Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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sah den Kutscher verwundert an. Was war los mit ihm? Was hatte ihn so aus der Fassung gebracht? Er war doch sonst ein so ruhiger, eher zurückhaltender Mann. Jetzt schien er total aufgelöst zu sein, und das wollte bei dem Kutscher schon etwas heißen.

      Mit raschen Schritten folgte er ihm. Dann blieb auch er wie angewurzelt stehen, als er die Bescherung sah. Im ersten Moment glaubte Hasard, ihm sträubten sich die Haare, als er einen Blick in die Kombüse und den Vorratsraum warf, deren Schotten offen waren.

      Was er dort erblickte, schien die Armee des Teufels zu sein!

      Augenblicklich fiel ihm das merkwürdige Knistern und Knacken ein, das ihnen während der vergangenen Nacht Rätsel aufgegeben hatte. Jetzt sah er die Ursache jener mysteriösen Geräusche vor Augen.

      Riesige rote Feuerameisen waren in Millionenscharen über die Vorräte der „Isabella“ hergefallen. Die gesamte Kombüseneinrichtung sowie die Vorräte waren kaum noch zu sehen unter den Myriaden von krabbelnden und nagenden Insektenleibern, die einen wogenden Teppich bildeten, der alles überlagerte.

      „Großer Gott, unsere Vorräte“, murmelte Hasard. „Die lassen keinen Krümel mehr übrig, und haben sie erst alles aufgefressen, werden sie auch noch das Schiff zerkleinern! Wie mögen diese Biester nur plötzlich an Bord gelangt sein?“

      Der Kutscher zuckte hilflos mit den Schultern und versuchte mit einer raschen Bewegung einen Teil dieser knisternden und fressenden Insekten von einem Kombüsenregal zu streifen.

      Blitzschnell zog er jedoch seine Hand zurück. Die Ameisen hatten ihn sofort angegriffen und äußerst schmerzhaft in die Haut gezwackt.

      Der Kutscher begann seine rechte Hand wie irr zu schütteln. Die Bisse brannten teuflisch, und das Jucken, das darauf folgte, war auch nicht gerade angenehmer. Völlig am Boden zerstört sah er Hasard an, während diese Bordplage unermüdlich weiterfraß.

      Beiden Männern war längst klargeworden, daß damit nicht nur sämtlicher Proviant ungenießbar geworden war, sondern daß nichts, aber auch gar nichts, übrigbleiben würde.

      Im Nu hatte sich die ganze Crew der „Isabella“ versammelt, um die Plagegeister in Augenschein zu nehmen. Und immer wieder tauchte die Frage auf, wie die Ameisen wohl an Bord gelangt sein könnten. Während der alte O’Flynn seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, daß das alles nicht mit rechten Dingen zugehen könne, erwog der Profos die Möglichkeit, daß diese „elenden und gefräßigen Krabbeldinger wohl auf Kakerlaken durch die Luft geritten“ sein mußten, um an Bord zu kommen.

      Es dauerte jedoch nicht lange, und die Männer hatten entdeckt, daß die roten Feuerameisen auf einem durchaus erklärbaren Weg auf ihr Schiff gelangt waren. In diesem Zusammenhang wurde ihnen auch plötzlich klar, warum die Indianer, die gestern auf sehr nachdrückliche Weise Pulver von ihnen hatten haben wollen, bei ihrem Rückzug Steine ins Wasser geworfen hatten. Was man gestern noch für eine Verrücktheit der Eingeborenen gehalten hatte, erhielt jetzt einen – wenn auch makaberen – Sinn.

      Die Männer starrten immer wieder entgeistert auf das Bild, das sich ihnen an der Bordwand der „Isabella“ und auch außerhalb im Wasser bot.

      Die Indios hatten durch die Steine, die sie ins flache Wasser geworfen hatten, Überbrückungspunkte für die Ameisen geschaffen, die noch jetzt für weitere Myriaden dieser emsigen Tierchen die Möglichkeit boten, die „Isabella“ zu entern.

      Wo die Steine nicht ausreichten, bildeten die Tiere durch Hunderttausende von Leibern Brücken, über die ihre Artgenossen schwimmend und krabbelnd ihr Ziel erreichen konnten. Vermutlich hatten die Indianer auch Köder ausgelegt, um dieses teuflische Heer anzulocken.

      Jetzt wurde die Mannschaft lebendig. Hasard gab sofort Befehl, den Anker zu hieven und die „Isabella“ ein Stück weiter in den Fluß zu segeln, um zumindest den noch weiter anrückenden Ameisenscharen die Möglichkeit zu nehmen, noch an Bord zu gelangen.

      Sobald einige Kabellängen weiter flußaufwärts der Anker wieder geworfen worden war, überlegten die Männer fieberhaft, wie sie diese ungebetenen Gäste wieder loswerden könnten. Aber es wollte ihnen absolut nichts Brauchbares einfallen.

      Einige Männer hatten sich breitflächige Holzstücke aus der Werkstatt Ferris Tuckers geholt und begannen, damit auf die Insekten einzuschlagen, aber sie gaben das bald wieder auf. Auf diese Weise würden sie es nie schaffen, das wurde ihnen rasch klar. Die Biester waren nicht nur sehr verfressen, sondern auch angriffslustig. Etliche rieben sich schon die schmerzende Haut, die dann durch die Bisse höllisch zu jukken begann. Das Jagdergebnis, das sie mit den Plankenstücken erzielt hatten, stand dazu in keinem Verhältnis.

      Trotzdem überlegten sie fieberhaft weiter, wie sie dieser Plage Herr werden konnten, während die Ameisen längst auch über den Notproviant, den harten Zwieback, herfielen.

      „Wenn diese Teufelsflöhe so weiterfressen“, stellte der Profos mit grimmigem Gesicht fest, „dann wird die ‚Isabella‘ bald so ähnlich aussehen wie das Wrack da unten an der Flußmündung.“

      Noch während die verschiedensten Vorschläge von den Männern vorgebracht wurden, stellte Hasard fest, daß eine Gruppe an Land gehen mußte, um neue Vorräte zu beschaffen. Denn bereits jetzt schon gab es an Bord der „Isabella“ nichts mehr, was genießbar war.

      Während der Kutscher und einige weitere Männer sich anschickten, ihr Glück mit Ausräuchern zu versuchen, ließ Hasard ein Boot abfieren, um zusammen mit Ed Carberry, Dan O’Flynn, Batuti, Jeff Bowie, Ferris Tucker und Stenmark im nahen Dschungel neue Vorräte zu holen.

      Der Rest der Mannschaft würde inzwischen nichts unversucht lassen, um das Millionenheer der roten Feuerameisen wieder loszuwerden.

      8.

      Die Sonne war längst wie ein glutroter Ball am Horizont aufgetaucht und überschüttete den Fluß mit gleißendem Licht.

      Hasard und seine sechs Begleiter pullten ihre Jolle ein Stück flußaufwärts.

      Später, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß sich keine Kaimane in der Nähe aufhielten, gingen sie an Land und vertäuten das Boot an einer kräftigen Astgabel, die bis dicht ans Ufer reichte.

      Dann begannen die Seewölfe, sich einen Weg durch das Uferdickicht zu bahnen, das sich bis zur Wasserfläche hinzog. Dahinter erhob sich wie eine lebendige Mauer der tropische Urwald. Riesige Bäume, deren oberste Spitzen farbenprächtige Blumen trugen, sowie Zedern und Mahagonistämme mit seltsam geformten Blüten lösten das Gestrüpp ab, das etwas weiter landeinwärts von riesigen Chonta-Palmen überragt wurde.

      Ein Gewirr von Lianen umrankte die Baumstämme. Stellenweise wirkten sie wie Schiffstaue, die herniederhingen. Das dichte, oft mannshohe Gestrüpp trotz der bereits aufgegangenen Sonne den Urwald noch etwas dunkel erscheinen. Bis jetzt waren nur wenige Sonnenstrahlen durch das Gewirr von riesigen Farnen und stachligen Sträuchern und durch das Netz von Wurzeln und Streben gedrungen.

      Unermüdlich schlugen sich die Männer mit ihren Busch- und Entermessern einen Weg durch die üppig wuchernde Wildnis. Immer wieder schreckten sie Scharen von Dschungelbewohnern aus ihren Verstecken. Ganze Sippen von Brüllaffen und den etwas kleineren, dickfelligen Wollaffen schwangen sich laut kekkernd durch das Geäst.

      Bunte Papageien und Schwärme kleinerer tropischer Vögel stoben kreischend in die Luft. Auch die Tukane mit ihren riesigen Schnäbeln stießen hoch oben im dichten Blätterdach des Urwaldes Warnrufe aus, als sie die ungewohnten Eindringlinge bemerkten.

      Etliche Male ließ ein gefährlich klingendes Rascheln im Gebüsch die Männer anhalten und zu den Waffen greifen. Aber es handelte sich lediglich um einige Steißhühner, die am Urwaldboden nach Nahrung suchten, oder um einige Schnurrvögel, die sich gern in Bodennähe aufhielten, um ihre akrobatisch anmutenden Hochzeitstänze aufzuführen.

      Entschlossen kämpften sich die Männer durch den Dschungel, während ihnen der Schweiß in Strömen über den Körper rann und ihnen stachlige Zweige die Haut aufritzten.

      „Am besten,