IM KONTEXT
ANSATZ
Klassisches Konditionieren
FRÜHER
Anfang des 12. Jh. Der arabische Arzt Avenzoar (Ibn Zuhr) testet chirurgische Verfahren an Tieren.
1890 In Psychologie sagt William James, bei Tieren sei das Gefühl, eine impulsive Aktion ausgeführt zu haben, essenzieller Bestandteil des Reizes, der die nächste Aktion auslöst.
SPÄTER
1920 John B. Watsons Versuche mit dem »kleinen Albert« zeigen, dass klassisches Konditionieren auch beim Menschen funktioniert.
1930er-Jahre B. F. Skinner weist nach, dass sich Ratten auf ein bestimmtes Verhalten »konditionieren« lassen.
1950er-Jahre Psychotherapeuten übernehmen das »Konditionieren« als Teil der Verhaltenstherapie.
Viele für die Psychologie entscheidenden Entdeckungen wurden gemacht, als die Disziplin noch in ihren Kinderschuhen steckte, und sie stammten von Wissenschaftlern, die eigentlich auf ganz anderen Feldern arbeiteten. Zu diesen Pionieren zählt auch der russische Physiologe Iwan Pawlow, dessen Untersuchungen der Speichelsekretion bei Hunden zu einigen unerwarteten Ergebnissen führten.
In den 1890er-Jahren führte Pawlow eine Reihe von Versuchen durch. Mithilfe ausgeklügelter Schlauchsysteme maß er den Speichelfluss der Hunde bei der Fütterung. Er stellte fest, dass die Tiere nicht nur Speichel absonderten, wenn sie fraßen, sondern bereits dann, wenn sie das Futter rochen oder sahen. Ihre Speicheldrüsen wurden sogar schon beim Anblick eines Tierpflegers aktiv, wenn sie Futter von ihm erwarteten.
Diese Beobachtungen motivierten Pawlow, die Beziehungen zwischen verschiedenen Reizen und den Reaktionen, die sie auslösten, zu erforschen. In einem Versuch setzte er ein Metronom in Gang, bevor er den Hunden Futter anbot. Dies wiederholte er so oft, bis die Tiere das Ticken zuverlässig mit schmackhaftem Futter assoziierten. Diese »Konditionierung« führte dazu, dass der Speichelreflex der Hunde auch dann einsetzte, wenn nur das Metronom zu hören war.
Pawlows Hunde sonderten schon Speichel ab, wenn sie einen Menschen im weißen Laborkittel sahen. Sie waren »konditioniert« worden, weil jeder, der sie fütterte, einen solchen Kittel trug.
In anderen Versuchen verwendete Pawlow eine Glocke, einen Summer, ein Lichtsignal oder einen Pfeifton. Das Ergebnis war immer gleich: Sobald die Hunde den neutralen Reiz mit Futter zu assoziieren begannen, reagierten sie mit vermehrter Speichelsekretion.
Der »bedingte Reflex«
Pawlow schloss daraus, dass das Futter, das er den Hunden anbot, ein »unbedingter Reiz« (unconditioned stimulus, US) war, weil er zu einem nicht erlernten Reflex (»unkonditionierte« Reaktion, UR) führte – hier zur Sekretion von Speichel. Das Ticken des Metronoms wurde erst dann zu einem Reiz, der Speichelfluss auslöste, als die Hunde gelernt hatten, den Zusammenhang zwischen Reiz und Futtergabe herzustellen. Pawlow nannte dies einen »bedingten« oder »konditionierten« Reiz (conditioned stimulus, CS). Die Speichelabsonderung als Reaktion auf das Metronom war ebenfalls erlernt, also eine »konditionierte« Reaktion (CR).
Später zeigte Pawlow, dass bedingte Reflexe (konditionierte Reaktionen) unterdrückt oder verlernt werden können, wenn auf den konditionierten Reiz mehrmals keine Futtergabe folgt. Er wies auch nach, dass eine konditionierte Reaktion psychischer wie physischer Natur sein kann. Dazu kombinierte er Reize mit Schmerzen oder Drohgesten, was eine konditionierte Angstreaktion auslöste.
Pawlows Entdeckung und seine Methoden waren ein entscheidender Schritt in der Geschichte der Psychologie, die sich immer mehr als naturwissenschaftliche Disziplin verstand. Insbesondere amerikanische Behavioristen wie John B. Watson und B. F. Skinner wurden stark von Pawlow beeinflusst.
»Die Tatsachen sind die Luft des Gelehrten … ohne sie bleiben eure ›Theorien‹ leere Bemühungen.«
Iwan Pawlow
Iwan Pawlow
Iwan Petrowitsch Pawlow wurde als ältester Sohn eines Geistlichen im russischen Rjazan geboren. Eigentlich sollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten. Doch schon bald verließ er das Priesterseminar und ging an die Universität von St. Petersburg, um Naturwissenschaften zu studieren.
Nach seinem Abschluss 1875 schrieb Pawlow sich an der Medizinisch-Chirurgischen Akademie ein. Er promovierte und arbeitete als Assistent am Lehrstuhl für Physiologie. 1890 wurde er Professor an der Militärärztlichen Akademie St. Petersburg, ein Jahr später Leiter des Instituts für Experimentelle Medizin. Dort führte er seine Hundeexperimente durch, für die er 1904 den Nobelpreis erhielt. Pawlow setzte seine Versuche noch im Ruhestand fort, bis er im Februar 1936 an einer Lungenentzündung starb.
Hauptwerke
1897 Die Arbeit der Verdauungsdrüsen: Vorlesungen
1928 Lectures on Conditioned Reflexes
1941 Conditioned Reflexes and Psychiatry
VERHALTENSWEISEN, DIE NICHT BELOHNT WERDEN, WERDEN AUSGESTANZT
EDWARD THORNDIKE (1874–1949)
IM KONTEXT
ANSATZ
Konnektionismus
FRÜHER
1885 In seinem Buch Über das Gedächtnis beschreibt Hermann Ebbinghaus die »Vergessenskurve«, das Tempo, mit dem wir Gelerntes vergessen.
1890er-Jahre Iwan Pawlow entwickelt das Prinzip des klassischen Konditionierens.
SPÄTER
1918 John B. Watsons Experimente mit dem »kleinen Albert« zeigen, dass sich auch Menschen konditionieren lassen.
1923 Der englische Psychologe Charles Spearman schlägt vor, die menschliche Intelligenz mit dem »g-Faktor« zu messen.
1930er-Jahre B. F. Skinner entwickelt die Theorie des »operanten Konditionierens« (Lernen durch Verstärkung).
Etwa zur gleichen Zeit, als Pawlow in Russland seine Experimente mit Hunden durchführte, begann Edward Thorndike in den USA im Rahmen seiner Doktorarbeit, das Verhalten von Tieren zu erforschen. Vermutlich war er der erste echte »behavioristische« Psychologe, auch wenn es diesen Begriff zu jener Zeit noch gar nicht gab.
Als Thorndike in den 1890er-Jahren sein Studium abschloss, entwickelte sich die wissenschaftliche Psychologie gerade zu einem neuen universitären Fach. Ihn reizte die Aussicht, die neue Wissenschaft auf seine Interessensgebiete Erziehung und Lernen anzuwenden. Eigentlich wollte er die Lernprozesse beim Menschen erkunden, aber weil er keine geeigneten Versuchsobjekte fand, dachte er sich eine Reihe von Tierversuchen