Homilien über den Brief an die Hebräer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660178
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den Namen der Wesenheit selbst nirgends gefunden! Denn weder der Name „Majestät“ noch die Bezeichnung „Herrlichkeit“ können ausdrücken, was er sagen will; den (eigentlichen) Namen findet er nicht. Denn Das ist es ja, was ich Anfangs gesagt, daß wir nämlich oft Etwas erkennen, wofür uns die Bezeichnung abgeht. Denn weder ist der Ausdruck Gott der Name seiner Wesenheit, noch ist überhaupt für diese Wesenheit ein Name zu finden. Und was Wunder, daß Dieses bei Gott der Fall ist, da wohl schwerlich Jemand einen Namen zu finden vermöchte, der geeignet wäre, das Wesen eines Engels zu erklären, vielleicht nicht einmal das Wesen einer Seele (ψυχή); denn dieser Ausdruck scheint mir nicht passend, um das Wesen darzustellen, sondern das Athmen (ψύχειν) zu bezeichnen; denn für Seele findet man ja auch die Bezeichnungen Herz und Sinn gebraucht. „Schaffe, o Gott, ein reines Herz in mir!“ heißt es.16 Aber nicht allein Das; man findet auch an vielen Stellen die Seele Geist genannt. „Welcher Alles durch das Wort seiner Kraft trägt.“ Siehst du, was er sagt?

       III.

      Wie kannst du nun, sage mir, Häretiker, die Behauptung aufstellen, daß nach den Worten der Schrift: „Gott sprach: Es werde Licht!“ der Vater befohlen, der Sohn den Befehl ausgeführt habe? Sieh’ aber, auch hier wirkte er durch das Wort! - „Welcher,“ heißt es, „Alles trägt,“ d. h. Alles regiert und es vor dem Verfalle bewahrt; denn nicht geringer ist die Erhaltung der Welt als die Erschaffung, ja um noch Erstaunlicheres zu sagen, sie ist noch mehr. Denn erschaffen heißt aus Nichts Etwas in’s Dasein rufen; das Gewordene (die Geschöpfe) aber vor dem Zerfalle bewahren und zusammenhalten und das Widerstrebende harmonisch mit einander verbinden. Das ist groß und wunderbar und das Zeichen einer gewaltigen Macht. Um aber die Leichtigkeit anzudeuten, sagt er nicht: „welcher regiert,“ sondern: „welcher trägt,“ nach Ähnlichkeit Derer, welche Etwas einfach mit dem Finger bewegen und machen, daß es sich dreht. Hier zeigt er auch, daß der Umfang der Schöpfung groß, und daß das Große ihm Nichts sei. Ferner zeigt er in dem Ausdruck: „durch das Wort seiner Macht“, daß Alles ohne Mühe geschehe. Schön sagt er: „durch das Wort;“ denn da das Wort bei uns schwach zu sein scheint, zeigt er, daß Dieß bei Gott nicht so der Fall sei. Aber er sagt, daß er durch das Wort trage; wie er aber durch das Wort trage, fügt er nicht bei; denn Das ist unmöglich zu wissen. Darnach spricht er von der Majestät. So macht es auch Johannes; denn nachdem er gesagt, daß er Gott sei, fügt er hinzu, er sei der Schöpfer der Welt; denn was Jener in den Worten andeutet: „Im Anfang war das Wort“ und: „Alles ist durch ihn gemacht worden,“17 Das zeigt Dieser in den Worten: „Durch den er auch die Welt schuf;“ denn er zeigt, daß er sowohl Weltschöpfer, als auch vor allen Zeiten da war. Wie nun, wenn der Prophet vom Vater spricht: „Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du,“18 kann dann vom Sohne gesagt werden, daß er vor allen Zeiten da sei und das All erschaffen habe? Mehr noch: Was vom Vater gesagt wurde, der vor aller Zeit da ist, sollte man Das auch vom Sohne gesagt finden? Und wie Jener (Johannes) sagt: „Er war das Leben,“ um anzudeuten, daß er die Schöpfung erhält, weil er selbst das Leben von Allem ist, so sagt auch Dieser: „Welcher Alles trägt durch das Wort seiner Macht,“ im Gegensatz zu den Heiden, welche, sofern es auf sie ankommt, ihm die Erschaffung der Dinge und die Fürsehung absprechen und seine Macht bis zum Mond hin beschränken. - „Nachdem er uns von Sünden gereiniget hat.“ Nachdem er über jene bewunderungswürdigen großen Wahrheiten, die so erhaben sind, gesprochen, redet er auch über seine Fürsorge um die Menschen. Jene Worte: „Welcher Alles trägt“ haben auch einen weitumfassenden Inhalt, aber diese besagen viel mehr; auch sie haben den Sinn der Allgemeinheit, denn seinerseits hat er Alle erlöst. Dasselbe zeigt auch Johannes. Nachdem er durch die Worte: „Er war das Leben“ seine Fürsehung klar gemacht hatte, sagt er wieder: „Und er war das Licht,“ wodurch er Dasselbe klarmacht. „Nachdem er uns,“ sagt er, „durch sich selbst19 von Sünden gereiniget hat, sitzt er zur Rechten der Majestät in der Höhe.“ Hier gibt er zwei sehr wichtige Zeugnisse seiner Fürsorge an: daß er uns von Sünden gereiniget hat, und daß er Dieß durch sich selber gethan. Und an vielen Stellen findet man ihn es rühmend hervorheben, daß wir nicht nur mit Gott ausgesöhnt wurden, sondern auch, daß Dieß durch den Sohn geschah; denn das ohnehin so große Geschenk habe dadurch einen um so größeren Werth, weil es durch den Sohn zu Theil ward. Denn nach den Worten: „Er sitzet zur Rechten“ und: „Nachdem er uns durch sich selbst von Sünden gereiniget hat,“ wodurch er an das Kreuz erinnerte, lenkt er die Rede gleich auf die Auferstehung und die Himmelfahrt. Betrachte aber seine unaussprechliche Klugheit. Er sagt nicht: „Es wurde ihm zu sitzen befohlen,“ sondern: „Er sitzt. Dann wieder, damit du nicht wähnest, er stehe, fügt er bei: „Denn zu welchem der Engel hat er je gesagt: Setze dich zu meiner Rechten?“20 „Er sitzet,“ sagt er, „zur Rechten der Majestät in der Höhe.“ Was heißt Das: „in der Höhe“? Beschränkt er Gott auf einen Ort? Mit nichten. Eine solche Meinung hat er in uns durch diese Sprache keineswegs erwecken wollen, sondern wie er durch die Worte: „zur Rechten“ ihm nicht eine Haltung gegeben, sondern gezeigt hat, daß er gleiche Ehre wie der Vater genieße, so hat er auch, indem er sich des Ausdruckes: „in der Höhe“ bediente, ihn nicht dort eingeschlossen, sondern erklärt, daß er über Alles erhaben sei und Alles übertreffe, als ob er sagte: Selbst auf den väterlichen Thron ist er gekommen. Wie also der Vater in der Höhe ist, so auch er; denn der Sitz zeigt nichts Anderes an als die gleiche Ehre. Wenn sie aber sagen, er habe gesprochen: „sitze“, so fragen wir sie, was nun? Hat er denn zu ihm so gesprochen, da er stand? Das werden sie nicht nachweisen können. Übrigens heißt es nicht, daß er befohlen oder beauftragt, sondern daß er gesprochen habe: „sitze“, und Dieß aus keinem anderen Grund, als damit du nicht glaubest, er habe keinen Daseinsursprung und keinen Daseinsgrund. Daß er deßhalb so gesprochen, ist klar aus dem Orte des Sitzens. Denn hätte er sagen wollen, er sei geringer, so würde er nicht gesprochen haben: „zur Rechten“, sondern: „zur Linken“.

       4. Der um soviel besser als die Engel geworden, je vorzüglicher der Name ist, den er vor ihnen ererbt hat.

      Der Ausdruck „geworden“ steht hier, wie man sich etwa ausdrücken könnte, für „erklärt“;21 dann erhärtet er Das. Woher? Vom Namen. Siehst du, daß der Name Sohn die wahre Abstammung zu bezeichnen sich eignet? Und fürwahr, wenn er nicht wirklicher Sohn wäre, würde er nicht so gesprochen haben. Warum? Weil er durch nichts Anderes wirklicher Sohn ist, als weil er aus ihm sein Dasein hat. Daher nimmt er also den Beweis. Denn wäre er Sohn nur aus Gnade, so wäre er nicht nur nicht vorzüglicher, sondern noch geringer als die Engel. Wie so? Weil auch gerechte Männer „Söhne“ genannt wurden, und der Name „Sohn“, wenn er nicht wirklicher Sohn ist, keinen Vorzug zu bezeichnen vermag. Und indem er darthut, daß zwischen den Geschöpfen und dem Schöpfer ein Unterschied sei, höre, was er sagt:

      **5. Denn zu welchem der Engel hat er je gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt? Und wiederum: Ich werde ihm Vater, und er wird mir Sohn sein.

      Dieß ist auch in Bezug auf seine Menschheit gesagt; denn die Worte: „Ich werde ihm Vater, und er wird mir Sohn sein,“ bezeichnen treffend die Menschwerdung; die Worte aber: „Mein Sohn bist du“ besagen nichts Anderes, als daß er aus ihm das Dasein hat. Wie aber das Wort „sein“ sehr passend von der Gegenwart gebraucht wird, so scheint mir auch der Ausdruck „heute“ in Bezug auf die Menschheit gesprochen zu sein. Denn wenn er darauf zu reden kommt, bespricht er Alles ohne Ängstlichkeit; es nimmt ja auch die Menschheit an der Erhabenheit Theil wie die Gottheit an der Niedrigkeit; denn Gott hat es nicht verschmäht, Mensch zu werden; und hat er die Sache nicht ausgeschlagen, wie sollte er denn die Worte verschmähen?

       IV.

      Da wir Das wissen, wollen wir in Nichts uns schämen und nicht hochmüthig sein. Denn wenn er selbst, der da Gott und Herr und Gottes Sohn ist, es nicht verschmäht hat, Knechtesgestalt anzunehmen, sollen wir um so mehr Alles gerne thun, und sei es auch noch so gering. Denn woher, sprich, o Mensch, fassest du stolze Gedanken? Aus dem irdischen?