Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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wollt ihr, und woher seid ihr?“ rief Hasard zurück.

      „Wir Icoraci“, sagte der Wortführer der beiden und deutete in die Richtung, aus der sie herangepaddelt waren.

      „Icoraci?“ fragte der Seewolf zurück.

      „Si, Señor“, erwiderte der Indianer und nickte. „Icoraci“.

      „Hm“, sagte der Seewolf und zuckte mit den Schultern. „Entweder meint er mit ‚Icoraci‘ seinen Stamm oder aber irgendein kleines Nest, in dem sich Weiße angesiedelt haben.“

      Zu den Indianern gewandt, wiederholte er seine Frage: „Und was wollt ihr?“

      „Auf Schiff“, lautete die Antwort. „Mit Capitán sprechen.“

      „Die gehen aber ran an den Speck“, sagte der Profos. „Außerdem sind die kleinen Kerle ziemlich leichtsinnig. Wir könnten ja auch Schnapphähne sein und sie …“

      „Klettert an Bord!“ rief Hasard und unterbrach damit die Überlegungen Ed Carberrys.

      Gleich darauf wurde die Jakobsleiter hinuntergelassen, und die beiden braunen Kerle turnten flink daran hoch. Wenig später standen sie auf der Kuhl und sahen auch jetzt nicht im entferntesten scheu oder ängstlich aus. Ganz im Gegenteil. Sie schienen sich als diejenigen zu betrachten, die hier Forderungen zu stellen hatten. Und mit diesen Forderungen rückten sie auch ohne Umschweife heraus.

      „Wir wollen Pulver haben“, sagte der Wortführer in seinem holprigen Spanisch. „Einige Fässer voll, por favor!“

      Die Männer der „Isabella“, die halb gespannt und halb belustigt einen Halbkreis um die beiden Indianer gebildet hatten, sahen sich verblüfft an.

      „Einige Fässer Pulver?“ fragte Hasard mit ungläubigem Gesicht. „Was wollt ihr denn mit dem Pulver?“

      „Schießen“, wurde prompt erwidert. „Wir haben Waffen von weißen Männern. Españoles sagen dazu ‚Musketen‘ und ‚Pistolen‘. Aber wir brauchen Pulver, sonst Waffen still, sagen keinen Ton.“

      Ed Carberry atmete rasselnd durch.

      „Jetzt hört euch diese Kerlchen an“, sagte er und verzog dabei sein Gesicht zu einem fürchterlichen Grinsen. „Klettern an Bord und wollen Pulver, als wären wir hier ein Krämerladen, der das Zeug faßweise zu verkaufen hätte. Heiliges Kanonenrohr, was man hier doch so alles erleben kann! Wollen die Gentlemen sonst noch was? Vielleicht ein Culverinchen, um damit die Bananen von den Bäumen zu schießen, was, wie?“

      „Nun mal langsam, Ed“, sagte der Seewolf. „Wir wollen ihren Forderungen nicht gleich gezielte Schüsse vor den Bug setzen. Unterhalten wir uns doch erst einmal mit ihnen, vielleicht können sie uns so manche Frage beantworten, die uns seit kurzem Kopfzerbrechen bereitet.“

      „Du meinst wegen des Wracks?“ fragte der Profos.

      „Genau, Ed. Es würde mich wundern, wenn unsere Besucher darüber nichts wüßten.“

      „Da kannst du auch wieder recht haben“, brummte der Profos und versuchte, die Narben in seinem Gesicht wieder zu glätten.

      Hasard wandte sich den beiden Indianern zu Ohne zunächst auf ihre Forderungen einzugehen, sagte er: „Da unten an der Flußmündung liegt ein Wrack, die Überreste eines Schiffes. Darin befanden sich noch gestern viele menschliche Skelette. Ich nehme an, daß es sich dabei um Indianer handelte. Heute waren sie weg, verschwunden. Was ist damit geschehen?“

      Für einen Augenblick sahen sich die beiden Indianer an und wechselten schnell einige Worte in einer kehlig klingenden Sprache. Dann blickte der Wortführer Hasard wieder an, und seine dunklen Augen blitzten dabei.

      „Pulver“, sagte er, ohne auf die Frage des Seewolfs einzugehen. „Einige Fässer.“ Er beschrieb dabei mit ausladenden Gesten, wie groß die Fässer zu sein hätten.

      „Ich habe euch etwas gefragt“, erklärte Hasard, und seine Stimme war um einen Ton schärfer geworden. „Was ist das für ein Wrack, und was ist mit den Skeletten geschehen? Wenn ihr mir nicht antworten wollt, dann verlaßt bitte sofort das Schiff!“ Er unterstrich seine Worte mit einer unmißverständlichen Handbewegung.

      Wieder wechselten die beiden Indianer einige rasche Worte, dann sagte der Sprecher in seinem gebrochenen Spanisch: „Reste von Schiff liegen schon lange da. Wasser hat sie gebracht. Schiff ganz kaputt. Zwei weiße Männer, Españoles, lebten noch. Sie haben geschossen.“

      „Er meint wohl, daß das Wrack vor langer Zeit hier gestrandet ist“, sagte Hasard. „Und an Bord waren noch zwei überlebende Spanier, die sich offenbar mit den Indianern angelegt haben.“

      Zu den beiden Besuchern sagte er dann: „Die weißen Männer haben auf euch geschossen. Was ist mit ihnen geschehen?“

      „Tsantas“, erwiderte der Indianer und legte dabei die Kante seiner flachen Hand gegen die Kehle. Er sagte das, als hätte er soeben eine Frage nach dem Wetter beantwortet.

      Die Männer der „Isabella“, die dem Gespräch interessiert folgten, blickten sich betroffen an. Bill, der Moses, faßte sich unwillkürlich an den Kopf, als wolle er prüfen, ob sich der noch an seinem Platz befand.

      Hasard ging jedoch nicht näher auf die Antwort der Indianer ein, sondern setzte seine Befragung fort.

      „Was waren das für Skelette, die sich in dem Wrack befanden, und wo sind sie jetzt?“

      Wenn nicht unablässig die Stimmen des Dschungels von den nahen Flußufern die Umgebung mit schrillem Kreischen, mit Brüllen, Pfeifen und Zirpen erfüllt hätten, dann hätte man jetzt, bei dieser Frage des Seewolfs, die berühmten zu Boden fallenden Stecknadeln hören können. Hasard hatte damit gewissermaßen die Rätselfrage gestellt, die sie alle seit Tagen beschäftigte.

      Und sie brauchten nicht lange auf die Lösung zu warten.

      „Skelette Tote unseres Stammes“, berichtete der Indianer. „Wir schon lange die Reste von Schiff benutzen für unsere Ahnen. Wir legen Tote in Schiff ab, mit Gesicht zu Sonne und Wasser. Wenn Gebeine gebleicht, wir holen sie. Auch in der Nacht wir haben Gebeine geholt, als wir dieses Schiff gesehen haben. Es war noch nicht Zeit, aber Ahnen sollen in Sicherheit sein.“

      „Was tut ihr mit den Gebeinen, wenn sie in der Sonne gebleicht worden sind?“

      „Wenn ganz gebleicht, werden zu Staub zerrieben wie Pulver“, erklärte der Indio und beschrieb dabei mit zahlreichen Armbewegungen, wie die Gerippe im Mörser zerstampft wurden. „Wenn Staub, dann mit Bananenbrei vermischt. Götter wollen, daß Ahnen so gegessen werden. Sind dann eins mit uns.“

      Für einen Moment herrschte Totenstille. Die Männer sahen sich mit starren Gesichtern an, und Bill, der Moses, verfärbte sich allmählich grün im Gesicht. Auch den anderen konnte man ansehen, daß sie auf die Kochkünste des Kutschers am heutigen Tag wohl keinen großen Wert mehr legen würden.

      Dan O’Flynn preßte sich die rechte Hand auf die Magengegend und kniff die Lippen zusammen.

      Die Stirn Ed Carberrys legte sich in Falten, und sein zernarbtes Gesicht verwandelte sich augenblicklich in eine furchterregende Grimasse.

      „Was? Wie?“ fragte er. „Die beiden Stinte wollen hier wohl Witze erzählen? Leider kann ich darüber gar nicht lachen. Man sollte ihnen ein Stück Tau über den Achtersteven ziehen, wenn sie sich einbilden, daß wir ihnen solchen Unsinn abkaufen. Oder soll ich ihnen vielleicht eigenhändig die Haut in ganz schmalen Streifen von ihren karierten …“

      „Schon gut, Ed“, stoppte Hasard die unchristlichen Pläne seines grimmig dreinblickenden Profos’. „Was die beiden Burschen eben erzählt haben, ist kein Witz, auch wenn es sich im ersten Moment so anhört. Ich habe schon einige Male davon gehört, daß es Volksstämme gibt, zu deren Religion es gehört, ihre Ahnen in pulverisierter Form zu verspeisen. Ich habe es zunächst auch für Unsinn gehalten, aber jetzt, da unsere beiden Besucher in aller Selbstverständlichkeit darüber berichten, zweifle ich nicht mehr daran. Außerdem wissen wir