„Der Verein teilte uns mit, dass sein Ruhepuls zu hoch war“, offenbarte seine Mutter dem britischen Boulevardblatt The Sun. „Ich musste Berge von Papierkram ausfüllen, damit er die Zulassung bekam und sie ein paar Untersuchungen machen konnten. Schließlich hat man sich für eine Operation entschieden. Es ist ein Laser zum Einsatz gekommen, um die beschädigte Zone in seinem Herzen zu reparieren, und nach ein paar Tagen Erholung hat man ihn wieder entlassen. Bevor ich wirklich genau wusste, was los war, habe ich mir schon ziemlich Sorgen gemacht, dass er vielleicht mit dem Fußball aufhören müsste.“ Er hatte einen angeborenen Herzfehler. Deshalb war sein Pulsschlag höher als normal, aber seine Karriere hat das nicht beeinflusst. „Ein paar Tage nach dem Eingriff war er wieder zurück beim Training mit seinen Mannschaftskameraden“, sagt seine Mutter. „Er konnte sogar noch schneller rennen als vorher.“
Er läuft nicht nur schnell, sondern klettert auch mit unglaublichem Tempo die Karriereleiter nach oben. Mit 16 ist Ronaldo ohne jede Frage der Starspieler der Akademie. Er ist der einzige Spieler in der langen Geschichte des Vereins, der in einer einzigen Saison für die U16, die U17, die U18, die 2. und die 1. Mannschaft angetreten ist. Im August 2001 unterschreibt er seinen ersten Profivertrag: Laufzeit vier Jahre, 2.000 Euro pro Monat und eine festgeschriebene Ablösesumme von 20 Millionen Euro. Er verlässt das Wohnheim der Akademie und zieht in eine Unterkunft in der Nähe des Platzes Marquês de Pombal im Herzen von Lissabon. Dort bleibt er, bis er eine Wohnung findet, wo auch seine Familie ihn öfter besuchen kann. Der Junge ist erwachsen geworden. Er ist jetzt eigenständiger und beschließt, sich einen neuen Berater zu suchen. Er trennt sich von Luis Vega, dem Mann, der auch Figo berät, und legt die Zukunft seiner Karriere in die Hände von Jorge Mendes.
Im August 2001 bekommt die Profimannschaft von Sporting einen neuen Trainer. László Bölöni ist ein Rumäne ungarischer Abstammung und ehemaliger Mittelfeldstar von Steaua Bukarest, wo er 1986 den Europapokal der Landesmeister gewann. Er trainierte sechs Jahre den französischen Klub AS Nancy und nahm nach einem kurzen Intermezzo als rumänischer Nationaltrainer das Angebot von Sporting an. In seinem ersten Jahr gewinnt er die Meisterschaft und den portugiesischen Pokal und wird auf Spieler wie Cristiano, Ricardo Quaresma und Hugo Viana aufmerksam. Er setzt alles daran, Cristiano so schnell wie möglich in die Profimannschaft zu holen. Gelegentlich darf Cristiano sogar schon mit den Starspielern trainieren. Die Mediziner raten vorerst jedoch von diesem Schritt ab, weil er sich noch im Wachstum befindet. Allerdings ist klar, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Junge von Madeira sein Profidebüt gibt.
Kapitel 4
17 Jahre, acht Monate, zwei Tage
Die ersten Schritte als Profi
„Den richtigen Ronaldo müssen sie erst noch kennenlernen. Das hier ist erst der Anfang.“
Ein grün-weißer Bus befindet sich auf dem Weg zum Trainingsgelände von Sporting im Vorort Alcochete. Man schreibt den 1. Juli 2002, und es ist Cristianos erster Tag mit der Profimannschaft. Der rumänische Trainer László Bölöni hat ihn für die Saisonvorbereitung hochgestuft, gemeinsam mit drei anderen Spielern aus der 2. Mannschaft: Custódio, Carlos Martins und Paíto. „Ich hoffe, dass ich gut spielen werde und bei den Profis bleiben kann. Ich will mein Bestes geben und versuchen, den Erwartungen des Trainers gerecht zu werden“, erklärt ein bescheidener Ronaldo und fügt noch hinzu: „An der Seite von João Pinto und Jardel zu spielen, da wird ein Traum wahr. Sie sind großartige Vorbilder für einen Fußballspieler.“
Fünf Tage später ist das erste Spiel angesetzt, gegen Samouquense, eine Mannschaft aus der 1. Liga des Distrikts Setúbal. Sie gewinnen es mit 9:0. Als Nächstes geht es gegen den Drittligisten UD Rio Maior: 5:0 für die Löwen von Sporting. Ronaldo befindet sich in Topform und schießt auch ein Tor. Doch Bölöni geht behutsam vor. Der Junge ist es gewohnt, als Spitze zu spielen. Der Trainer stellt ihn jedoch auf dem linken Flügel auf. Dort kann er seine Schnelligkeit gut ausspielen. Außerdem ist diese Position besser für ihn, weil er körperlich noch nicht weit genug ist, um es mit den gegnerischen Mittelfeldspielern aufzunehmen. Er enttäuscht jedenfalls nicht. Er ist schnell, er hat eine gute Ballkontrolle, und er bereitet seinen Gegenspielern einige Schwierigkeiten.
Der Trainer wiederholt dieses Experiment bei Sportings offizieller Saisoneröffnung am 14. Juli 2002 vor vielen Fans und Aktionären im Stadion José Alvalade. Gegner ist Olympique Lyon aus Frankreich. Die Begegnung endet 1:1, gibt den Zuschauern jedoch die Möglichkeit, das Juwel der Jugendakademie in Augenschein zu nehmen. „Dieser Junge ist einer, den man im Auge behalten muss“, schreibt die Sport-Tageszeitung Record. „Er weiß, wie man seinen Gegner abschüttelt. Er kann dribbeln, und er hat ein Näschen für Tore.“ Das stimmt – Cristiano erzielt ein Tor bei seinem ersten Auftritt in dem Stadion, in dem er vor Kurzem noch nur Balljunge gewesen ist. Zu Unrecht wird es vom Schiedsrichter aberkannt.
Weniger als eine Woche später ist es Zeit für ein Rendezvous mit einer anderen Mannschaft aus Frankreich: Paris Saint-Germain. Die Begegnung endet 2:2, und Cristiano Ronaldo hat mal wieder eine Überraschung auf Lager. Als nach dem Spiel alle von ihm erwarten, dankbar und emotional zu sagen, dass es der glücklichste Abend seines Lebens gewesen sei, da eröffnet er ihnen stattdessen: „Den richtigen Ronaldo müssen die Aktionäre erst noch kennenlernen. Das hier ist erst der Anfang.“ Er ist vorlaut, respektlos und sehr selbstsicher. Nichtsdestotrotz hat er auf dem linken Flügel gut gespielt, drei Mal aufs Tor geschossen, und man redet bereits von einem neuen Star bei den Löwen.
Der Trainer beeilt sich, den leidenschaftlichen Ausbruch herunterzuspielen. „Ronaldo ist ein junger Mann mit exzellenten Fähigkeiten, aber er ist noch kein voll entwickelter Spieler.“ Auf jeden Fall ist er nur bereit, ihn für Kurzauftritte von 15 oder maximal 20 Minuten zu bringen und zunächst auch lediglich in den Freundschaftsspielen des Sommers, so wie am 27. Juli im Derby gegen Benfica oder am 1. August gegen den FC Pontevedra aus Spaniens 3. Liga. Doch allmählich beginnt der Junge, ein fester Teil im Spiel der Löwen zu werden, und seine Auftritte machen Hoffnung.
Am 3. August tritt Sporting gegen eine andere Mannschaft in GrünWeiß an, Betis Sevilla, die sich gerade in Maia in Nordportugal aufhält. In der 77. Minute nimmt László Bölöni vier Einwechslungen vor. Danny kommt für Pedro Barbosa, Luís Filipe für Quaresma, Diogo Matos für den Rumänen Marius Niculae, und Rui Bento wird durch die Nummer 28 ersetzt – „Ronaldo Cristiano“, wie es im Stadionheft heißt. Quaresma trifft in der 27. Minute, Alfonso Pérez gleicht in der 30. aus, und Barbosa bringt sie in der 53. Minute wieder in Führung – 2:1 für die Mannschaft aus Portugal.
In der 84. Minute gleicht Alfonso mit seinem zweiten Tor an diesem Abend erneut aus. Man hat das Gefühl, das sei es gewesen. Zwei Minuten später versucht Sevillas argentinischer Stürmer Gáston Casas sogar, das Siegtor zu erzielen. Nur eine spektakuläre Abwehraktion des brasilianischen Verteidigers César Prates verhindert dies. Das Spiel geht in die Verlängerung, und nun sieht man endlich, was dieser 17-jährige Junge alles kann.
Abwehrfehler von Sevillas selbstsicherem Verteidiger Juanito: Sein Mannschaftskollege tritt einen Freistoß, und er nimmt den Ball mit der Brust an. Doch er bekommt ihn nicht richtig unter Kontrolle, die Kugel springt ihm weg, und Cristiano schießt wie der Blitz auf ihn zu. Er stibitzt ihm den Ball mit der Hacke, holt ihn wieder vor sich und macht sich auf die linke Seite auf. Er dribbelt in Richtung von Betis’ Torhüter Toni Prats, erspäht aus einer eigentlich unmöglichen Position weit links das leere Tor und zielt auf die lange Ecke. Der Schuss geht an Verteidiger David Rivas vorbei, dessen verzweifelter Sprung den Ball nicht mehr abwehren kann. Es ist ein phänomenales Tor, das Können, Technik, Ballkontrolle, Potenzial und Torriecher beweist.
Cristiano wechselt explosionsartig in den Feiermodus, läuft einmal um den Platz und wirft Kusshändchen in Richtung Tribüne. Es ist sein erstes Tor im Sporting-Trikot, und er hat sich den 3:2-Sieg verdient. Die portugiesische Presse nennt sein Tor „ein Kunstwerk“. Das Tor zementiert sein Selbstbewusstsein und vertreibt die letzten Spuren von Angst. Bis dahin war er stets nervös gewesen, wenn er bei den Profis spielte – er hatte das Gefühl, ihnen nicht ebenbürtig zu sein, als wenn er nur ein kleiner Junge unter