Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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war die allgemeine Neugier geweckt. Die Köpfe streckten sich dem Boden entgegen und betrachteten die Fortsetzung des Felsblocks, die wie glatt-geschliffen in den Untergrund weiterführte. Ganz fein gemahlener Sand war in der rillenförmigen Vertiefung zu erkennen.

      Ferris Tucker schob den holzigen Strauch etwas zur Seite, der den Stein von einer Seite umgab, aber die Zweige schnellten sofort wieder zurück und schlugen ihm ins Gesicht.

      Der Profos war es, der das Geheimnis schließlich durch einen entschlossenen Kraftakt löste.

      Er drückte seitlich gegen den Felsen, aber so, daß er bei aller Kraft nicht hinunterstürzen konnte.

      Der Stein bewegte sich. Unter ihm war ein Knarren zu hören, wie wenn Stein auf Stein rieb.

      „He, ihr da unten!“ brüllte Ed. „Geht mal zur Seite, damit wirklich nichts passiert.“

      „Oho, der Profos spielt den Herakles“, sagte Matt Davies. „Paßt auf, der wirft jetzt mit Felsen aufs Meer hinaus.“

      Vorsichtshalber entfernten sie sich so weit, daß der Felsen keinen Schaden anrichten konnte, denn von unten sah die Lage doch bedrohlicher aus als von oben.

      Carberry griff noch einmal zu, und er war überrascht, daß der Felsen, wenn man ihn von einer Seite schob, sich mühelos bewegen ließ und um eine unsichtbare Achse drehte.

      Jetzt hatte er seinen Schwerpunkt so verlagert, daß seine eine Hälfte weit über dem Abgrund hing.

      Hasard sah den Profos an, Carberry blickte verdutzt zurück, während Ferris Tucker und Dan sprachlos dastanden.

      „Wozu soll das wohl gut sein?“ fragte der Kutscher. Sie sollten es gleich erfahren.

      Von unten drang ein überraschter Aufschrei herauf.

      „Der Minotaurus hat sich gedreht!“

      Fassungslos blickten die Seewölfe auf den Stiermenschen, der jetzt sein Geheimnis preisgab.

      Das Bildnis hatte sich halb zur Seite geschoben. Dahinter befand sich eine kleine dunkle Höhle im Felsgestein.

      6.

      Hasard kletterte schon hinunter, dicht gefolgt von den anderen, denen der Abstieg gar nicht schnell genug ging.

      Als er unten ankam, sah er immer noch in fassungslose und staunende Gesichter.

      Die Fässer mit dem Trinkwasser waren vergessen. Das Wasser plätscherte über die Fässer, und niemand kümmerte sich darum.

      Alle blickten auf die Felswand, die sich geöffnet hatte.

      „Ein Piratenversteck“, sagte Jeff Bowie und fuhr sich aufgeregt mit seiner Hakenprothese über sein stoppelbärtiges Kinn.

      „Oder Höhle von Stiergott“, sagte Batuti, der wild mit den Augen rollte. „Vielleicht werden alte Legenden jetzt wieder wach. Und dann rennen wilder Stiergott heraus.“

      Hasard ging ein Stück durch das Wasser, zog sich an dem Felsen hoch und warf einen Blick in die dahinterliegende Höhle.

      Er hatte einen langen Gang erwartet, der weiter in die Felsen führte, doch es gab keinen Gang. Der Raum hinter dem Minotaurus war nur so groß, daß ein einzelner Mann zusammengekauert darin hocken konnte. Dahinter war die Felswand glatt und eben, und es sah auch nicht so aus, als gäbe es ein weiteres geheimes Versteck.

      Aber das, was in dem Versteck lag, erstaunte ihn doch. Da lagen ein Dutzend Goldstücke, fünf große zartschimmernde Perlen und zwei Händevoll silberner Piaster.

      „Ein kleiner Schatz, den jemand versteckt hat“, sagte Dan, der nun ebenfalls in die Höhlung blickte.

      Hasard griff nach den Silberstükken und ließ sie klimpern.

      „Ehrlich erworben ist das nicht“, sagte er, „sonst würde man sich nicht der Mühe unterziehen und es verstecken. Für die meisten stellt es ein mittleres Vermögen dar.“

      Mittlerweile drängten sich auch die anderen um das Stierbild und versuchten, einen Blick zu erhaschen.

      Der Seewolf griff noch weiter hinein und fand einen zusammengerollten kleinen Papyrusbogen, den er vorsichtig herauszog. Im Tageslicht entfaltete er ihn, aber auf dem Papyrus standen nur ein paar Schriftzeichen, die vermutlich eine Nachricht enthielten.

      Er zeigte sie seinen aufgeregten Söhnen, die sich mit den Ellenbogen ihren Weg durch die Seewölfe erkämpft hatten.

      „Könnt ihr das entziffern, oder kennt ihr eins dieser Zeichen?“ fragte Hasard.

      Die beiden starrten die Zeichen an, drehten sich um, hielten sie gegen das Licht und schüttelten dann bedauernd die Köpfe.

      „Nein, ich kann es nicht lesen“, sagte Hasard junior.

      „Nein, keine Ahnung, das kann vielleicht syrisch sein, ich weiß es jedenfalls nicht. Aber du solltest die Rolle gut aufheben, Sir. Man kann ja nie wissen …“ setzte er altklug hinzu.

      Hasard gab die Rolle an Ferris Tucker weiter, der sie in sein Hemd steckte.

      „Was geschieht mit dem Zeug?“ fragte der Profos. „Wir sollten es an uns nehmen und zu den übrigen Schätzen tun, die wir später in England wieder abliefern werden.“

      „Also, ehrlich erworben ist das nicht, Sir“, schaltete sich Dan ein. „Da hast du ganz recht. Das hat hier jemand versteckt, der ein schlechtes Gewissen hatte und vielleicht schon lange tot ist, zu Staub geworden und verweht. Der nächste, der das Geheimnis entdeckt, nimmt das Gold, und das andere Beiwerk ohnehin an sich. Warum sollen wir es nicht nehmen?“

      „Ja, warum eigentlich nicht? Bedenken habe ich keine, denn wir sind die rechtmäßigen Finder. Oder ist jemand dafür, daß wir das Zeug hier in der Höhle lassen?“

      „Das wäre Verschwendung, Sir!“ rief Big Old Shane. „England braucht jeden Silberling.“

      „Möglich, daß es sich der nächste Don holt, der die Insel ansegelt“, sagte Matt Davies. „Dann kriegt es Old Philipp.“

      Keiner wußte, woher dieser kleine Schatz stammte, für wen er bestimmt war, oder wer ihn erbeutet hatte. Einem guten Zweck diente das alles nicht, und so hatte Hasard auch keinerlei Bedenken, das Zeug abzuräumen.

      Die Piaster allein waren schon ein beträchtliches Vermögen, dann die Goldstücke mit einer Prägung, die den Seewölfen ebenfalls nicht geläufig war, und von den Perlen ganz zu schweigen.

      Hasard ließ alles ins Boot bringen und warf noch einen letzten Blick hinter den Minotaurus.

      Dann sah er zu dem Felsen hoch und sagte zu Ferris Tucker: „Sieh dir das mal an, Ferris! Eine simple, geradezu verblüffend einfache Konstruktion, aber sie hat verdammt viel Arbeit bereitet.“

      Die Konstruktion ließ sich nicht so genau erkennen, weil das Tageslicht nicht voll in die Höhle fiel. Aber ein Blick darauf erklärte eigentlich alles.

      „Oben hat man vermutlich eine Eisenstange durch den Fels getrieben“, sagte Ferris, der solche Konstruktionen immer schnell begriff und durchschaute. „Dann hat man Löcher in den Stein gebohrt und sie mit Bolzen untereinander verbunden. Der letzte Bolzen berührt das Bildnis und ist ebenfalls mit ihm verbunden. Wenn man jetzt da oben den Stein zur anderen Seite dreht, ziehen die Bolzen das Bildwerk wieder in den Felsen zurück. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert unsere Ruderanlage.“

      „Richtig. Und beim Öffnen wird der Vorgang umgekehrt, und der Bolzen stößt den Minotaurus nach außen.“

      Der Kutscher stand sinnend davor, und betrachtete das Bild.

      „Das Bild scheint uralt zu sein, aber die Konstruktion besteht ganz sicher nicht so lange. Das ist ein richtiges Versteck, das vermutlich doch Piraten angelegt haben.“

      „Woraus schließt du das?“

      „Es gibt ganz einfach keinen Sinn, daß sich das