„Und es sollen,“ heißt es, „ihn anbeten alle Engel Gottes.“ Da er etwas Großes und Erhabenes sagen will, schickt er eine Einleitung voraus und macht die Sache dadurch annehmbar, daß er den Sohn durch den Vater einführen läßt. Nun merke auf! Oben sagte er, daß er nicht durch Propheten zu uns geredet habe, sondern durch den Sohn; er zeigte, daß der Sohn größer sei als die Engel, und beweist Dieß aus seinem Namen und indem er sagt, daß der Vater den Sohn eingeführt habe. Hier bringt er noch einen andern Beweisgrund. Welchen? Die Anbetung. Er zeigt, daß diese eine solche Erhabenheit verleihe, wie sie der Herr vor dem Knechte besitzt. Gerade so, wie wenn Einer Jemanden in einen Königspalast einführen und Alle, die dort ein Amt haben, sogleich auffordern würde, demselben zu huldigen, macht es Paulus auch hier, indem er von der Menschheit spricht, wenn er sagt, daß er in die Welt eingeführt werde, und die Worte beifügt: „Es sollen ihn anbeten alle Engel Gottes.“ Also nur die Engel und nicht auch die anderen Mächte? Keineswegs; denn höre, was folgt: „Und in Hinsicht auf die Engel sagt er zwar: Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen; - aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig.“
Siehe, welch’ ein sehr großer Unterschied! Denn Jene sind erschaffen, Dieser aber ist unerschaffen. Und warum hat er in Bezug auf die Engel gesprochen: „welcher macht,“ in Bezug auf den Sohn aber den Ausdruck: „welcher macht“ nicht gebraucht? Und doch hätte er auf diese Weise den Unterschied angeben können. In Hinsicht auf die Engel sagt er zwar: „Er macht seine Engel zu Winden;“ aber in Bezug auf den Sohn spricht er: „Der Herr hat mich erschaffen;“ und wieder: „Ihn, den Herrn und Christus hat Gott erschaffen.“ Aber weder Jenes ist über Christus, den Herrn und Sohn, noch Dieses über Gott das Wort gesagt worden, sondern über den Menschgewordenen; denn wo er den wahren Unterschied angeben will, da nennt er nicht nur die Engel, sondern alle die himmlischen Mächte, welche Gott dienen. Siehst du, auf welche Weise und wie deutlich er die Geschöpfe und den Schöpfer, die Diener und den Herrn, den Erben sowie den wirklichen Sohn und die Knechte unterscheidet? „Aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig!“ Siehe da ein Zeichen königlicher Herrschaft. „Ein Scepter der Gerechtigkeit ist der Scepter deines Reiches.“ Siehe da ein anderes Zeichen des Königthumes! Dann spricht er wieder von ihm in Bezug auf die Menschheit:
9. „Du hast die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, darum hat dich Gott, dein Gott gesalbt.“
Was heißt Das: „dein Gott“? Nachdem er nämlich Erhabenes gesprochen, mildert er’s wieder. Hier hat er die Juden, die Anhänger des Paulus von Samosata, die Arianer, den Marcellus, den Sabellius und Marcion getroffen. Wie denn? Die Juden, indem er ihn doppeltwesenhaft, als Gott und Menschen darstellt; die Anhänger des Paulus, nämlich des von Samosata, indem er hier von seinem ewigen Dasein und seiner unerschaffenen Wesenheit spricht. Denn als Gegensatz zu dem: „Er hat ihn erschaffen“ setzt er die Worte: „Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig.“ Gegen die Arianer gilt wieder Dasselbe, und weil er nicht Diener noch Geschöpf ist; wär’ er Geschöpf, so wär’ er auch Diener. Gegen den Marcellus und die Andern sprechen die Worte, welche eine wesentliche Trennung dieser zwei Personen aussprechen. Gegen die Marcionisten, weil nicht die Gottheit, sondern die Menschheit gesalbt wird. Weiter sagt er: „mehr als deine Genossen.“ Welche sollten diese Genossen wohl sein, wenn nicht die Menschen? Das heißt: „Christus hat den Geist nicht nach dem Maaße empfangen.“31
II.
Siehst du, wie er fortwährend mit der Rede über die unerschaffene Natur auch die über die Menschwerdung verbindet? Was ist klarer als Dieses? Siehst du, daß Geschöpfe und Sohn verschieden sind? Sonst würde er nicht so unterscheiden und dem Ausdruck: „Er hat geschaffen“ die Worte: „Aber zum Sohne spricht er: Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig“ so scharf entgegengesetzt haben; noch würde er den Namen „Sohn“ einen bevorzugten nennen, würden die beiden Ausdrücke Dasselbe bezeichnen. Welcher Unterschied würde dann sein? Denn wenn die Geschöpfe, die in’s Dasein gerufen wurden, und der Sohn nicht unterschieden wären, wo bestände der Vorzug? Beachte wiederum, wie vor dem Worte „Gott“ der Artikel (ὁ Θεός)32 steht! Ferner heißt es:
10.11.12. Du hast im Anfang, o Herr, die Erde gegründet, und die Werke deiner Hände sind die Himmel. Sie werden vergehen, du aber wirst bleiben, und alle werden wie ein Kleid veralten, und wie ein Gewand wirst du sie verändern, und sie werden sich verändern; du aber bist Derselbe und deine Jahre werden nicht aufhören.
Damit du nicht wähnest, da du die Worte vernimmst: „Wenn er den Erstgebornen in die Welt einführt,“ Dieß sei ihm als ein nachträgliches Geschenk noch dazu verliehen worden, so hat er schon oben eine Berichtigung gegeben und thut Dieß hier nochmals mit den Worten: „Im Anfange,“ - nicht jetzt, sondern früher. Siehe, wie er wieder den Paulus von Samosata mit vernichtendem Schlage trifft, indem er, was in Bezug auf den Vater stattfindet, auch dem Sohne zuschreibt. Hierauf kommt er so beiläufig auf etwas Anderes zu sprechen, was ebenfalls von großer Wichtigkeit ist; er weist hin auf die Umgestaltung der Welt, indem er sagt: „Wie ein Kleid werden sie veralten, und wie ein Gewand wirst du sie wenden, und sie werden sich verändern.“ Dasselbe schreibt er auch im Briefe an die Römer, daß Gott nämlich die Welt umgestalten werde. Und um zu zeigen, daß Dieß leicht geschehe, fügt er hinzu: „Du wirst sie wenden.“ Denn wie Jemand ein Kleid wendet, so wird er die Welt wenden und verändern. Wenn er aber der Schöpfung so leicht eine bessere und vollkommenere Umgestaltung zu geben vermag, sollte er dann zur Erschaffung, die doch weniger ist, eines Anderen bedurft haben? Wie lange schämt ihr euch nicht? Zugleich finden wir aber den größten Trost in dem Bewußtsein, daß die Dinge in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht verbleiben, sonden daß alle eine Umwandlung erfahren, alle sich ändern werden: er aber lebt immer, lebt ewig. „Und deine Jahre,“ heißt es, „werden nicht aufhören.“
13. Und zu welchem Engel hat er je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße gelegt habe?
Siehe, wie er ihren Muth neu belebt durch die Aussicht, daß ihre Feinde unterliegen werden, und ihre Feinde sind eben auch die Feinde Christi. Das ist ein Zeichen der Herrschaft und der gleichen Ehre; Das beweist Auszeichnung und keineswegs Unvermögen; daß der Vater über Das erzürnt, was gegen den Sohn geschehen, das ist ein Ausdruck großer Liebe, wie sie ein wirklicher Vater zu seinem Sohne hat: denn wer wegen Jemanden in Zorn gerät, wie kann er einem Solchen abgeneigt sein? „Bis ich deine Feinde gelegt habe.“ So heißt es auch im zweiten Psalm: „er im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer. Dann redet er zu ihnen in seinem Zorn und verwirrt sie in seinem Grimme.“33 Und wieder sagt er selbst: „Die, so nicht wollten, daß ich über sie herrsche, bringet herbei und ermordet sie vor mir!“34 Daß es aber seine Worte sind, vernimm aus einer andern Stelle; er spricht: „Wie oft wollte ich deine Kinder versammeln, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird euch wüste gelassen;“35 und wieder: „Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben werden, das die Früchte desselben hervorbringt;“ ferner: „Und wer auf diesen Stein fällt, den wird er zermalmen.“36 Übrigens wird Der, welcher sie dort richten wird, um so mehr hier ihnen vergelten, wie sie es ob ihrer Bosheit