Nachdem der erste Begrüßungssturm abgeklungen war, fand der Seewolf ausreichend Gelegenheit, sich mit Shawano zu unterhalten und ihn über die Geschehnisse in El Triunfo, auf Gran Cayman und auf Tortuga zu unterrichten.
Schweigend lauschte der Häuptling dem Bericht. Als Hasard geendet hatte, sagte er: „Die Götter werden jeden strafen, der sich gegen euch wendet. Die Black Queen ist verflucht, ihre Schergen werden eines schrecklichen Todes sterben. Du, Hasard, kämpfst für eine gerechte Sache – Frieden in der Karibik. Eines Tages wird kein Kanonenschuß mehr fallen und kein Blut mehr fließen.“
„Ich hoffe, daß sich deine Vorausschau erfüllt“, sagte der Seewolf, obwohl er in diesem Punkt eher skeptisch war. „Aber laß uns jetzt über den Grund meines Hierseins sprechen. Ich will zurück zur Schlangen-Insel, hielt es aber für richtig, bei dir einen kurzen Zwischenaufenthalt einzulegen.“
Shawano lächelte. „Du willst wissen, wie es vorangeht, welche Arbeiten inzwischen durchgeführt worden sind. Überzeuge dich selbst davon, ob wir Fortschritte erzielt haben oder nicht.“
„Verstehe mich bitte nicht falsch“, sagte der Seewolf. „Ich bin weder euer Oberaufseher noch euer Ratgeber. Die Verwaltung von Coral Island obliegt dir und deinem Ältestenrat, Shawano. Ich will nur nachsehen, ob es euch an etwas mangelt. Wenn ihr Geräte braucht, besorge ich sie euch.“
Shawano legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nie würde Shawano seinen weißen Freund Hasard mißverstehen. Komm, ich will dir die Felder zeigen, die wir angelegt haben. An Gerätschaften haben wir alles, was wir brauchen, und es könnte uns nicht besser gehen. Wir sind zufrieden und glücklich, keiner hat bereut, Florida und das Delta des Mississippi verlassen zu haben. Unser ewiger Dank ist dir gewiß.“
Diese Worte brachten den Seewolf fast in Verlegenheit. Er zog es vor, Shawanos Vorschlag zu folgen. Sie brachen zu einem kurzen Marsch ins Innere der Insel auf. Marcos, Tamao, Asiaga, Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal und Reeves begleiteten sie. Schon wenig später blieben sie stehen, und wieder lächelte Shawano, denn seine Besucher setzten erstaunte Mienen auf.
Fischteiche, von den Quellen der Insel gespeist, waren entstanden, über ein Dutzend, und jeder davon mit größter Präzision quadratisch angelegt. Es gab einen Hühnerhof und Schweinekoben, und im Zentrum von Coral Island dehnten sich frisch bebaute Felder aus. Erste grüne Pflänzchen waren bereits gewachsen, und stolz erklärte Tamao, daß es sich um Mais und Weizen handele.
„Unglaublich“, sagte der Seewolf. „Das hätte ich nie für möglich gehalten. Wie habt ihr das fertiggebracht?“
„Wir sind eben Ackerbauern“, erwiderte Shawano bescheiden. „Was du hier siehst, ist auch nur der Anfang von allem. Komme in zwei Monden wieder, und du wirst die ganze Insel nicht wiedererkennen.“
„Es ist erstaunlich, was diese Menschen zustande bringen“, sagte Marcos. „Sie sind fleißig wie die Ameisen – und genauso flink. Wir selbst können uns an ihnen ein Beispiel nehmen. Mariano, Domingo, Rafael und ich haben übrigens schon eine Menge von den Timucuas gelernt.“
„Und die vier erzählen uns dafür Seemannsgeschichten, bei denen man das Grausen kriegt“, sagte Asiaga lachend.
„Wahre Geschichten“, sagte Marcos. „Nichts daran ist erfunden. Wollen wir wetten?“
„Nein“, erwiderte sie. „Ein Timucua wettet nicht.“
„Schon gut“, sagte der Spanier und seufzte. „Das weiß ich ja. Und ihr spielt auch nicht mit Würfeln. Dafür aber könnt ihr Brot backen, Fische braten, Gemüse pflanzen und ernten, Schuhe und Kleider aus selbstgegerbtem Leder und von euch gewebten Stoffen anfertigen. Wenn das so weitergeht, heirate ich noch eines von euren Mädchen.“
„Langsam, langsam“, sagte Siri-Tong. „Das wohl nur, wenn die Timucuas einverstanden sind. Und wenn ihr euch hier nicht anständig betragt, Don Marcos, werdet ihr auf ein Eiland umgesiedelt, auf dem es nur Felsen und Miesmuscheln gibt.“
„Um Himmels willen, nein!“ stieß Marcos hervor. „Wir benehmen uns wie gesittete Menschen! Über uns werden keine Klagen zu hören sein! Shawano, sag ihnen, was für ordentliche Menschen wir sind!“
Alle mußten lachen. Natürlich wußte Siri-Tong so gut wie Hasard, daß die vier Spanier längst zur Inselgemeinschaft gehörten und man sich auf sie verlassen konnte wie auf Buddy Bolden und dessen „Großfamilie“ sowie die drei Pearsons, die am Mississippi mitgeholfen hatten, die Timucuas von dem Sumpffieber zu heilen.
Der Seewolf, die Rote Korsarin, der Wikinger, Jean Ribault und Jerry Reeves waren heilfroh, daß sich die Indianer auf Coral Island eingelebt hatten und mit ihrer neuen Heimat zufrieden waren. Schon die erste Ernte würde die Versorgung der Schlangen-Insel sicherstellen, künftig war es für den Bund der Korsaren kein Problem mehr, die Proviantfrage zu regeln.
In diesem Zusammenhang mußte noch geklärt werden, was mit der Galeone „San Donato“ geschehen sollte. Hasard, Shawano und die anderen verharrten auf einem nur mit Büschen bestandenen Hang, als sie wieder zur Ankerbucht zurückkehrten.
„Das Schiff“, sagte der Häuptling. „Ich will es gern instand setzen, aber meine Männer wissen nicht, wie sie es an Land ziehen sollen.“
„Zum Aufslippen fehlen uns die Hilfsmittel“, sagte Marcos. „Dabei wäre wirklich dringend notwendig, den Rumpf vom Muschelbewuchs und den Algen zu befreien. Er hat eine Generalüberholung nötig und muß auch kalfatert werden.“
„Richtig“, pflichtete Hasard ihm sofort bei. „Die ‚San Donato‘ ist wichtig für uns, sie darf nicht vernachlässigt werden. Wir brauchen sie später insbesondere für Transportzwecke, außerdem sichert sie den Bewohnern von Coral Island ihre Unabhängigkeit und Beweglichkeit.“
„Wir könnten sie zur Schlangen-Insel überführen und dort gründlich überholen“, schlug Jean Ribault vor. „Ramsgates Werft bietet sich für diesen Zweck doch an.“
„Vergeßt nicht, daß der alte Hesekiel zur Zeit noch mit der Ausrüstung der ‚Empress of Sea‘ beschäftigt ist“, sagte Thorfin Njal.
„Die Werft ist noch nicht wieder frei“, sagte der Seewolf und wandte sich Shawano, Marcos, Tamao und Asiaga zu. „Wenn aber die ‚Empress‘ seetüchtig ist, kehren wir zu euch zurück und holen die ‚San Donato‘. Ihr könnt in der Zwischenzeit schon die Crew zusammenstellen, die das Schiff dann segelt.“
„Darum werden sich Marcos, Domingo und Rafael kümmern“, sagte Shawano. „Aber laßt uns jetzt zu unseren Brüdern und Schwestern gehen, sie warten bereits auf uns.“
Am Strand war ein Fest improvisiert worden. Der Klang von Trommeln empfing die Ankömmlinge, Indianerinnen klatschten im Takt in die Hände und bewegten sich im Kreis. Feuer waren entfacht worden, Fische und Geflügel wurden von flinken Händen ausgenommen, von Schuppen und Federn befreit, gewaschen und auf Spieße gesteckt, die die Timucuas über der Glut drehten.
Hasard ließ ein paar Fässer Wein von der „Isabella“, der „Le Vengeur III.“ und der „Tortuga“ holen, der Wikinger stiftete ein Faß Bier zur Feier des Tages. Die Humpen, Mucks und Becher wurden gefüllt und gingen reihum. Die Indianer kosteten nur von den Getränken und staunten über den kräftigen Zug, den die Seeleute ihnen vorexerzierten.
„Ein vorzüglicher Tropfen“, sagte Domingo, der Spanier, nachdem er von dem Wein gekostet hatte. „Wenn mich nicht alles täuscht, stammt er aus meinem Heimatland.“
„Das ist richtig“, sagte der Seewolf. „Frag mich aber nicht, auf welche Weise ich in den Besitz der Fässer gelangt bin.“
„Das tue ich nicht. Aber ich will dir etwas verraten: Wir werden selbst Wein anbauen und die Trauben in Bottichen gären lassen. Ich habe Rebstöcke gesetzt, auf einem sonnigen Hang im Inneren der Insel.“ Stolz lächelte Domingo. „Ich verstehe etwas davon, mein Vater hatte daheim in Andalusien einen Weinberg. Den eigenen Tropfen werden wir aber erst in zwei Jahren probieren können, so lange dauert es, bis die Reben hoch genug sind und tragen.“
„Wir