Seewölfe Paket 30. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966881043
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waren verbissen und besorgt. Selbst Carberry, dem Profos, war das Fluchen vergangen. Sie alle wußten, was es hieß, wenn die Schebecke dem Wetter nicht standhielt. Sie würden untergehen mit Mann und Maus. England würden sie nicht wiedersehen.

      Doch Mallorca war nah. Die Arwenacks setzten ihre ganze Hoffnung in die Chance, die Südküste zu erreichen und dort eine einigermaßen geschützte Bucht zu finden. Sie taten alles, den Kurs zu halten. Es war dunkel wie in der finstersten, mondlosen Nacht.

      Nur zu leicht konnte man die Orientierung verlieren. Die Kompaßnadel zitterte, als wolle sie jeden Augenblick zerbrechen. Andere Hilfsmittel gab es nicht. So blieb den Männern nur ihr Instinkt – und der war ausgezeichnet. Sie hatten zuviel Erfahrung und zu viele Jahre auf See verbracht, um sich jetzt von der Richtung abbringen zu lassen.

      Keiner wußte genau, wie spät es war, als der Sturm sie gegen die Südküste der großen Insel warf. Mitternacht oder noch später? Vielleicht war es auch schon zwei Uhr morgens – egal! Wie ein Pfeil schoß der Dreimaster an gefährlichen Felsen vorbei.

      Dan erkannte sie im buchstäblich letzten Moment. Pete Ballie, der Rudergänger, konnte nur noch ganz knapp den Kurs korrigieren. Um ein Haar entging die Schebecke dem drohenden Schicksal, aufzubrummen und zu zerbersten.

      Die Mannen sahen sich untereinander an.

      „Das war knapp!“ schrie Ferris Tucker.

      „Höllisch knapp!“ fügte Old Donegal Daniel O’Flynn hinzu.

      „Kreuzdonnerwetter, aber wir haben die Küste vor uns!“ brüllte der Profos.

      Richtig, die tückischen Riffe kündeten von der Nähe der Küste. Wie eine Barriere waren die Felsen an dieser Stelle dem Land vorgelagert. Sie wirkten als Wellenbrecher. Hinter der Unterwasserfalle wurde das Wasser zusehends ruhiger. Die Fahrt der Schebecke normalisierte sich. Pete Ballie war wieder Herr über das Ruder. Sicher steuerte er den Dreimaster jetzt zwischen den Felsen hindurch, die Dan ihm anzeigte.

      Über dem Zentrum der Insel tobte sich ein Gewitter aus. Blitze zuckten, Donner grollte. So sichteten die Männer der Schebecke die Südküste von Mallorca – ein graues, unförmiges Gebilde, das alles andere als einladend wirkte.

      „Wir haben es geschafft!“ stieß Carberry grollend hervor. „Hölle, wir haben dem Teufel wieder mal ein Ohr abgesegelt!“

      „Ich an deiner Stelle würde nicht zu früh triumphieren!“ rief Old O’Flynn.

      „Ach, hör doch mit deinem Scheiß auf!“ schrie Big Old Shane. „Wenn’s nach deinen Orakeln ginge, wären wir längst abgesoffen – schon im Chinesischen Meer!“

      „Viel hätte ja auch nicht gefehlt“, versetzte der Alte bissig.

      „Beim Henker, halt das Maul, Donegal!“ brüllte der Profos. „Sonst stopfe ich es dir mit zwei Pfund Kabelgarn!“

      Die Männer mußten unwillkürlich lachen. Die Gefahr war gebannt, die Ordnung und das Gleichgewicht waren an Bord wiederhergestellt.

      Der Profos fluchte, Old Donegal lästerte, und auch Mac Pellew hatte wieder die übliche miesgrämige Miene aufgesetzt. Alles in Ordnung – sie brauchten jetzt nur noch eine „passende“ Bucht zu suchen.

      Gegen ein Uhr morgens entdeckten sie eine kleine, von schützenden Hügeln umgebene Bucht. Ohne zu zögern, ließ der Seewolf hier vor Anker gehen. Die Schebecke lag einigermaßen ruhig und schwoite an der Ankertrosse. Der Sturm heulte und jaulte wie ein Heer von Dämonen über die Masten hinweg.

      Hasard zog Bilanz. Verletzt war keiner der Männer. Sie waren erschöpft, aber unversehrt. Jetzt galt es, das Schiff zu untersuchen. Ferris Tucker und Big Old Shane übernahmen diese Aufgabe. Nach einer ausgiebigen Inspektion des Rumpfes kehrten sie auf das Achterdeck zurück, und der rothaarige Riese meldete: „Wir haben drei Lecks, Sir.“

      „Unter der Wasserlinie?“ wollte der Seewolf wissen.

      „Zwei davon.“

      „Kannst du sie abdichten?“

      „Nur notdürftig.“

      „Dann tu das“, sagte Hasard. „Blacky, Pete, Jack, Paddy, Matt und Higgy – ihr geht Ferris zur Hand. Sten und Sam, ihr lenzt das Leckwasser. Morgen früh sehen wir dann weiter. Wenn alles nichts hilft, müssen wir den Kahn aufslippen.“

      „Das wird nicht unbedingt erforderlich sein“, erwiderte Ferris. „Aber wir haben nicht genug Ersatzplanken an Bord. Ich schätze, wir müssen an Land und frisches Holz für Planken und Spieren schlagen.“

      „Das werden wir morgen in aller Ruhe erledigen“, sagte der Seewolf.

      Old O’Flynn beäugte mit wachsendem Mißtrauen die Küste. „Da müssen wir uns aber höllisch vorsehen. Hier gibt es sicherlich Schnapphähne. Mallorca soll von Piraten geradezu verseucht sein, habe ich mal gehört.“

      „Wann? Vor fünfzig Jahren?“ fragte Higgy kichernd, aber der Alte tat so, als hätte er es nicht gehört.

      „Es ist klar, daß wir nur schwer bewaffnet an Land gehen“, sagte Hasard. „Und die Schebecke wird klar zum Gefecht sein, wenn unser Trupp loszieht, um Bäume zu schlagen.“

      Ben richtete den Blick zum Himmel. „Erst mal kann davon keine Rede sein. Der Sturm hat es in sich. Es ist nicht gesagt, daß er morgen schon vorbei ist. Vielleicht müssen wir uns auf eine längere Wartezeit einrichten.“

      „Es bleibt uns nichts anderes übrig“, entgegnete der Seewolf. „Wir haben keine andere Wahl.“

       2.

      Nur etwa acht Meilen westlich von der Ankerbucht der Seewölfe entfernt ereignete sich zur selben Stunde ein schweres Seeunglück. Eine Zwei-Mast-Karavelle, etwa achtzig Tonnen groß, wurde von den brodelnden Fluten genau auf das Ufer gestoßen.

      Wie durch ein Wunder passierte das Schiff unversehrt die Riffe. Einem kranken Tier gleich taumelte der Segler auf den Strand zu. Gellende Schreie ertönten an Bord. Doch das Unheil war nicht mehr zu verhindern. Es krachte und knackte, und die Karavelle lief auf.

      Etwa drei Yards weit schob sich das Schiff durch den Sand, dann krängte es nach Backbord und legte sich quer. Wieder schrie die Besatzung in höchster Not. Eine niedersausende Spiere tötete zwei Männer. Eine Kanone, die sich aus ihrer Vertäuung gelöst hatte, riß einen dritten Mann mit und begrub ihn unter sich.

      Kapitän Burl Ives wurde vom Achterdeck katapultiert. Er überrollte sich im Sand und blieb unversehrt. Stöhnend und fluchend richtete er sich auf und blickte im fauchenden Sturm zu seinem Schiff.

      Die „Samanta“ war nur noch ein Wrack. Die Reise war hier zu Ende. Die Ladung würde nie ihren Bestimmungshafen erreichen.

      Ives rannte zu seinen Männern. Es waren nur noch zehn. Im Sturm waren mehrere außenbords gerissen worden und in den Fluten verschwunden. Jetzt hatte das Auflaufen auch noch Opfer gefordert – insgesamt fünf. Aber Ives wußte, daß er noch froh sein konnte. Um ein Haar wären sie alle erledigt gewesen. Es hatte nicht mehr viel gefehlt, und die „Samanta“ wäre untergegangen.

      Die Passagiere, dachte Burl Ives, mein Gott, die Passagiere!

      Er kletterte zurück an Bord, stieg mühsam über das schräge Deck und versuchte, das Achterkastell zu erreichen. Seine Männer krochen und wankten verwirrt auf und ab.

      Guzman und eine Handvoll Piraten hatten das Geschehen von einem sicheren Platz in den Dünen beobachtet. Grinsend rieben sie sich die Hände. Guzman schickte einen der Kerle zum Dorf. Er sollte Olivaro und die anderen benachrichtigen. Diese gestrandete Karavelle war ein gefundenes Fressen für die Bande von Schnapphähnen.

      Olivaro fackelte nicht lange, als der Bote die Nachricht überbrachte. Er stürmte aus der Hütte und rief seine Kumpane zusammen. Fünf teilte er als Wachen ein, sie blieben in der Siedlung zurück. Alle anderen sollten mit zu der Karavelle. Das Schiff war eine sichere Beute,