Hauptwerke
1904 Adolescence
1906 Youth: Its Education, Regiment, and Hygiene
1911 Educational Problems
1922 Senescence
24 STUNDEN, NACHDEM MAN ETWAS GELERNT HAT, HAT MAN ZWEI DRITTEL DAVON WIEDER VERGESSEN
HERMANN EBBINGHAUS (1850–1909)
IM KONTEXT
ANSATZ
Gedächtnisforschung
FRÜHER
5. Jh. v. Chr. Die alten Griechen erfinden die Mnemonik. Darunter ist ein System von Merktechniken zu verstehen, das beispielsweise Eselsbrücken und Reime umfasst.
SPÄTER
1932 Frederick Bartlett behauptet, dass vorhandenes Vorwissen die Speicherung von Informationen beeinflusst.
1949 Donald Hebb beschreibt in The Organization of Behavior, dass Lernen über neuronale Netzwerke erfolgt.
1960 Der US-Psychologe Leo Postman findet heraus, dass neue Lernvorgänge sich störend auf vorausgegangene Lernvorgänge auswirken und eine »retroaktive Interferenz« erzeugen können – eine Überlagerung des zuvor Gelernten durch neu Gelerntes.
Hermann Ebbinghaus war der erste Psychologe, der sich systematisch mit dem Lernen auseinandersetzte. 1885 unterzog er sich selbst einem Experiment. John Locke und David Hume hatten die These aufgestellt, dass der Vorgang des Erinnerns an Assoziationen geknüpft sei, durch die Gegenstände mit gemeinsamen Merkmalen (gleicher Ort, gleiche Zeit usw.) miteinander verbunden würden. Ebbinghaus beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen.
Gedächtnisexperimente
Zunächst lernte er eine Reihe von Wörtern auswendig und testete, an wie viele davon er sich erinnern konnte. Um auszuschließen, dass Assoziationen eine Rolle spielten, erstellte er Listen mit insgesamt 2300 sinnlosen, aus jeweils zwei Konsonanten und einem Vokal bestehenden Silben (z. B. »zuc« oder »qax«). Diese Silbenreihen ging er mit 15-sekündigen Unterbrechungen immer wieder durch, bis er sie fehlerfrei wiedergeben konnte. Er experimentierte mit unterschiedlich langen Reihen und Lernintervallen und notierte sich, wie schnell er lernte und wieder vergaß.
Die Versuche ergaben, dass er sich an sinnvolle Texte – Gedichte z. B. – zehnmal leichter erinnern konnte als an sinnlose Silben. Dennoch galt: Je öfter er die Silbenreihen wiederholte, umso schneller konnte er das Gelernte richtig wiedergeben. Die ersten Durchgänge erwiesen sich als die effektivsten.
Als Ebbinghaus überprüfte, wie viel, wie schnell und was er vergessen hatte, stellte er fest, dass er die Silbenreihen, mit denen er sich am längsten beschäftigt hatte, langsamer vergaß als andere. Und er konnte sich unmittelbar nach dem Auswendiglernen am besten an sie erinnern. Doch wie viel von dem Gelernten blieb auf Dauer im Gedächtnis haften? Ebbinghaus stellte fest, dass wir innerhalb der ersten Stunde nach einer Lerneinheit am meisten und in den Stunden darauf immer weniger vergessen. Nach neun Stunden sind ungefähr 60 Prozent, nach 24 Stunden etwa zwei Drittel des Gelernten »weg«. In eine Grafik überführt, ergibt sich daraus eine »Vergessenskurve«, die zunächst steil abfällt und dann flach ausläuft.
Lernstoff haftet länger im Gedächtnis und kann leichter reproduziert werden, wenn wir ihn uns zusätzlich auf akustischem Weg aneignen, stellte Hermann Ebbinghaus fest.
Ebbinghaus erschloss so ein ganz neues Forschungsfeld und trug dazu bei, die Psychologie als Naturwissenschaft zu etablieren. Seine methodische Akribie setzt bis heute den Maßstab für psychologische Experimente.
Hermann Ebbinghaus
Hermann Ebbinghaus wurde in Barmen als Sohn eines protestantischen Unternehmers geboren. Im Alter von 17 Jahren begann er in Bonn Philosophie zu studieren. 1873 beendete er sein Studium und zog nach Berlin. Er unternahm Reisen nach Frankreich und England, wo er sich 1879 der Erforschung seines eigenen Gedächtnisses zuwandte.
1885 veröffentlichte er seine Habilitationsschrift Über das Gedächtnis und wurde noch im selben Jahr Professor an der Universität Berlin. Dort baute er zwei psychologische Labore auf und gründete mit Arthur König zusammen die Zeitschrift für Psychologie und Physiologie. Im Jahr 1894 folgte Ebbinghaus dann dem Ruf an die Universität Breslau. Schließlich siedelte er nach Halle über. Dort lehrte er, bis er im Februar 1909 im Alter von 59 Jahren an einer Lungenentzündung starb.
Hauptwerke
1885 Über das Gedächtnis
1897–1908 Grundzüge der Psychologie (2 Bde.)
1908 Abriss der Psychologie
DIE INTELLIGENZ EINES INDIVIDUUMS IST KEINE FIXE GRÖSSE
ALFRED BINET (1857–1911)
IM KONTEXT
ANSATZ
Intelligenztheorie
FRÜHER
1859 Der englische Naturforscher Charles Darwin schreibt in Über die Entstehung der Arten, Intelligenz vererbe sich.
1890 Der US-Psychologe James McKeen Cattell entwickelt Tests, mit denen sich individuelle Unterschiede im Hinblick auf geistige Fähigkeiten messen lassen.
SPÄTER
1920er-Jahre Der englische pädagogische Psychologe Cyril Burt behauptet, Intelligenz sei hauptsächlich eine Frage der Gene.
1940er-Jahre Der englische Psychologe Raymond Cattell definiert zwei Arten von Intelligenz: die fluide (angeborene) und die kristalline (durch Erfahrung erworbene).
Mit der Veröffentlichung von Charles Darwins Werk On the Origin of Species (1859, Über die Entstehung der Arten) begann die Diskussion darüber, ob Intelligenz genetisch festgelegt sei oder sich durch äußere Einwirkungen verändern lasse. Darwins Cousin Francis Galton untersuchte Anfang der 1880er- Jahre etwa 9000 Londoner auf ihre kognitiven Fähigkeiten. Er kam zu dem Schluss, dass wir Menschen mit einer Basisintelligenz geboren werden, die eine fixe Größe darstellt. Etwa zur selben Zeit entwickelte Wilhelm Wundt das Konzept eines »Intelligenzquotienten« (IQ) und versuchte, diesen zu messen. Wundts Arbeit bildete die Grundlage für Alfred Binets Forschungen über die menschliche Intelligenz.