Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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ausnutzend, in den Ort gepirscht. Jetzt richteten sie ihre wenigen Flinten auf die Seewölfe und hoben in der Annahme, die Mörder und Plünderer vor sich zu haben, ihre Knüppel und Messer.

      „Das sind sie“, sagte Lagios. „Auf sie! Schlagen wir sie nieder. Einige von uns werden sterben, aber sie können uns nicht alle töten.“

      Hasard konnte zumindest aus dem Tonfall, mit dem er sprach, heraushören, was ihnen jetzt bevorstand. Er ließ seinen Drehling sinken und hob beide Hände. „Wir sind Freunde, begreift ihr das nicht?“

      „Das ist eine Finte, um uns zu täuschen!“ rief Lagios. „Geht nicht darauf ein!“

      Entschlossen rückte er mit seinen Männern auf die Seewölfe zu.

      „Sir“, sagte Ferris Tucker. „Wir können uns doch nicht einfach abknallen und erstechen lassen. Wir müssen uns wehren.“

      „Warte noch einen Moment“, sagte Hasard. Er hatte gesehen, daß hinter der offenen Tür des Frauengefängnisses eine schwache Bewegung war.

      „He“, raunte Dan O’Flynn ihnen zu. „Der eine Mann hier lebt noch. Ich glaube, er will aufstehen.“

      Auch Lagios und die anderen Männer von Pigadia hatten es bemerkt.

      „Antos!“ rief Lagios. „Komm hierher – zu mir!“

      Antos war wieder bei Bewußtsein. Er hörte die Stimmen, die über ihm waren, sie dröhnten in seinen Ohren wie vorher, als er in der Gasse zusammengesunken war und das Gelächter Poseidons vernommen zu haben glaubte.

      Er verspürte auch die Schmerzen in seinem Gesicht, aber er wußte nicht, daß der Krummsäbel eines Piraten ihn getroffen hatte. Er dachte nur: Die Götter sprechen zu mir, ich bin tot. Ich bin schon immer tot gewesen. Der Styx ist überquert, Hades und Poseidon warten auf ihrem Thron, um mich den Meinen vorzuführen.

      Schwerfällig erhob er sich und wankte an den Häuserfassaden entlang, jedoch nicht in Lagios’ Richtung, sondern an den Seewölfen vorbei zu Melanias Haus. Er orientierte sich an dem Geruch der verglimmenden Holzscheite, die in Melanias Ofen schwelten, und an dem Duft des noch frischen Gebäcks, das sie ihm angeboten und das er kaum angerührt hatte.

      Er betrat Melanias Haus durch die offenstehende Tür. „Melania?“ fragte er leise. „Bist du auch hier – im Reich der Toten?“

      Er konnte nichts erkennen, denn er hatte sein Augenlicht verloren.

      10.

      Die Schüsse, die in der Ankerbucht der Piratenschiffe gefallen waren, hatten Lord Henry dazu veranlaßt, den Kurs zu wechseln und jetzt dorthin zu steuern, wo sich vielleicht der Seewolf aufhalten mochte.

      Als auch oben in den Bergen geschossen wurde, befand sich die „Cruel Jane“ bereits dicht unter Land und rauschte hoch am Wind genau auf die Bucht zu.

      „Das muß er sein“, sagte Henry zu Tim Scoby, Dark Joe, Dalida, Mechmed und den anderen, die ihn auf dem Hauptdeck umringten. „Er hat irgend jemanden angegriffen und ist vermutlich dabei, wieder einmal Beute zu reißen. Ein Teil seiner Crew könnte an Land gegangen sein, um ein Fischerdorf zu überfallen. Aber diese Suppe werden wir ihm gründlich versalzen.“

      „Ich weiß nicht“, wandte Scoby ein. „Glaubst du wirklich, daß er darauf angewiesen ist, sich mit diesen Insulanern anzulegen, die wahrscheinlich nicht mehr besitzen als die Kleidung, die sie tragen?“

      „Er ist ein ausgefuchster Beutelschneider und Galgenstrick“, sagte Henry. „Ein ganz mieser Hund und Schlagetot. Er ist nicht besser als wir, wie er uns zu verstehen geben wollte, sondern viel schlechter. Dafür haben wir jetzt den Beweis.“

      Die anderen waren dennoch skeptisch, und es sollte sich gleich herausstellen, daß ihre Zweifel nicht unbegründet waren.

      Hinter einer Landzunge, die sich vor die Bucht schob, segelten die Schebekke und die Ghanja hervor und nahmen Kurs auf die „Cruel Jane“.

      Dobrans Ausguck auf der „Grinta“ entdeckte die Dreimast-Galeone mit den prall gebauschten Segeln und stieß einen Alarmruf aus.

      Dobran stand mit gespreizten Beinen auf dem Achterdeck und schrie: „Das ist er! Er hat unsere Schüsse doch vernommen, hat Unrat gewittert und versucht jetzt, Reißaus zu nehmen! Eröffnet das Feuer! Schießt ihn zusammen!“

      Er ließ anluven und als erstes die Buggeschütze der Schebecke und der Ghanja zünden. Mit trockenem Wummern spien die Geschütze ihre Ladungen aus. Wasserfontänen stiegen dicht vor der „Cruel Jane“ auf und fielen wieder in sich zusammen.

      Lord Henry stieß einen Fluch aus. „Wer ist dieser Hund? Ist er verrückt geworden, uns ohne jeden Grund anzugreifen?“

      Mechmed lauschte dem Geschrei, das von Bord der beiden Zweimaster zu ihnen herübergellte. Plötzlich verstand er, was die Kerle dort drüben sich untereinander zuriefen.

      „Es sind Türken“, sagte er zu Henry. „Türkische Seeräuber. Sie wollen uns entern und ausplündern.“

      „Hoch die Stückpforten!“ brüllte Henry außer sich vor Wut. „Rennt aus die Geschütze! Diesen Hurensöhnen wollen wir zeigen, mit wem sie es zu tun haben!“

      Er ließ weiter anluven, während die Männer an die Kanonen stürzten. Die „Cruel Jane“ drehte ihr Vorschiff in den Südostwind und begann, über Stag zu gehen.

      Donnernd entluden die Kanonen der Backbordseite ihre Eisenlast auf die Schebecke und die Ghanja. Die Türken erwiderten das Feuer unter Dobrans hellen Befehlsrufen.

      Im Nu lagen die Schiffe im schwersten Gefecht miteinander. Das Grollen der Kanonen dröhnte an den Berghängen zum Dorf Pigadia hoch, wo es von allen Parteien mit Erstaunen und Entsetzen registriert wurde – von den Dorfbewohnern, von den Seewölfen und von Selim und dessen Meute, die sich eben wieder anschickte, Pigadia zurückzuerobern.

      Eins der Mädchen trat aus dem Gefängnis und rief Lagios zu: „Zurück, Lagios! Tu diesen Männern nichts an! Sie haben uns befreit, ohne sie wären wir jetzt vielleicht schon tot. Sie haben mit den Piraten nichts zu tun.“

      Lagios und seine Helfer blieben verdutzt stehen. Vollends verwirrt waren sie, als sie neben dem Mädchen zwei Jungen unter dem Türpfosten auftauchen sahen, die einander zum Verwechseln ähnelten.

      Für einen Augenblick herrschte betretenes Schweigen, dann stieß Philip junior einen warnenden Laut aus. „Dad, Shane, Ferris – hinter euch!“

      Der Seewolf und seine Männer fuhren herum, sahen die Gestalten der Kerle, die im grauen Dämmerlicht auf sie zustürmten, und ließen sich auf den Boden sinken.

      Selim erschien, um Rache zu nehmen und sich seine Goldbeute wiederzuholen. Neben ihm liefen Osman, Firuz und Ali, hinter ihnen stürmten die anderen und schwangen ihre Waffen.

      Das Mädchen zog sich erschrocken wieder ins Haus zurück. Philip und Hasard junior legten mit ihren Schrotflinten auf den Feind an. Selim schoß, dann krachten die Musketen von Osman, Firuz und Ali.

      Hasard und seine Männer erwiderten das Feuer – und dann schossen auch Lagios und die Männer des Dorfes über sie hinweg auf die Angreifer.

      Selim stürzte, er war am Arm verletzt. Ali überrollte sich zweimal auf dem Pflaster, dann rührte er sich nicht mehr. Firuz warf sich flach hin und entging der für ihn bestimmten Kugel, Osman brachte sich durch einen gewaltigen Satz in Melanias Haus in Sicherheit.

      Wieder schossen die Seewölfe, und der Angriff der Türken geriet ins Stocken. Lagios und seine Freunde stürmten vor und brachen in ein zorniges Geschrei aus – und da rappelten sich Selim, Firuz und deren Kumpane schleunigst auf und ergriffen die Flucht zur Bucht. Die Männer von Pigadia hetzten ihnen nach.

      In Melanias Haus warf sich Osman auf den mit ausgebreiteten Armen umherirrenden Antos und versuchte, ihm die Kette aus Goldmünzen abzunehmen. Antos schrie auf. Seine Hände schlossen sich um Osmans Kehle. Der Wahnsinn und die