Seewölfe Paket 30. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966881043
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Sie kümmerten sich nicht darum. Sie dachten nur an eins – an die Karavelle und das, was sich in ihrem Rumpf befinden mochte.

      Kapitän Burl Ives hatte unterdessen das Achterkastell seines Schiffes erreicht. Unter großen Schwierigkeiten gelang es ihm, das Schott zu öffnen. Er schlüpfte ins Innere und arbeitete sich durch den Mittelgang zu den Kammern. Trotz des Sturmgeheuls vernahm er jetzt ein leises Wimmern.

      Die Kammer, in der das Wimmern erklang, war wie eine Gefängniszelle verrammelt. Die Wände hatten sich verzogen, das Schott war wie zugenagelt.

      Ives wandte sich seiner Kapitänskammer zu. Hier sah es aus, als hätten Verrückte gehaust – alles drunter und drüber. Dennoch fand Ives nach einiger Suche ein Werkzeug. Er kehrte damit zu der Kammer zurück und brach das Schott auf.

      Stockfinster war es im Inneren. Ives tastete sich zu den Kojen vor. Plötzlich berührte er einen weichen, warmen Körper.

      „Ich bin’s, der Kapitän“, sagte er. „Erschrecken Sie nicht, Miß Farah.“

      Das Mädchen schluchzte auf und klammerte sich an ihm fest. „Allmächtiger, was ist geschehen? Wo sind wir?“

      Ives setzte ihr auseinander, was sich zugetragen hatte.

      „Wir sind jetzt in Sicherheit“, erklärte er. „Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.“

      „Dad“, sagte sie mit bebender Stimme. „Wo bist du?“

      Ives suchte nach dem Vater des Mädchens und fand den Mann. Harold Acton lag zwischen den Trümmern seiner Koje. Ein Deckenbalken hatte sich gelöst und war auf das Nachtlager gestürzt, in dem der Mann sich festgebunden hatte, um in dem rollenden Schiff nicht ständig hin und her geworfen zu werden.

      Ives kehrte zu dem Mädchen zurück.

      „Sie müssen jetzt ganz tapfer sein, Miß Farah“, sagte er.

      „Er ist tot, nicht wahr?“

      „Ja.“

      Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte klagend. Dem Kapitän zerriß es fast das Herz. Er wußte nicht, was er tun sollte. Während der Reise hatte er die beiden, Vater und Tochter, schätzen gelernt. Für ihn selbst war es ein harter Schlag, daß Harold Acton tot war. Voll Mitleid zog Ives das Mädchen in seine Arme.

      Draußen erklangen plötzlich Schüsse und Schreie.

      „Himmel!“ keuchte das Mädchen. „Was ist jetzt wieder los?“

      „Ich sehe nach“, erwiderte Ives. „Sie rühren sich nicht vom Fleck.“

      Er kroch ins Freie, bewaffnet mit seiner Pistole. Was da draußen, am Strand, seinen Verlauf nahm, konnte er sich sehr gut ausmalen. Küstenhaie, Wegelagerer, Buschteufel – sie lauerten nur auf Beute und fielen jetzt über die Mannschaft her.

      In der Tat, Olivaro und seine Meute hatten die Mannschaft angegriffen. Als erstes brachten die Piraten ihre Musketen und Pistolen zum Einsatz. Einige waren naß geworden und zündeten nicht, aber gut ein Dutzend Waffen krachten und spuckten ihre tödlichen Ladungen aus. Schreiend brachen ein paar Gestalten vor der gestrandeten Karavelle zusammen. Die übrigen griffen zu den Waffen.

      Aber nur die wenigsten Männer der Besatzung hatten Schußwaffen dabei. Außerdem war im Sturm das Pulver naß geworden. Sie hatten nur eine Chance: sich im Nahkampf mit den Blankwaffen zu behaupten.

      Brüllend stürzten sich die Piraten auf die armen Teufel. Olivaros Horde war klar in der Überzahl. Nur kurz war das Handgemenge. Die Säbel klirrten, die Klingen schepperten – und die Köpfe rollten, wie Olivaro prophezeit hatte.

      Burl Ives sprang auf den Strand. Er hob die Pistole und zielte auf Olivaro. Aber die anderen Piraten umzingelten ihn. Guzman war schräg hinter dem Kapitän und hob seinen schweren Schiffshauer, um den Mann zu enthaupten.

      Kapitän Burl Ives ließ die Waffe sinken. Olivaro sah es und grinste voll Hohn und Triumph. Er brauchte nur einen Wink zu geben, und Guzman schlug zu. Doch irgend etwas bremste Olivaro. Er wollte den Mann – offensichtlich handelte es sich um den Kapitän – lebend.

      Vielleicht ist der noch für eine Überraschung gut, dachte der Piratenführer.

      Olivaro blickte zu Guzman.

      „Halt“, sagte er. „Das genügt jetzt.“ Er trat dicht vor Ives hin. „Bist du der Kapitän dieses Schiffes?“

      Ives verstand die spanische Sprache nur in ihren Ansätzen.

      „Ja“, erwiderte er.

      „Wer bist du?“ fragte Olivaro. „Ein Engländer?“

      „Ja.“

      „Gehört dir das Schiff?“

      „Ja.“

      Olivaro lachte dröhnend. „Es gehörte dir. Jetzt ist es unser. Was hast du geladen, Hund von einem Engländer?“

      „Ich verstehe dich nicht“, erwiderte Burl Ives.

      Olivaro versetzte ihm einen Stoß vor die Brust. Ives flog gegen die Bordwand seines Schiffes. Olivaro wiederholte seine Frage in gebrochenem Englisch und brüllte: „Hast du mich jetzt verstanden?“

      „Allerdings“, entgegnete der Kapitän in seiner Muttersprache. „Nun, die Ladung wird dich interessieren. Wir haben Bier und Whisky an Bord und wollten das Zeug in Genua verkaufen.“

      Olivaro war enttäuscht, aber er beherrschte sich. Er hatte sein Mienenspiel bestens in der Gewalt. Gold und Silber hatte er erwartet – aber immerhin, Alkohol war auch nicht schlecht. Zumindest konnte er seine Kerle damit bei Laune halten.

      „He, habt ihr das gehört?“ brüllte er der Bande zu. „Bier und Whisky! Der Kahn ist mit Fässern vollgestopft, bis unter die Ladeluken!“

      Die Kerle johlten und pfiffen. Sie hatten nichts dagegen einzuwenden, sich heute nacht gehörig vollaufen zu lassen. Bier und Whisky, das war ganz nach ihrem Geschmack.

      Burl Ives trat wieder auf den Piratenführer zu. Er hatte einen Entschluß gefaßt. Wenn er nicht sofort handelte, war Farah Acton verraten und verkauft.

      „Ich möchte dir etwas anvertrauen“, sagte er zu Olivaro.

      Olivaro horchte auf. Seine Kerle waren schon dabei, die Karavelle zu entern und die Ladeluken aufzubrechen.

      „Was willst du?“ fuhr er den Engländer barsch an.

      „Es handelt sich um ein Geheimnis. In meiner Kammer ist eine Geldschatulle versteckt.“

      Olivaro stieß einen Pfiff aus. Also doch noch ein Lichtblick!

      „Ich gebe dir die Schatulle freiwillig“, sagte Ives.

      Olivaro sah ihn verschlagen an. „Ich würde sie sowieso finden, wenn ich den Kahn auseinandernehme.“

      „Das bezweifle ich.“

      Olivaro kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Und was bezweckst du Hundesohn mit dieser edlen Geste?“

      „Ich bitte dich um einen Gefallen.“

      „Ich bin ganz Ohr.“

      „Ich habe einen weiblichen Passagier an Bord“, erklärte der Kapitän. „Es handelt sich um meine Tochter. Sie heißt Farah. Sie teilte sich mit meinem Bruder die Kammer. Mein Bruder ist tot. Ich möchte nicht, daß deine Männer über das Mädchen herfallen. Es ist die einzige Bitte, die ich an dich habe. Töte mich, aber verschone sie.“

      Olivaro überlegte. Was hatte dieser Bastard von einem Engländer vor? Wollte er ihn hereinlegen?

      Burl Ives hielt es für richtig, Farah als seine Tochter auszugeben. So hatte er vielleicht doch eher die Gewähr, sie zu retten – wenn dieser Piratenhäuptling ein Fünkchen Anstand und Ehre im Leibe hatte.

      Daß Olivaro zu allem fähig war, sah Ives ihm an. Der Engländer hoffte aber, daß die Gier nach der Schatulle ein Beweggrund