Fettnäpfchenführer Bayern. Nadine Luck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadine Luck
Издательство: Bookwire
Серия: Fettnäpfchenführer
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783958892132
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      »Einfach ja – ohne niemals nie nicht? «, fragt Jochen.

      »Einfach ja.«

       BAYERISCH VERSUS BAIRISCH

      In diesem Buch ist mal »bayerisch« und mal »bairisch« zu lesen. Das bedeutet nicht, dass es mangelhaft korrigiert ist, nein: Es sollte (hoffentlich) an den entsprechenden Textstellen richtig dastehen. »Bairisch« ist die korrekte Schreibweise bei allem, was sich auf die Sprache und den Dialekt bezieht. Geht es um Politisches, Geografisches und Kulturelles, heißt es »bayerisch«. Doch Vorsicht: Im Freistaat sprechen die Menschen nicht nur bairisch, es sind auch fränkische und schwäbisch-alemannische Dialekte zu hören. Andererseits sprechen auch Österreicher, Südtiroler und manche Schweizer bairische Mundart.

      Übrigens: Das Adjektiv »bayerisch« existiert auch in der Variante »bayrisch«. Mit »e« wird es in der Regel in der Hochsprache und in Eigennamen geschrieben, etwa wenn es um den Bayerischen Rundfunk oder den Bayerischen Wald geht. Umgangssprachlich aber trifft man häufig auch »bayrisch« ohne »e« an, gerne auf Speisekarten, die bayrischen Schweinsbraten anpreisen. Der Duden erlaubt beide Versionen, wenn es nicht um Eigennamen geht. Ansonsten dürfen Dialektwörter übrigens geschrieben werden, wie der Verfasser lustig ist. Es gibt keine bayerische Rechtschreibung. Auch wenn es um die Landeshauptstadt geht, sind die Schreibweisen »Münchner« und »Münchener« erlaubt. Bis 1998 gab es kurioserweise ein Sicherheitsunternehmen namens Münchener Wach- und Schließgesellschaft, während die Kabarettgruppe Münchner Lach- und Schießgesellschaft heißt. Und der Münchner Merkur erscheint tatsächlich im Münchener Zeitungsverlag. Dem Platz Münchner Freiheit, der früher Münchener Freiheit hieß, wurde 1998 ebenso wie dem U-Bahnhof durch eine offizielle Umbenennung das »e« entzogen. 160 Bürger mussten ihre Adresse ändern, ohne dass sie umgezogen sind. Die gleichnamige Musikgruppe, die unter anderem mit dem Lied Ohne Dich (Schlaf’ Ich Heut’ Nacht Nicht Ein) bekannt wurde, hat das »e« im Namen übrigens behalten. Man möchte fast sagen: So ein Schmarr(e)n!

       Obacht, neidabbd!

      Doppelt verneint hält besser, denken sich die Bayern. Daher konstruieren sie Sätze im Stile von »Das hätt’ ich niemals nie nicht gedacht« oder »Der Martin hat koa Freindin ned« (Martin hat keine Freundin nicht) – quasi, um die Verneinung zu betonen, und nicht, wie logischerweise vermutet werden könnte, um zu bejahen: Denn Minus plus Minus ergibt im Bairischen kein Plus. Rhetoriktrainer würden von diesem Vorgehen abraten. Um Botschaften zu überbringen, empfehlen sie sowieso, Sätze positiv zu formulieren. »Martin ist Single« – das wäre deutlich. Die doppelte bairische Verneinung ist für Nicht-Bayern oft eine extreme Herausforderung, insbesondere wenn der Inhalt des Satzes so wichtig wie die Reaktion auf einen Heiratsantrag ist. Den Bayern ist das aber egal, sie verstärken damit ihre Aussage. »In meiner Familie hat keiner niemals nicht keine SPD ned gewählt«, so könnte ein typischer Satz lauten, der mathematisch vielleicht kompliziert ist, aber bei dem jeder weiß: Wir alle sind Stammwähler der CSU. Aber warum sollten die Bayern ihre Botschaften so formulieren, wenn es fünffach verneint auch klappt? Und was dem Bayern sein »kein … nicht« ist – etwa in »das interessiert keine Sau nicht« –, das ist dem Franzosen sein »ne … pas« oder den Sängern von Pink Floyd ihr »We don’t need no education«.

       PARLEZ-VOUS BAIRISCH?

      Viele Menschen schimpfen darüber, dass die deutsche Sprache durch und durch von englischen Wörtern durchzogen ist. Das ist sie auch – aber die Bayern treiben es im Speziellen noch doller: Sie haben obendrein viele Wörter aus dem Französischen übernommen – deutlich mehr als die meisten anderen deutschen Dialekte. Das Verb pressieren stammt etwa vom Französischen se presser (sich beeilen) ab. Wenn es pressiert, ist höchste Eile angesagt. Zum Bürgersteig sagen viele Bayern nach wie vor der Trottoir und zum Nachttopf Potschamperl, was dem französischen pot de chambre entspricht. Ebenfalls häufig zu hören ist wisawi, was gegenüber bedeutet und auf Französisch vis-à-vis heißt. Statt auf dem Sofa liegen viele Bayern auf dem Kanapee, genau wie die Franzosen es sich auf le canapé gemütlich machen. Der deutsche Adel hatte sich die französischen Begriffe im 17. Jahrhundert gemeinsam mit französischen Möbeln, französischer Mode und französischen Manieren zu eigen gemacht. Als auch Bauern und Kleinbürger begannen, ihre Holzstühle gegen schickeres Mobiliar zu tauschen, bekam auch ihre Alltagssprache ein schickes Vokabel-Upgrade. Merci dafür – oder, wie es in Bayern oft heißt, Measse.

      5

       WAU, DERWALDI

       DAS ZAMPERL ALS HEILIGE KUH

      Wie im Urlaub fühlt sich das frisch verlobte Paar beim Spaziergang im akkurat gepflegten Südteil des Englischen Gartens. Magdalena und Jochen bestaunen die Künste der Surfer am Eisbach, genießen die Rhythmen der Trommler auf der Wiese unterhalb des Monopteros – und als sie ebendort zwei Nackte beim Frisbeewerfen sehen, muss Jochen grinsen. »Es gibt sie also wirklich, die weltberühmten Nackerten Münchens! Schon lustig, dass diese Nackedeis hier in der Hauptstadt des erzkonservativen Bayerns offenbar zum Stadtbild gehören, während sie kaum durch den Hyde Park des vermeintlich cooleren Londons oder den Central Park des freakigen New Yorks laufen würden.«

      »Ach, eigentlich werden die Nackerten immer weniger«, sagt Magdalena in einem traurigen Tonfall, als würde sie den Verfall einer Münchner Sehenswürdigkeit wie etwa der Frauenkirche beklagen. »Ich sehe jedenfalls nur noch selten welche.« Dann fügt sie mit einem schelmischen Grinsen hinzu: »… aber vielleicht schau ich auch nicht so genau hin wie du.« Als den beiden im nächsten Moment eine Haschisch-Duftwolke in die Nase steigt, lacht Jochen lauthals los. »Ach, ihr Bayern tut immer so brav und sauber und so, als würdet ihr alles verbieten. Und kaum spaziere ich durch euren Vorzeige-Park, fühle ich mich, als wäre ich in einem Saunaclub in Amsterdam.«

      Doch bald wird die Stimmung wieder bilderbuch-bayerisch. Die beiden gehen am Chinesischen Turm vorbei und beobachten Hunderte oder Tausende von Menschen dabei, wie sie den Herrgott bei Bier, Brezn und Blasmusik einen guten Mann sein lassen. Noch idyllischer wird es einige Schritte weiter am Ufer des Kleinhesseloher Sees. Gerade landet ein Schwarm Gänse auf dem Wasser. Ein herrliches Naturschauspiel – mitten in der Großstadt. An der anderen Seite des Sees liegt das Seehaus mit seinem Biergarten direkt am Ufer. Jochen seufzt zufrieden. »Ich könnte mich tatsächlich an das schöne München gewöhnen«, sagt er und zieht Magdalena an sich. »Und an meine schöne Münchnerin sowieso.« Dann küsst er seine zukünftige Braut. »Wollen wir uns auch dort hinsetzen?«, fragt er.

      »Ich würde gerne noch ein Stück gehen«, erwidert Magdalena. »Hier ist die Maß fast so teuer wie auf der Wiesn. Lass uns zum Aumeister-Biergarten am nördlichen Ende des Englischen Gartens gehen. Dort ist der wildere Teil des Parks, den möchte ich dir gerne zeigen. Wunderschön! Außerdem verirren sich zum Aumeister nicht so viele Touristen, es ist unaufgeregter und authentischer dort. Wirst sehen!«

      »Mit dir geh ich überall hin, auch in die Münchner Wildnis«, sagt Jochen – und hält inne. Plötzlich spürt er einen Schmerz in der rechten Wade. Er dreht sich um. Zuerst sieht er nichts, bis er nach unten blickt. Dort springt ein kleiner Hund herum, der ihn offenbar ins Bein gekniffen hat und ihn nun frech anbellt.

      »Du kleiner, mieser Kläffer, ja gibt’s denn das?«, schimpft Jochen und tritt in Richtung des Hundes, der nun zu jaulen beginnt. »Wer hat dich denn losgelassen? Angekettet gehörst du wie diese anderen herumrennenden Hunde auch! Ich glaub, ich spinne!«

      »Jetzt hören Sie aber mal auf!«, ruft eine junge Frau, die heraneilt und offenbar zum Hund gehört. »Waldi wollte doch nur spielen.«

      »Wenn Ihr Kläffer auf fremde Menschen losgeht, weil er sie mit seinem Happi verwechselt, gehört er weggesperrt!«, meint Jochen erbost.

      »Vorsicht, junger