Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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      Der Stein traf und knallte auf das Vordeck. Dort sprang er ein paarmal hoch, polterte durch die Kuhl und donnerte an das Achterschott des Niederganges.

      Das Geräusch war ekelhaft laut, und es pflanzte sich durch die Bucht fort, als die Felsen das Echo zurückwarfen.

      Die beiden Seewölfe warteten mit angehaltenem Atem.

      Nichts rührte sich auf dem halben Wrack. Niemand erschien an Deck, um sich nach dem Urheber des Kraches umzusehen. Auch ein zweiter Stein änderte nichts. Alles blieb still und ruhig.

      Das Schiff war von seiner Besatzung einwandfrei verlassen oder aufgegeben worden. Der Teufel mochte wissen, wie lange es hier schon vor Anker lag.

      Dan O’Flynn gab noch ein paar Minuten zu, wobei er die Schebecke scharf im Auge behielt. Dann erhob er sich, als sich unter ihnen immer noch nichts rührte.

      „Kehren wir wieder um“, sagte er. „Das müssen wir sofort Hasard melden. Vielleicht sehen wir uns das Schiff einmal aus der Nähe an. Vielleicht gibt es da noch etwas zu holen.“

      „Schätze lassen die Kerle sicher nicht unbewacht an Bord zurück“, meinte der Kutscher trocken. „Ebenso besteht natürlich die Möglichkeit, daß die Besatzung an einer Krankheit zugrunde gegangen ist. Womöglich finden wir nur Tote an Bord.“

      „Das ist nicht auszuschließen“, sagte Dan beklommen.

      Gleich darauf traten sie den Rückweg an.

      7.

      Bei den gefangenen Spaniern war ein Wunder geschehen.

      Der spanische Grande hatte lange Zeit gelauscht, ob sich wirklich Wächter in der Umgebung versteckt hielten, doch nach einer Weile waren alle Geräusche erstorben, und es war totenstill.

      „Die sind abgezogen“, sagte er. „Wir probieren es einfach, und dann werden wir sehen, ob jemand erscheint.“

      Die Zwieback wurden aus dem einen Faß entfernt und auf den kahlen Boden gelegt. Dann wurde das Wasserfaß umgefüllt und geleert.

      Danach hoben zwei Mann das relativ schwere Faß hoch und warfen es an die Felswand.

      Das Faß zersplitterte, der Reif flog ab, die langen Dauben legten sich säuberlich nach allen Seiten auseinander.

      Der Grande arbeitete verbissen weiter. Er wollte diesen Halunken schon beweisen, daß sie nicht einfach mit ihnen tun konnten, was sie wollten und sie als Sklaven auf den Märkten verkaufen.

      Wenn ihnen die Flucht gelang, dann fanden sie auch in einem der Häfen mit Sicherheit ein Schiff, das sie mitnahm.

      Sie legten die Dauben übereinander, bis sie einen handlichen Hebel hatten, den sie durch die Gitter schoben.

      Dann drückten die drei Frauen und zwei Männer dagegen, und gaben all ihre Kraft her. Der erste Eisenstab verbog sich leicht, und nach einer kraftvollen Anstrengung und weiteren Bemühungen verbog sich auch der zweite.

      Noch ein paarmal wurde angesetzt, weitergedrückt, die Dauben als Hebel benutzt.

      Von den vermeintlichen Wächtern ließ sich immer noch keiner sehen. Es gab sie nicht. Sie hielten die Grotte für ausbruchsicher und waren abgezogen.

      Der Grande, er war der schmalste von allen, zwängte sich als erster hindurch und hebelte von außen weiter, bis der Weg für alle frei war. Eine der Señoras hatte Schwierigkeiten, aber schließlich konnte sie sich auch hindurchzwängen und befand sich in Freiheit.

      Draußen sanken sie sich stumm in die Arme und wollten ins Landesinnere gehen, um vorerst in Sicherheit zu sein.

      Doch der Grande hatte noch eine Idee.

      „Sie sollen noch ein Rätsel lösen“, sagte er. „Wir nehmen die Faßdauben mit und werfen sie unterwegs weg. Aber zuerst versuchen wir, die Gitter wieder so zu verbiegen, daß niemand die Flucht bemerkt, der außen vorbeigeht und einen Blick darauf wirft.“

      „Dazu haben wir keine Zeit“, wandte der andere Spanier ein.

      Aber die Zeit nahmen sie sich doch, setzten wieder die Dauben an und hebelten die eisernen Stäbe zurück.

      Es sah aus wie vorhin, und man mußte schon ganz besonders scharfe Augen haben, wenn man erkennen wollte, daß der eine Stab noch leicht nach außen gebogen war.

      Der Grande kicherte boshaft, dann klemmte er sich ein paar Dauben unter den Arm, verteilte die restlichen an die anderen und zeigte auf die weit entfernten Olivenhaine.

      „Verhungern werden wir nicht, aber wir müssen uns auf ein paar unangenehme Tage vorbereiten. Wasser finden wir auf dieser Insel sicher genügend, und wilde Früchte gibt es auch. Notfalls kann sich der Mensch tagelang von Oliven ernähren.“

      Diese Zukunftsaussicht war immer noch besser, als in dem stinkenden Verlies zu sitzen und darauf zu warten, bis man auf irgendeinem arabischen Markt verkauft wurde.

      Sie sahen sich noch einmal nach allen Seiten um. An die Küste trauten sie sich nicht, denn da konnte noch das Schiff liegen, das sie hergebracht hatte.

      Also marschierten sie ins Landesinnere und warfen unterwegs hin und wieder eine der Dauben weg.

      Sie waren wieder frei, und das war ihnen mehr wert als alles andere auf der Welt.

      „Also eine Mischung zwischen einer Schebecke und einer Feluke“, sagte Hasard, als er den Bericht der beiden Männer gehört hatte. „Und das Schiff ist ein Wrack?“

      „Ein halbes Wrack. Zwei Masten fehlen, aber das Beiboot befindet sich noch an Bord. Wir haben Steine hinuntergeworfen, und nichts hat sich gerührt. Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß es verlassen ist. Aber wie erklärt sich das mit dem Boot?“

      „Da kann es mehrere Möglichkeiten geben“, meinte Hasard. „Sie können ein zweites Boot gehabt haben, mit dem sie zur nächsten Ansiedlung gesegelt sind. Piraten können sie überfallen und verschleppt haben. Oder sie sind geflüchtet und kehren erst später wieder zurück. Und – und – und …“

      Niemand ahnte die unmittelbaren Zusammenhänge, keiner der Seewölfe wußte etwas von dem Sarazenen, ebensowenig war ihnen etwas über das Schicksal der Gefangenen und jetzt geflüchteten Spanier bekannt.

      Die Geschichte lief auf zwei nebeneinanderliegenden Ebenen ab, die der eine nicht kannte, und von der der andere keine Ahnung hatte.

      Aber in einem hatte der Sarazene recht: Auch diese Ungläubigen würde die Neugier packen, wenn sie das verlassene und wracke Schiff sahen, und der Profos sprach es auch aus.

      „Vielleicht gibt es da was zu holen, Sir. Wir sollten uns den alten Kahn wenigstens einmal ansehen.“

      Der Reiz, den gestrandete oder verlassene Schiffe ausübten, hatte nicht nur den Profos ergriffen, er packte auch Hasard und die anderen Seewölfe.

      „Gut“, entschied der Seewolf nach einer Weile des Nachdenkens. „Dan sagt, die Schebecke sei nicht weit von unserem jetzigen Liegeplatz entfernt. Wir segeln oder pullen mit dem kleinen Boot hin. Mit der ‚Isabella‘ dahin zu segeln, wäre zu umständlich. Wir müßten erst Anker hieven, dann wieder Anker setzen, von den Segelmanövern ganz zu schweigen. Der Profos, Dan und Ferris gehen mit. Ben übernimmt das Kommando während meiner Abwesenheit. Noch ein Mann kann mit. Sten, du bist meist benachteiligt gewesen.“

      „Aye, danke, Sir“, sagte der Schwede erfreut.

      „Sollten wir wider Erwarten in spätestens zwei Stunden nicht zurück sein, dann geht die ‚Isabella‘ ankerauf und besetzt die Bucht, in der das Wrack liegt.“

      „Da passiert nichts, Sir“, sagte Dan, doch der Seewolf winkte ab.

      „Es bleibt dabei. Wir haben nicht nur schon Wunder erlebt, wir haben sogar blaue Wunder erlebt. Ihr riegelt also die Bucht ab. Ein Mann wird zu dem Wrack geschickt, um nachzuforschen. Geht etwas schief, nimmst du den Kahn unter Feuer, Ben. Alles verstanden?“