Anfangs schien es gut zu laufen. Der Chirurg, der die Operation durchgeführt hatte, hatte uns noch nicht informiert, aber im Aufwachraum redete Beau ganz normal und schien guter Dinge. Mom, Dad und ich waren bei ihm, man hatte uns mit OP-Kitteln und Hauben ausgestattet. Ich blieb im Zimmer, als meine Eltern in einen Tagungsraum in der Nähe geführt wurden, im ganzen Krankenhaus waren die Geheimdienstbeamten postiert, die zu ihrem Schutz abgestellt waren.
Da ich im vergangenen Jahr in so vielen Krankenhauszimmern mit Beau gesessen hatte, bemerkte ich ein blinkendes Licht auf einem Monitor und wusste, dass es nichts Gutes bedeutete. Ich weiß nicht mehr, welchen Wert das Gerät anzeigte, aber ich erinnere mich, dass er zu hoch war. Der Arzt bemerkte es in dem Augenblick, als er ins Zimmer trat. Er sah mich erschrocken an, wurde rot und gab mir ein Zeichen, ihm nach draußen zu folgen.
Auf dem Flur erklärte er, dass er besorgt sei. Die Operation war technisch sehr anspruchsvoll gewesen, im Prinzip musste er eine Nadel von der Schädelbasis durch das ganze Gehirn fädeln, um den Wirkstoff in den Tumor zu injizieren. Jede Abweichung auf dem Weg durch das Gewebe konnte wichtige Teile des Gehirns beschädigen. Er befürchtete, so drückte er es aus, dass »ich irgendwas angeschnitten habe, was ich nicht hätte berühren dürfen«. Er wollte sich mit seinen Kollegen die Auswertungen ansehen und eilte davon.
Während wir auf seine Rückkehr warteten, fragte Beau immer wieder, ob etwas nicht stimme. Ich sagte ihm, es sei nichts, der Arzt würde gleich wiederkommen.
Fünf Minuten vergingen. Dann zehn Minuten. Dann eine halbe Stunde – zumindest schien sich für uns beide, die wir in diesem weißen desinfizierten Raum warteten, die Wartezeit so lange zu dehnen. Ich wollte Beau nicht allein lassen, doch schließlich trat ich auf den Flur hinaus und rief Dad an. Voller Panik sagte ich ihm, dass ich glaubte, es sei etwas komplett schiefgegangen, dass der Arzt verschwunden sei, das sei alles nicht gut. Dad kicherte: Der Arzt stand direkt neben ihm. Das Protokoll des Vizepräsidenten – nach dem mein Vater über Angelegenheiten, die ihn direkt betrafen, vor allen anderen informiert wurde – wurde auch in solchen Situationen eingehalten, manchmal, wie jetzt, ließ es mich im Ungewissen. Der Arzt hatte meinen Eltern gerade die Situation erklärt, er hatte gesagt, dass so weit alles in Ordnung sei.
Es blieb aber nicht lange in Ordnung.
Ein paar Tage später wurde Beau nach Delaware zurückgeflogen, einen Abend konnte er mit Hallie und den Kindern im eigenen Haus genießen. Am nächsten Tag rief mich Hallie panisch in Washington an, sie sagte, Beau sei nicht ansprechbar. Ich fuhr nach Wilmington und ging gleich hinauf ins Schlafzimmer, wo er den ganzen Tag lang auf niemanden reagiert hatte.
Beau wirkte gequält, er schien nicht ganz da zu sein. Als ich hereinkam, sagte er kaum Hallo. Ich gab ihm einen Kuss und fragte, was los sei. Er hob nur ganz leicht die Hand, schüttelte ein wenig den Kopf und krächzte: »Ich weiß nicht.« Ich sagte ihm, er solle aufstehen, aber er weigerte sich. »Steh auf«, sagte ich. »Es ist wunderschön draußen. Komm, wir setzen uns auf die Veranda.«
Er brauchte eine Ewigkeit, um aus dem Bett zu kommen. Er konnte sich kaum bewegen – er hatte eindeutig Schmerzen, und er fürchtete sich, weil die Motorik seiner Arme stark eingeschränkt war. Wir gingen vorsichtig die Treppe hinunter, ich stützte ihn eher wie einen jungen Sohn als wie einen größeren Bruder, ich schob ihn an unseren Eltern vorbei zu einer Doppeltür, die auf die vordere Veranda führte, mit Blick auf einen Teich. Wir setzten uns an der geöffneten Tür auf zwei Sessel, nur wie beide.
Ich sagte nicht viel, nur dass ich glaubte, es werde schon wieder, die Ärzte hätten genau das vorausgesagt, das Virus, das sie gespritzt hätten, würde in seinem Gehirn einen Feuersturm auslösen, bevor es wirkte und die weißen Blutkörperchen den Tumor angreifen würden. Ich erklärte ihm, es sei nur vorübergehend, dass er diese schwierige Phase jetzt überstehen müsse, dann würde es bergauf gehen. Er nickte, wiederum nur ganz leicht. Ich spürte, dass er mir genau zuhörte und dass er all das glauben wollte, was ich ihm sagte.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, bis das nächste Wort fiel. Irgendwann schien Beau auf die neue Uhr zu zeigen, die ich trug. Ich brauchte eine Weile, dann glaubte ich zu verstehen, was er wollte. Einmal, mit etwa fünfzehn Jahren, schlich sich Beau vor einem Schulball heimlich in Dads begehbaren Kleiderschrank, wo in der obersten Schublade eine Art Schatzkästchen lag. Er fand dort Manschettenknöpfe aus Edelstahl und eine Omega-Uhr mit Lederarmband aus den sechziger Jahren, von der er glaubte, dass Dad sie von Mommy geschenkt bekommen hatte. Mommy nannten wir bis ins Erwachsenenleben hinein unsere leibliche Mutter Neilia, während Jill, unsere Stiefmutter, Mom war.
Er fand diese Uhr so cool. Er nahm sie, ohne Dad zu fragen, und trug sie am Abend zum Ball. Er wollte sie später in das Kästchen zurücklegen, aber irgendwie verlor er die Uhr beim Tanzen, was er sich niemals verzieh. Er beichtete es Dad nicht, und Dad bemerkte es lange Zeit auch gar nicht. Ich hatte die Geschichte völlig vergessen. Aber Beau erinnerte sich jetzt daran. Er hatte noch immer Schuldgefühle, weil er diese Uhr verloren hatte.
Jahrzehnte später, als wir bei einem dieser endlosen Krankenhaustermine zusammensaßen, begann Beau, nach einer Armbanduhr zu fahnden, die sie ersetzen könnte. Die Suche nach diesem Modell wurde in den folgenden Monaten, in denen wir so viel Zeit mit Warten verbrachten, zu einer Obsession. Er stöberte im Internet, wenn wir im Krankenhaus auf Untersuchungen und Scans warteten oder im Terminal auf unseren Flug. Schließlich suchten wir beide – ohne Erfolg. Wir starrten auf unsere Handys, scrollten uns durch Tausende von Fotos. So konnten wir uns die Zeit vertreiben und auf etwas völlig anderes konzentrieren. Ich wusste nicht einmal mehr, wie das verdammte Ding ausgesehen hatte. Beau allerdings schon, er hatte es noch genau vor Augen.
Jetzt schien er auf die Uhr an meinem Handgelenk zu zeigen. Es war eine Omega Seamaster mit einem Metallarmband. Ich hatte sie einmal für Beau gekauft, wusste aber, dass er sie nicht tragen würde. Jetzt schien er sich zu fragen, warum ich sie gekauft hatte – denn es war ja nicht das Modell, nach dem wir gesucht hatten. Ich lachte. Es tat so gut zu sehen, dass Beaus Gehirn immerhin so weit funktionierte, dass er eine solch beiläufige Bemerkung machen konnte, die mit den Schmerzen und seinem Zustand nichts zu tun hatte.
Wir blieben lange dort sitzen, ernsthaft und still. Wir betrachteten die Landschaft, die sich vor uns ausbreitete – das Grün und Gold des Brandywine Valley in seiner ganzen frischen Frühlingspracht, der gläsern wirkende Teich, die gigantische Roteiche, die als die älteste im ganzen Bundesstaat gilt.
Schließlich sah Beau mich an.
»Nicht die Uhr«, flüsterte er kaum hörbar. Er hatte gar nicht auf meine Omega gezeigt, sondern auf das vor uns liegende Panorama, aber es war ihm nicht gelungen, seine Hand weit genug zu heben.
»Schöne Dinge«, sagte er jetzt und nickte in Richtung Tal. »Wunderschön …«
Es waren die letzten Worte, die mir mein Bruder schenkte.
Ich brachte ihn wieder hinauf, steckte ihn ins Bett, richtete seine Kissen und gab ihm einen Kuss. Ich sagte, dass ich am Morgen wieder da sein würde.
Doch dazu kam es nicht. Ich erhielt vorher einen Anruf. Beau war aufgewühlt und unter großen Schmerzen mit dem Krankenwagen ins Thomas-Jefferson-Krankenhaus in Philadelphia gebracht worden, wo der Mann meiner Schwester Ashley, Howard Krein, als Chirurg arbeitet. Beaus Zustand verschlechterte sich zwar nicht deutlich, er wurde aber auch nicht besser. Einige Tage später wurde Beau ins Walter-Reed-Militärkrankenhaus überführt, man hatte uns Hoffnung gemacht, dass es ihm mit verschiedenen Reha-Maßnahmen etwas besser gehen würde.
Als ich dort in sein Zimmer kam, war ihm das Leiden deutlich anzusehen. Er hielt sich den Bauch, sprach nicht, litt heftigste Schmerzen. Es dauerte unendlich lang, bis die Pfleger kamen und ihm halfen. Wegen einer Darmperforation hatte er einen septischen Schock erlitten und musste notoperiert werden. Kurz darauf wurde er in die neurologische Intensivstation verlegt, wo die Ärzte schließlich beschlossen, ihn zu intubieren.
Seit unserer gemeinsamen Zeit in Houston war erst etwas mehr als ein Monat vergangen, doch es schien eine Ewigkeit her zu sein. Ich setzte mich auf den