schlüpfte. Taliwa verneigte sich demütig vor ihm.

      „Setz dich, meine Tochter“, sagte er leise. „Du bist beunruhigt. Ich sehe es in deinen Augen. Du hast eine schlimme Nachricht, nicht wahr?“

      „Ja.“ Und Taliwa berichtete dem Häuptling, was sie erlauscht hatte.

      Er saß da mit unbewegtem Gesicht und hörte das Schreckliche. Er hatte es erwartet – nur nicht in dieser teuflischen Form. Aber es zwang ihn zu einer Entscheidung, die er hatte