Ilaria, der das nicht entging, fuhr sie an: „Dumme Gans! Wie stellst du dir das vor, he? Willst du da oben in den Masten herumturnen oder hier unten die schweren Kanonen bedienen?“
„Sehr richtig“, sagte Hasard bedächtig. „So sehe ich das auch. Kommt hinzu, daß eure spanischen Landsleute nicht gut auf uns zu sprechen sind. Um ehrlich zu sein: sie sind hinter uns her wie der Hund hinter der Wurst. Warum das so ist, mag ich jetzt nicht näher erläutern. Nun gut, die ‚Isabella‘ ist ein schnelles und wendiges Schiff, so daß wir meistens ausreißen können. Aber wenn sie uns mal erwischen – damit müssen wir rechnen –, dann hauen sie drauf und werden keine Rücksicht darauf nehmen, daß ihr hier an Bord seid. Ich kann ihnen ja leider auch nicht sagen, sie sollten darauf verzichten, auf uns zu schießen, weil sie euch treffen könnten. Gleiches gilt für den Fall, wenn wir wieder Schnapphähnen wie Mardengo begegnen sollten. Da würdet ihr vom Regen in die Traufe geraten. Und ich schätze, ihr habt von solchen Kerlen die Nase voll.“
Sie nickten, und Ilaria sagte seufzend: „So wohl wir uns bei euch fühlen – ich glaube, es ist besser, wenn ihr uns an Land setzt.“
Hasard atmete im stillen auf. Genau das war seine Absicht gewesen, nur hatte er nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen. Die elegantere Lösung war, die Ladys dahin zu bringen, daß sie das selbst vorschlugen – und das hatte er geschafft.
Jetzt konnte er so tun, als erwäge er den Vorschlag Ilarias.
„Hm-hm“, sagte er und mimte vollendet den Nachdenklichen, „wenn ich mir das so überlege, wäre das wirklich besser, bevor was Unvorhergesehenes passiert und wir in ein Gefecht schlittern, daß uns aufgezwungen wird. An und für sich sind wir nämlich friedliche Pilger …“ Hasard verstummte, weil er sich dabei erwischte, die berühmte Redewendung Ed Carberrys zu benutzen, die er stets anzuwenden pflegte, wenn er einen Landgang in irgendeinem Hafen anpeilte. Da redete der gute Ed auch immer von „friedlichen“ oder „frommen Pilgern“, die kein Wässerchen trüben könnten und jedem Streit aus dem Wege gingen, obwohl dann stets das genaue Gegenteil eintrat.
Hasard seufzte, und die Ladys seufzten mit, weil sie dachten, der Kapitän werde bereits von Abschiedsschmerz geplagt. Sie selbst trennten sich ja auch höchst ungern von ihm und seinen so vortrefflichen Mannen, die alle so höflich und zuvorkommend waren, ganz anders als diese rüden und versoffenen Rabauken Mardengos. Aber eine Trennung mußte wohl sein, wahrhaftig, denn das Seemannshandwerk war nicht ihr Metier, beileibe nicht, obwohl sie ja viel mit den Männern vom Meer zu tun hatten, nicht wahr? Aber das war eine andere Art von Tätigkeit.
„An und für sich“, sagte Hasard mit einem Ton in der Stimme, der sein tiefstes Bedauern ausdrückte, „wäre es meine Pflicht, euch wohlbehalten nach Spanien zurückzubringen, aber eine solche Reise hatten wir nicht geplant, zumal wir hier in der Neuen Welt Handelsbeziehungen anknüpfen wollen. Da erhebt sich nun die Frage, wo wir euch an Land, setzen sollen.“ Er rieb sich die Nase. „Wüßtet ihr einen Platz? Eine Hafenstadt oder so etwas? In dieser Ecke der Welt sind wir nämlich noch nie gewesen.“
Die Ladys sahen sich ratlos an. Da waren sie ebenfalls überfragt. Im Grunde genommen hatten sie keinen blassen Schimmer, wo sie sich befanden. Mardengos Piraten hatten sich wohlweislich gehütet, ihnen die genaue Lage der Pirateninsel zu erklären, von der aus sie relativ leicht auf das Festland von Florida hätten fliehen können – oder südwärts nach Habana auf Kuba, was tatsächlich ursprünglich ihr eigentliches Ziel gewesen war, als sie in die Neue Welt aufgebrochen waren.
Hinzu kam außerdem, daß sie insgesamt nur sehr verschwommene Vorstellungen von diesem Teil der Erde hatten. Wer hätte ihnen das – schon in Spanien – auch erklären können! Und, wie gesagt, sie waren ja keine Seefahrer, die sich von Berufs wegen mit den fremden Ländern beschäftigen mußten. Und wenn sie ehrlich waren, mußten sie bekennen, daß ihnen die Lehre über die Gestalt der Erde und ihrer Länder herzlich gleichgültig war – Hauptsache, daß dort, wo sie tätig wurden, die Kasse stimmte. Das in der Neuen Welt schnell zu verdienende Geld hatte sie gelockt, sonst gar nichts.
Ja, da war guter Rat teuer.
Hasard schnippte mit den Fingern, weil er eine Idee hatte.
Little Ross mußte her! Der hatte ja ständig, seit er an Bord war, herumgetönt, wie gut er sich dank seines früheren Kapitäns Wilbur Fogg in dieser Ecke auskenne.
„Little Ross zu mir!“ befahl Hasard zur Kuhl hinunter.
3.
Der frühere Bootsmann, den die Seewölfe als einzigen Überlebenden von der gestrandeten „Atlantic Rose“ geborgen und vorläufig zu sich an Bord genommen hatten, war ein Bulle von Kerl. Jetzt enterte er grinsend zur Back hoch – entzückt darüber, daß ihm der Kapitän Gelegenheit gab, sich vor den sechs Ladys ein bißchen spreizen zu können. Daß er sich „Little Ross“ nannte, war eine Untertreibung, „Big Ross“ wäre passender gewesen.
„Little Ross zur Stelle, Sir“, meldete er sich, blickte dabei aber nicht Hasard an, sondern peilte auf eine Lady namens Dolores, die als Galionsfigur für jedes Schiff eine Zierde gewesen wäre. Sie überragte auch die fünf anderen Ladys und hatte einen mächtigen Bug.
Hasard räusperte sich und sagte: „Mister Ross, um mich kurz zu fassen: die Ladys sind sich darüber im klaren, daß sie nicht ewig bei uns an Bord bleiben können …“
„Das ist aber schade“, murmelte Little Ross und schien sehr enttäuscht zu sein.
Hasard zog eine Augenbraue hoch und fuhr fort: „Sie möchten an Land gesetzt werden, was ich ihnen nicht verdenken kann. Nur, wo das sein soll, ist ihnen unklar – mir übrigens auch. Darum habe ich dich gerufen. Wie du sagtest, hast du von Kapitän Fogg viel über Florida gehört und scheinst dich an den Küsten daher gut auszukennen. Wüßtest du einen Ort hier an der Westküste, wo wir die Ladys an Land setzen könnten?“
„Wüßte ich schon“, sagte Little Ross prompt.
Hasard fixierte ihn aufmerksam. Offenbar hatte dieser Bulle von Kerl seine Enttäuschung sehr schnell überwunden. In seinen Augen war ein verstecktes Grinsen zu erkennen. Was dem wohl wieder durch den Kopf ging!
„Und wo wäre das?“ fragte Hasard mißtrauisch.
„Sarasota südlich der Tampa Bay“, erklärte Little Ross.
„Aha! Eine spanische Siedlung?“
„Das nicht. Bis jetzt haust da nur ein alter Kreole. Jelly heißt der Kerl, Joseph Jelly. Braut aus Zuckerrohr Schnaps, Sir, verstehst du?“ Little Ross zwinkerte mit dem rechten Auge.
„Nein, verstehe ich nicht. Was hat das mit unserem Problem zu tun, mein Freund?“
„Ganz einfach, Sir. Ich werde mich mit den Ladys beim alten Jelly in Sarasota niederlassen.“
„Du?“ fragte Hasard verblüfft und dehnte das Wörtchen ziemlich in die Länge.
„Aye, Sir.“ Little Ross nickte. „Schließlich brauchen die Ladys ja einen Beschützer, nicht? Und für so was bin ich genau das richtige Kerlchen. Ich werde dort ’ne Kneipe eröffnen, für die mir der alte Jelly den Schnaps liefern muß. Man muß da klug vorausdenken, Sir.“ Little Ross redete sich in Eifer. „Kapitän Fogg war davon überzeugt, daß Florida ein aufblühendes Land sei, ein Paradies, wo sich’s gut leben ließe. Die Franzosen sollen auch schon ganz spitz auf Florida sein, und von denen weiß man ja, daß sie gut zu leben verstehen.“
„Junge-Junge“, murmelte Hasard erschüttert. Dann kniff er die Augen zusammen. „Und die sechs Ladys sollen dir den Haushalt führen, eh? Oder wie hast du dir das vorgestellt?“
„An Haushaltsführung hatte ich eigentlich nicht gedacht“, sagte Little Ross etwas unbehaglich, weil Hasard ihn so scharf musterte. Verdammt, der hatte einen Blick drauf, der einen wie eine Lanze traf.
„Sondern?“ fragte Hasard kurz.
„Nun