Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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hat gesagt, hier gäbe es berühmte historische Stätten.“

      „Was der Kutscher nicht alles weiß“, staunte Blacky. „Der ist so eine Art Weisheitsbuch auf Beinen.“

      Die Fahrt der „Isabella“ ging rapide zurück, als ein paar Segel aufgegeit wurden. Der Profos übersah sogar großzügig eine Windbeule im Gei, denn lange würden sie hier ja nicht bleiben, so glaubte er wenigstens.

      Fässer und Tragegestelle lagen bereit. Die großen Fässer, die sich in der Piek befanden und nicht transportiert werden konnten, hatte Ferris Tucker wieder repariert.

      Hasard gab dem Rudergänger Pete Ballie ein Zeichen.

      „Hart Steuerbord, Pete. Dort vorn, gleich hinter der Felsengruppe, gehen wir vor Anker.“

      Smoky sang unterdessen die Tiefe aus. Unter dem Kiel hatte die „Isabella“ mehr als zwölf Faden Wasser fast gleichbleibend, und auch als sie näher heransegelten, änderte sich die Wassertiefe nur ganz unmerklich und blieb bei elf Faden konstant.

      „Fallen Anker!“

      Der Anker klatschte ins Wasser, Trosse wurde nachgesteckt, der Bug schwang leicht herum, und etwas später lag die „Isabella“ fast bewegungslos in der Bucht.

      Die Bucht war wie eine kleine Festung, links und rechts von Felsen umgeben. Ein kleines Stück Strand zog sich längs den Felsen dahin. Zwischen dem Gestein wuchsen verkrüppelte Pinien, die der Wind hart gebeutelt hatte. Von See her brachen sich Wellen klatschend an einem großen Felsen.

      Der Bach lief aus der Felsengruppe gluckernd über vorspringendes Gestein ins Meer und hatte sich seinen Weg durch den Strand gebahnt.

      Zum Wasserfassen war die Stelle ideal, denn sie ersparte lange Umwege und schwere Schlepperei. Man konnte die Fässer auf den Stein stellen und in aller Ruhe abwarten, bis sie voll waren und in die großen an Bord umgeschüttet wurden.

      Das Beiboot war abgefiert worden, und die Fässer mit den Tragegestellen wurden ins Boot gereicht.

      Fast alle wollten sich mal die Beine vertreten und drängten sich schon am Schanzkleid zum Abentern. Ganz besonders der Kutscher wollte, wie er sagte, historischen Boden betreten, einmal die Felsen erklettern und einen Rundblick über die Trümmer riskieren.

      „Es genügt, wenn drei, vier Mann an Bord bleiben“, sagte Hasard. „Hier gibt es ja nun wirklich nicht viel zu sehen, und wir werden hier auch nicht lange bleiben.“

      „Und die Ruinen, Sir?“ fragte der Kutscher. „Ich wollte ganz gern mal dort hinauf, denn diese Insel hat eine sehr bedeutungsvolle und glorreiche Vergangenheit. Sie ist in Büchern beschrieben …“

      „… aus denen dir Doc Freemont immer vorgelesen hat“, sagte Hasard lächelnd.

      „Ich habe sie mir heimlich ausgeliehen, Sir“, sagte der Kutscher verschämt. „Wenn der Doc nicht da war natürlich.“

      „Na gut, sieh dir alles an. Wir könnten uns auch die Zeit nehmen und den Ruinen einen Besuch abstatten, wenn du so versessen darauf bist.“

      Der Seewolf warf dem Kutscher einen Seitenblick zu und staunte wieder einmal mehr über diesen Mann. Obwohl er ihn nun schon so lange kannte, wartete der Kutscher immer wieder mit Neuigkeiten auf und verstand etwas von Sachen, von denen die meisten anderen noch nie etwas gehört hatten.

      Das Boot legte ab, besetzt mit Hasard, dem Kutscher, den Zwillingen, Carberry, Ferris Tucker, Gary Andrews, Big Shane und Matt Davies. Ein paar andere wollten gleich folgen.

      Der Hitzkopf Luke Morgan blieb freiwillig zurück, denn seine Verletzungen waren noch nicht auskuriert, und er konnte sich nur sehr umständlich bewegen.

      Am Strand wurden die Wasserfässer ausgeladen, und das Boot fuhr wieder zurück, um weitere Seewölfe zu holen.

      Die ersten Wasserfässer wurden unter Gebrüll und Gejohle unter das plätschernde Rinnsal gestellt. Das Wasser spritzte nach allen Seiten, aber das empfanden sie alle nur als angenehm, und so ließen sie sich berieseln und warteten darauf, daß das erste Faß voll wurde.

      Da schreckte sie die laute Stimme des Kutschers auf. Fassungslos brüllte er: „Seht mal da drüben! Dort, an dem Felsen!“

      5.

      Schlagartig wurde es still. Die Blicke der Seewölfe wandten sich den Felsen zu. Die weiteren Worte blieben ihnen im Halse stecken, denn an der Felswand prangte ein merkwürdiges Gebilde.

      Hasard und Gary Andrews waren die ersten, die davorstanden. Der Seewolf streckte die Hand aus und zeigte auf das befremdlich wirkende Bild.

      Ein großer Kreis war von einem unbekannten Künstler in den Fels geschlagen worden, und in diesem Kreis war eine Figur zu sehen, die auf die fassungslosen Männer schokkierend wirkte. Diese Figur war abstoßend und anziehend zugleich, und das Bildnis ergab scheinbar keinen Sinn.

      Es stellte einen menschlichen Körper dar, aber auf den Schultern befand sich der Kopf eines Stieres mit Hörnern. Das Stierfell bedeckte einen Teil des Rückens und ging in einen langen Kuhschwanz über. Die Gestalt stand geduckt da, als wolle sie die Betrachter mit dem fürchterlichen Schädel aufspießen oder rammen.

      Die meisten sahen fast angewidert auf das Bildnis, bis auf den Kutscher, der es andächtig anblickte.

      „So was Blödes“, sagte Matt Davies. „Wo hat die Welt denn schon einen Kerl mit einem Ochsenschädel gesehen? Oder einen Ochsenkopf mit einem Menschenkörper. Der Bildhauer war wohl volltrunken.“

      „Vielleicht hat er sich den Schädel nur aufgesetzt, um damit andere zu erschrecken wie die Medizinmänner“, meinte Gary Andrews.

      Der Kutscher wandte sich kopfschüttelnd um und zeigte sich indigniert.

      „Wenn man euch so hört“, sagte er, „dann muß man sich in Grund und Boden schämen. Volltrunkener Bildhauer, Ochsenschädel. Ihr Kulturbanausen zieht immer alles ins Lächerliche. Dieses Werk hier stellt Asterios dar, den man auch Minotaurus nennt. Das geht auf eine uralte Mythologie zurück, und gerade deshalb ist diese Insel so interessant und voller Geheimnisse. Hier trifft man bei jedem Schritt auf Relikte, die schon ein paar tausend Jahre alt sind.“

      „Du kennst die Geschichte der Insel, Kutscher?“ fragte der Seewolf gespannt. „Hast du das alles aus Doc Freemonts Büchern?“

      „Ich kenne den größten Teil der Legende“, schränkte der Kutscher ein, „aber er ist sehr interessant. Ihr müßt das Bild mit anderen Augen sehen und es nicht als scheußlich empfinden.“

      „Erzähl schon!“ rief der Profos. „Aber tisch uns bloß keine Ammenmärchen auf!“

      „Ich kann nur das sagen, was ich darüber gelesen habe. Ob das stimmt oder nicht, ist eine andere Sache. Die alten Legenden berichten es jedenfalls so.“

      Auch Hasard ermunterte den Kutscher zum Erzählen, und erst da bequemte sich der schmalbrüstige Mann dazu.

      „Die Insel Kreta ist von Legenden umwoben wie von einem Gespinst“, sagte er. „Es heißt, Kreta sei einst unter dem König Minos eine große Seemacht gewesen. Es galt früher aber auch als zurückgebliebenes Land, in dem dorische Landbesitzer ihre Pächter piesackten. Die Insel war außerdem ein Schlupfwinkel für Piraten. Auch Söldner wurden hier ausgebildet, die sich aufs Bogenschießen verstanden.“

      „Und wer war der König Minos?“ fragte Ferris Tucker.

      „Der Sage nach der Sohn des Göttervaters Zeus und der Europa. König Minos erhielt von dem göttlichen Schmied Hephaistos einen eisernen Roboter, der Talos hieß, und der die Aufgabe hatte, alle Fremden von der Insel fernzuhalten. Das tat er auch, indem er mit riesigen Steinen nach ihnen warf.“

      „Und was hat das mit dem Stier zu tun?“ fragte Hasard.

      Der Kutscher mußte ein wenig in seiner Erinnerung kramen und überlegte, aber er fand sich schnell zurecht, denn nach den Erzählungen hatte