Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
Скачать книгу
Antos, bevor sein Lebenslicht endgültig erlosch. „Nimm mich mit ins Meer, laß uns schwimmen – schwimmen …“

      Er brach neben Osman zusammen, der noch verzweifelt trachtete, sich aus dem mörderischen Würgegriff zu befreien. Erfolglos – neben Antos hauchte auch er sein Leben aus, ehe Hasard, der in diesem Moment Melanias Haus betrat, eingreifen konnte.

      Erschüttert blickte der Seewolf auf die Toten, dann drehte er sich wieder zu seinen Männern um

      „Ferris, Shane“, sagte er. „Ed, Dan, Donegal – glaubt ihr, daß es die Kanonen der ‚Isabella‘ sind, die da feuern?“

      „Dem Klang nach nicht“, erwiderte Shane. „Es sind schwere und leichte Geschütze, aber die Culverinen unserer alten Lady singen doch eine andere Melodie.“

      „Mag der Henker wissen, was da los ist“, brummte Carberry. „Was tun wir jetzt, Sir? Ben und die anderen sind bestimmt schon halb verrückt vor Sorge, uns könnte etwas zugestoßen sein.“

      „Ich hoffe, daß die ‚Isabella‘ noch in der Bucht liegt“, sagte der Seewolf. „Dan, lauf bitte sofort zu Blacky, Luke und Gray. Sag ihnen, sie sollen die Frauen der Piraten freilassen. Wie ich die Dorfbewohner einschätze, üben sie an ihnen Justiz, wenn sie sie zu fassen kriegen.“

      „In Ordnung.“

      „Anschließend kehrst du mit Luke zur ‚Isabella‘ zurück und unterrichtest Ben über das, was hier vorgefallen ist. Blacky und Gary sollen zu uns heraufkommen. Wir wollen versuchen, hier einen Baumstamm zu finden, der für den Bau eines neuen Bugspriets geeignet ist. Hinter den Häusern liegt offenbar genug Brennholz herum, vielleicht haben wir Glück und treiben ein Stück auf, das für unsere Zwecke groß genug ist.“

      „Ja, gut. Und was ist, wenn sich Ben in Schwierigkeiten befindet?“

      „Dann läßt du eine Höllenflasche hochgehen.“

      Ferris händigte Dan O’Flynn zwei Flaschenbomben aus, dann verschwand Dan.

      Hasard ging mit Shane, Ferris, dem Profos und Old O’Flynn zu dem Haus hinüber, in dem die Mädchen und jungen Frauen gefangengehalten worden waren.

      „Wir müssen die Insel so schnell wie möglich wieder verlassen“, sagte er. „Die Atmosphäre hier ist zu heiß, viel zu heiß für meine Begriffe. Ihr versteht schon, was ich meine.“

      „Ja“, erwiderte Ferris. „Ein Angriff auf die ‚Isabella‘ könnte bevorstehen. Aber was wird aus den Leuten hier? Selim und dessen Bande könnten noch einmal zurückkehren.“

      Philip junior und Hasard junior erschienen in der Gasse, und nun traten auch zögernd die Frauen aus dem Haus.

      „Dad“, sagte Philip. „Es scheint ein Versteck im Inneren der Insel zu geben. Dorthin haben sich offenbar die anderen Frauen und die Kinder gerettet. Soviel haben wir jedenfalls aus dem herausgehört, was das eine Mädchen uns erzählt hat.“

      „Gut. Das ist die Lösung“, sagte sein Vater. „Wenn die Männer wieder hier sind, sollen sie alle Habseligkeiten zusammentragen und mit den Frauen fortgehen. Sie müssen Pigadia für die nächsten Tage verlassen. Versuche, das dem Mädchen beizubringen.“

      Philip und sein Bruder sprachen auf das Mädchen ein. Sie nickte aufgeregt und begann zu gestikulieren, um zu zeigen, daß sie den Vorschlag für annehmbar hielt.

      Der Kanonendonner verzog sich allmählich in östlicher Richtung und verlor sich bald in der Ferne, ohne daß Hasard und seine Begleiter oder Ben Brighton und die anderen Männer an Bord der „Isabella“ erfahren hatten, was sich unten vor dem südlichen Ufer von Rhodos ereignet hatte.

      Irgend jemand mußte Selims Piraten ins Gehege geraten sein – aber wer? Über diese Frage zerbrach sich Hasard in den folgenden Stunden immer wieder den Kopf.

      Lord Henry hatte die Ghanja leckgeschossen. Sie sank, und die Überlebenden sprangen ins Wasser, um sich auf die Schebecke zu retten. Dobran, der auch schon Verluste zu verzeichnen hatte, zog es unter dem massiven Beschuß der englischen Freibeuter vor, die Flucht zu ergreifen – nach Nordosten, um das Ostufer der Insel herum.

      Selim und der größte Teil seines Landtrupps waren ins Wasser der Bucht gesprungen und entgingen den letzten Schüssen und Messerwürfen der Männer von Pigadia. Sie schwammen zu den Fischerbooten, die unweit der Landzunge dümpelten, kletterten hinein und pullten auf die offene See hinaus, wo sie durch einen glücklichen Zufall mit der Schebecke zusammentrafen und es auch schafften, an Bord zu entern, ehe Lord Henry mit der „Cruel Jane“ gewendet hatte und die Verfolgung aufnahm.

      Jella und die zehn anderen Frauen flohen zum Westufer der Insel Rhodos und fanden eine Höhle, in der sie vorläufig unterschlüpfen konnten. Ihr Aufenthalt auf der Insel sollte jedoch nicht mehr von langer Dauer sein.

      Lord Henry jagte die Schebecke „Grinta“, um sich von den türkischen Piraten die Schätze zu holen, die er an Bord ihres Zweimasters zu finden hoffte.

      Am frühen Morgen, als die Männer und Frauen von Pigadia damit begannen, die Evakuierung ihres Dorfes vorzunehmen, kehrten Hasard, Big Old Shane, Ferris Tucker, Carberry, Blacky, Gary Andrews, Old O’Flynn und die Zwillinge an Bord der „Isabella“ zurück. Ein passendes Stück Pinienholz, aus dem sie einen neuen Bugspriet herstellen konnten, hatten sie gefunden – und das genügte ihnen.

      Sie gingen wieder in See, um weiteren Ärger zu Vermeiden, obgleich Lagios und dessen Freunde sie darum gebeten hatten, ihre Gäste zu sein.

      Als die „Isabella“ ihre Ankerbucht verließ und nach Süden absegelte, blickte Hasard zurück zur Insel.

      „Ich glaube, wir hätten auf Rhodos noch echte Gastfreundschaft kennengelernt“, sagte er. „Aber es ist besser, keine Zeit mehr zu verlieren. Und ich halte es auch für taktvoller, die Leute von Pigadia in ihrer Trauer um die Toten sich selbst zu überlassen.“

      Er ahnte nicht, daß er einer neuen Begegnung mit seinem Todfeind Lord, Henry nur durch eine Laune des Schicksals entgangen war …

image

      1.

      Die Nacht war hereingebrochen und hatte ihren grauschwarzen Schleier über die zerklüftete Felsenlandschaft des Taurus ausgebreitet. Nur selten tauchte der Mond zwischen den vorüberziehenden Wolken auf und warf sein fahles Licht über die wilde, bizarre Landschaft, die sich an der türkischen Südküste, zwischen dem Golf von Antalya und Adana, entlangzog.

      Man schrieb das Jahr des Herrn 1591.

      Schon vor Wochen hatte der Winter damit begonnen, den Spätsommer zu verdrängen. Öfter als sonst waren peitschende Regengüsse niedergegangen, als wollten sie die schroffen Berggipfel freispülen vom Staub der vergangenen Jahrhunderte. Auch jetzt, in der Mitte des Monats Dezember, wehte eine frische Brise aus westlicher Richtung und ließ die wenigen Menschen, die dieses unwirtliche Gebiet bewohnten, frösteln. Trotzdem war das Klima der Wintermonate als mild zu bezeichnen, wie meist in den Küstengegenden des Mittelmeeres.

      Sobocan zuckte unwillkürlich zusammen, als die nächtliche Stille urplötzlich von erregtem Stimmengewirr unterbrochen wurde.

      Zunächst hatte es den Anschein, als würden sich die Männerstimmen nähern, doch niemand erschien an der rohgezimmerten Holztür des Verlieses, in das man ihn – die Hände und Füße mit derben Stricken zusammengebunden – eingesperrt hatte.

      Es war fast völlig dunkel in dem muffig riechenden Gewölbe. Nur der trübe Schein des Mondes fiel hoch oben durch eine winzige Maueröffnung und zeichnete gelbliche Muster auf die verwitterten Steinquadern.

      Der Geruch von Feuchtigkeit überlagerte den Raum, und der junge, etwa fünfundzwanzigjährige Mann mit den dunklen Haaren und dem markanten, sonnengebräunten Gesicht, hatte das Gefühl, für alle Ewigkeiten in eine finstere Grabkammer verbannt worden zu sein.

      Sobocan,