Die anderen lachten, aber Marcos sagte ernst: „Es wäre keine so schlechte Idee, auf Coral Island auch Hopfen und Gerste anzubauen. Überhaupt gibt es noch viele Pläne, wir sollten sie gemeinsam durchsprechen.“
„Meine weißen Brüder bleiben ein paar Tage“, sagte Shawano. „Wir haben genug Zeit, über alles ausführlich zu beraten und dann abzustimmen.“
„Nein“, sagte der Seewolf. „Es tut mir leid, aber das müssen wir euch überlassen. Was ihr tut, findet ohnehin unsere Zustimmung, das wißt ihr. Und wir müssen weiter – zurück zur Schlangen-Insel. Arkana, Araua, Karl von Hutten, Ramsgate und die anderen erwarten uns dringend. Die, Schlangen-Insel ist unbewacht. Die ‚Wappen von Kolberg‘ befindet sich, wie ich dir erzählt habe, noch vor Tortuga.“
„Du willst schon heute wieder auslaufen?“ fragte Tamao bestürzt. Wie Asiaga war er keinen Augenblick von der Seite des Seewolfs gewichen, seit dieser die Insel betreten hatte.
„Ich muß es tun“, erwiderte Hasard. „Und ihr müßt dafür Verständnis haben. Es wird ohnehin nicht lange dauern, und wir kehren zurück und holen die ‚San Donato‘.“
Shawano nickte mit würdevoller Miene und bedeutete allen anderen durch eine Gebärde, zu schweigen. „Was mein Bruder Hasard tut, ist gut getan. Es steht uns nicht zu, ihn unnötig zurückzuhalten. Unsere Wünsche und Gebete begleiten ihn und seine Freunde.“
Sie ließen sich gemeinsam an den Feuern nieder und genossen das Mahl, dann aber drängte der Seewolf zum Aufbruch. Der Abschied war kurz, aber herzlich. Asiaga standen die Tränen in den Augen. Siri-Tong sprach ein paar tröstende, beschwichtigende Worte, aber auch ihr fiel es nicht leicht, sich von diesen Menschen zu trennen, und sie vergaß auch nicht, sich bei den Timucuas für deren Gastfreundschaft zu bedanken.
Am frühen Nachmittag begaben sich Kapitäne und Mannschaften wieder an Bord ihrer Schiffe. Kommandorufe ertönten, die Anker wurden gelichtet und gekattet, dann setzten die Männer die Segel, und in derselben Formation wie zuvor gingen die vier Schiffe wieder in See – voran die „Isabella IX.“, hinter ihr die „Le Vengeur III.“, dann die „Tortuga“ und schließlich „Eiliger Drache über den Wassern“. Hoch am Wind auf Backbordbug liegend gingen sie auf Kurs und waren den Augen der Beobachter auf Coral Island kurze Zeit später entschwunden.
„Bald sehen wir sie wieder“, sagte Shawano – und wieder sollte er recht behalten.
Der grauhaarige Seemann hatte die „Schildkröte“ mit leichter Schlagseite verlassen und war weinselig und von einem Gefühl der Euphorie erfaßt zu seiner Schaluppe zurückgekehrt.
Jetzt war es Diego, der sich an dem Tisch von Arne von Manteuffel, Oliver O’Brien, Carlos Rivero und Willem Tomdijk niederließ. Er hatte einen vollen Weinkrug mitgebracht, grinste, füllte die Becher und sagte: „Na, ich will mal nicht so sein. Ihr seid gute Kunden, euch will ich zuvorkommend bedienen.“
Willem mußte lachen. „Ich denke, die Geschäfte laufen schlecht, Diego.“
Das alte Schlitzohr blickte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. „Das tun sie auch. Schließlich kehren bei mir nicht jeden Tag Leute wie ihr ein. Der alte Grauhai zum Beispiel – der hätte höchstens ein paar müde Copper hiergelassen, wenn ihr nicht laufend welche ausgegeben hättet.“
„Schon gut“, sagte Carlos. Zu Willem gewandt meinte er: „Gib es auf, gegen Diego kommst du nicht an. Hasard hat uns ja vor ihm gewarnt – und Jean Ribault auch.“
„Ach, die übertreiben“, sagte Diego mit einer wegwerfenden Geste. „Ich bin ein aufrichtiger, ordentlicher Wirtsmann, der seine Kunden nicht betrügt. Gepanschten Wein habe ich noch keinem kredenzt, und bei mir gibt es auch keinen andalusischen Schlaftrunk wie bei einem gewissen Plymson in Plymouth.“
„Ja, das glauben wir“, sagte O’Brien und setzte eine amüsierte Miene auf. „Aber nun mal ehrlich, Diego: Wie viele von den Mädchen hast du heute schon an Freier verkuppelt? Wir sehen doch, was du hinter deinem Tresen an den Tischen treibst. Dauernd tuschelst du mit den Kerlen, und ab und zu verschwindet einer mit einer der Ladys. Manon hat wohl einen großzügigen Anteil mit dir ausgehandelt, was?“
Diego grinste breit, seine Mundwinkel drohten die Ohrläppchen zu berühren. „Umgekehrt. Ich habe ihn mit ihr ausgehandelt.“
„Und gemeinsam haut ihr die angetrunkenen Seeleute übers Ohr, wie?“ sagte Arne von Manteuffel. „Na, das sind mir vielleicht Sitten.“
Diego wurde stockernst. „Das ist eine Unterstellung. Es geht sauber und reell zu, ohne Tricks und doppelten Boden. Die Täubchen liefern ja schließlich eine erstklassige Ware für den Preis, und ohne meine Vermittlung würde so manches Stelldichein gar nicht erst klappen. Also?“
„Also, wir ergeben uns“, erwiderte Willem Tomdijk. „Im Prinzip geht es uns ja auch nichts an, was du mit Manon ausheckst. Boussac wollte dich schließlich am Gewinn beteiligen.“
Diego beugte sich etwas vor. „Seht ihr die beiden da drüben, den rothaarigen Bretonen und den Portugiesen mit den strähnigen Haaren? Die sind auch bald reif. Sie sind von Hispaniola herüber gesegelt, um was zu erleben. Sie wissen bloß noch nicht, wie sie sich an die Mädchen ranpirschen sollen. Sie haben zu wenig Erfahrung. Aber gleich schicke ich die kleine Esther zu ihnen. Mal sehen, wen wir dann noch zur Verfügung haben.“
Arne von Manteuffel, O’Brien und Carlos Rivero musterten die beiden Neulinge unauffällig.
„So unerfahren sehen die mir nicht aus“, sagte Arne. „Vielleicht gaukeln sie dir nur was vor, Diego, um den Preis herunterzuhandeln.“
„Da liegen sie bei mir falsch. Diego läßt nicht mit sich handeln und gewährt auch keinen Kredit.“ Grinsend sah er sich nach allen Seiten um und hielt plötzlich in der Bewegung inne. Er schien jemanden entdeckt zu haben, der größere Aufmerksamkeit verdiente. Mit einem Ruck erhob er sich und eilte auf den schlanken, großen Mann zu, der völlig unbemerkt die Höhlenkneipe betreten hatte.
„El Tiburon“, sagte er mit überschwenglichem Gebaren. „Wie geht’s denn so, alter Freund? Willst du dir tüchtig einen hinter die Binde kippen? Nur zu, ich habe gerade einen prächtigen Tropfen hereingekriegt, der dir sicher zusagt. Wie wär’s mit einer Probe? Ich sitze gerade mit ein paar Freunden am Tisch, die würden dich bestimmt auch gern kennenlernen.“
Fast zerrte er den Fremden zu Arne, O’Brien, Carlos und Willem an den Tisch. Dem Mann schien es zu widerstreben, so zur Schau gestellt zu werden, aber Diego wußte, daß Arne jeden Mann von Tortuga kennenlernen wollte, und so ließ er sich die Gelegenheit nicht entgehen, einen neuen „Kontakt“ herzustellen. Immerhin war er ein Meister im Verkauf von Informationen aller Art, und auch Arne ließ sich nicht lumpen. Ein paar Silberlinge hatte er dem Dicken schon zugesteckt.
Diego hieb dem großen Mann auf die Schulter. „Hier, setz dich hin! Sieh dir diese feinen Kerle an – sie sind meine Freunde. Sie heißen Arne von Manteuffel, Oliver O’Brien, Carlos Rivero und Willem Tomdijk. He, das ist ‚El Tiburon‘, der Hai, ein Kerl wie Samt und Seide, der weder Tod noch Teufel fürchtet.“
El Tiburon setzte sich und grinste schwach. „Diego übertreibt mal wieder maßlos. Aber es freut mich, euch persönlich kennenzulernen, ich habe eure Namen nämlich schon gehört.“
„Wo?“ fragte Arne überrascht. „Wir haben dich noch nie gesehen.“
„Hier auf Tortuga. Ich bin seit acht Tagen hier, war auf der Jagd und habe von der Schlacht, die sich abgespielt hat, einiges mitgekriegt. Großartig, wie ihr die Black Queen in die Flucht geschlagen habt. Ich stehe auf eurer Seite. Von der Queen will hier so gut wie keiner was wissen, sie ist eine Gefahr für alle.“
Diego schenkte Wein nach und schob auch El Tiburon einen vollen Becher zu. Aufmerksam musterten Arne und seine drei Gefährten den großen Mann. Er war schlank, sehnig, schien voll unterschwelliger Kraft zu stecken und wirkte mit seinem dunklen Haar und dem mahagonifarbenen Teint wie der Inbegriff eines Spaniers.
„El