Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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und den anderen hinüber, sprach aufgeregt mit ihren Freundinnen und wandte sich dann wieder an Ben. „Wir können ihn in unser Dorf bringen. Dorf. Schamane. Du verstehst?“

      Ben schüttelte den Kopf, und deshalb bückte das Mädchen sich jetzt und zeichnete mit der Spitze des Pfeiles, den sie vorher auf Borago gerichtet hatte, kleine, bucklige Hütten in den Sand.

      Ben kauerte sich neben sie hin und fragte: „Wo ist das Dorf? Dort? Oder dort?“ Er wies mit der Hand in verschiedene Richtungen.

      „Es steht gut dreitausend Schritte entfernt ganz in der Mitte unsere Insel“, sagte Ilana in ihrer Sprache, die ein wenig guttural und doch melodisch klang.

      „Zu weit“, meinte Ben. „Dann lieber auf unser Schiff.“ Er ließ sich von ihr den Pfeil aushändigen, kritzelte die Umrisse einer Bucht in den feinkörnigen Sand und malte ein Schiff mit drei Masten hinein. Er wies mit dem Finger darauf und sagte: „Dort ankern wir. Am Ostufer.“

      „Seht ihr!“ rief Mileva, die den beiden über die Schultern geblickt hatte. „Sie haben also wirklich ein Schiff und sind über das große Wasser gesegelt!“

      Ben fragte: „Der Pfeil – könnte er giftig sein?“

      Die Mädchen verstanden ihn wieder nicht, und deshalb hob er den Pfeil an, den Ilana ihm gegeben hatte, faßte mit zwei Fingern die Spitze an und versuchte, den Mädchen durch Gesten zu erklären, was er wissen wollte.

      Blacky hatte unterdessen die Augen aufgeschlagen. Er blickte zum Profos auf, der ihn aus großen, besorgten Augen ansah, und mußte trotz seiner Schmerzen unwillkürlich grinsen.

      „Tja, Mister Carberry“, sagte er heiser. „Da hast du dich zu früh gefreut. Ich bin noch nicht abgesegelt, und ich werd’s vorläufig wohl auch nicht tun.“

      „Halt doch die Luke, du Barsch!“ fuhr der Profos ihn an. „Wenn der Scheißpfeil vergiftet war, kratzt du doch ab, und wir armen Irren können dann zusehen, wo wir mit deiner verdammten Leiche abbleiben.“

      Blacky erblaßte. „Hölle, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Mann, wenn das wahr ist! Wenn da wirklich Gift dran war, dann …“

      Hasard legte ihm die Hand auf den Arm. „Nun halt mal die Luft an, Blacky. Pfeilgifte und alle anderen tödlichen Mittel, die wir bislang bei den Indianern kennengelernt haben, wirken unmittelbar und so schnell wie Schlangengift. Daß du noch am Leben bist und keine Lähmungen hast, ist das sicherste Zeichen dafür, daß die Pfeilspitze nicht irgendwie behandelt war.“ Er sah zu Carberry auf. „Und du, Ed, solltest dir manchmal besser überlegen, was du sagst. Das mit dem Gift hättest du Blacky gar nicht erst auf die Nase zu binden brauchen.“

      „Aye, Sir“, sagte der Profos zerknirscht.

      Ben Brighton gesellte sich mit den fünf Mädchen zu ihnen und erklärte: „Nach allem, was ich aus den Gesten der Mädchen schließen konnte, verwenden die Indio-Krieger auf Maracá kein Pfeilgift. Die Kerle, die die fünf überfallen haben und sie vergewaltigen wollten, stammen offenbar von der Nordinsel. Zwischen ihnen und den Bewohnern dieser Insel herrscht Streit.“

      „Wie das alles zusammenhängt, werden wir später noch klären“, sagte der Seewolf. „Jetzt bringen wir erst mal Blacky zurück an Bord der ‚Isabella‘. Danach sehen wir weiter.“

      „Achtung“, sagte Dan O’Flynn plötzlich. Er hatte die ganze Zeit über den Hang beobachtet, und diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich jetzt als richtig, denn zwischen den Büschen waren Gestalten aufgetaucht.

      Die Männer hoben ihre Waffen und hielten bereits nach Deckungsmöglichkeiten Ausschau, aber von oben her erklang jetzt der Ruf einer ihnen nur allzu bekannten Stimme:

      „Sir! Freunde! Ich bin’s – Jeff Bowie! Bob Grey ist bei mir!“

      „Kommt ’runter“, sagte Hasard. „Was gibt’s? Hat Old O’Flynn euch geschickt?“

      Jeff und Bob richteten sich hinter den Sträuchern auf und stiegen zum Strand hinunter.

      „Wir haben die Schüsse gehört“, sagte Bob Grey. „Aus der Art, wie sie abgegeben wurden, ließ sich schließen, daß ihr aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf Wild gefeuert hattet. Das war ja ein richtiges Stakkato von Schüssen, und sie gingen ihrem Klang nach alle in die Luft.“

      „Richtig, du Hering!“ rief Ferris Tucker. „Aber ihr beiden könnt froh sein, daß ihr euch rechtzeitig genug zu erkennen gegeben habt. Sonst hätten wir euch nämlich abgeknallt wie die Hasen.“

      Jeff und Bob waren auf dem Strand angelangt und blickten betroffen zu Blacky.

      „Was ist passiert?“ fragte Jeff.

      „Ich erzähle euch alles, während wir zu unsrer alten Lady marschieren“, erwiderte Blacky, der sich jetzt mit Hasards Hilfe aufrichtete. „Jeff, es wäre ganz gut, wenn du neben mir bleiben könntest. Ich kann allein gehen, aber falls ich doch wieder umkippe, kannst du mich stützen.“

      „Bob“, sagte der Seewolf. „Du läufst schon mal vor und unterrichtest Donegal, daß hier kriegerische Indios mit Kanus unterwegs sind, die uns auch in der Ankerbucht angreifen könnten.“

      „Aye, Sir.“

      „Und wir, Sir?“ fragte Big Old Shane. „Was tun wir? Bringen wir die Mädchen in ihr Dorf?“

      „Ich glaube, das brauchen wir nicht mehr“, entgegnete Hasard. „Auch dort sind die Schüsse gehört worden, und natürlich ist man sofort aufgebrochen, um nach dem Rechten zu sehen.“ Er streckte die Hand aus und deutete auf die Gestalten der Männer, die sich an der westlichen Seite des Hanges erhoben hatten.

      Es waren nahezu zwei Dutzend braunhäutiger Männer, die alle nur mit Tüchern um die Lenden bekleidet waren und als Waffen Speere, Pfeil und Bogen und lange Messer trugen.

      Ihre Mienen waren so grimmig, als wollten sie sich jeden Augenblick auf die Männer der „Isabella“ stürzen.

      4.

      „Deck!“ rief Bill, der Moses, aus dem Großmars. Er lehnte sich weit über die Segeltuchumrandung und legte die Hände als Schalltrichter an den Mund. „Boote in Sicht, wir erhalten Besuch! Es sind acht Kanus – Steuerbord achteraus!“

      Die „Isabella“ lag mit dem Vorschiff nach Norden und mit dem Heck nach Süden in der Bucht. Ihre Backbordseite war also dem Ufer der Bucht zugewandt, die Steuerbordseite hingegen der Ausfahrt.

      Old O’Flynn hatte am Backbordschanzkleid des Achterdecks gestanden und Ausschau nach Jeff Bowie und Bob Grey gehalten, die seiner Schätzung nach bald mit Meldungen zurückkehren mußten. Sie waren mit der zweiten Jolle an Land gepullt, und das Boot lag jetzt neben dem ersten, das von Hasard und dessen Trupp benutzt worden war.

      Auf Bills Ruf hin wandte sich der Alte ruckartig um, überquerte das Achterdeck und spähte über das Steuerbordschanzkleid zur Öffnung der Bucht. Mit bloßem Auge waren die Kanus und Piraguas zu erkennen, die sich aus Südosten näherten. Augenscheinlich hielten sie auf die Einfahrt der Bucht zu, eine Tatsache, die Old O’Flynn alarmierte.

      „Pete, Gary, Matt, Al, Sam, Stenmark und ihr anderen Tränentiere mal herhören!“ rief er. „Alle Mann auf Gefechtsstation und ’raus mit den Kanonen! Wenn die Kerle es wagen, in die Bucht einzudringen, lichten wir vorsichtshalber den Anker, um manövrierfähig zu sein!“

      „Donegal“, sagte Pete Ballie, der Rudergänger, vom Quarterdeck her. „Glaubst du wirklich, daß die sich mit uns anlegen wollen?“

      „Was ich glaube, spielt im Moment keine Rolle“, erwiderte der Alte schroff. Er hatte sein Spektiv zur Hand genommen, zog es auseinander und blickte hindurch. Was er sah, löste alles andere als Begeisterung bei ihm aus: Die Mienen der Indios in den Booten waren grimmig, ja, geradezu bösartig. Haßerfüllt sahen sie zur „Isabella“.

      „Die blicken so wild drein, als wollten sie uns fressen!“ rief Bill hoch über den Köpfen der Männer.