Allerdings wohl weniger wegen meines Einsatzes als aufgrund der Tatsache, dass ein Schwall von Glassplittern ihm entgegengeregnet war, nachdem er die Frontscheibe mit seinem Schuss zertrümmert hatte.
„Waffe weg!“, rief ich. „Sofort!“
Er saß wie erstarrt da. Sein Waffenarm hing herab. Um mich zu erschießen, hätte er die Waffe noch einmal hochreißen müssen. Ich konnte die Anspannung in seinem Gesicht förmlich sehen.
„Über das, was Ihnen jetzt gerade durch den Kopf geht, sollten Sie nicht einmal nachdenken!“, riet ich ihm.
Er schluckte. Gleichzeitig bemerkte ich, wie sich die Muskulatur auf der Seite des Waffenarms bei ihm anspannte.
Vielleicht war es ihm gleichgültig, was passierte. Oder er war verrückt genug, um die Polizei als Instrument zur Inszenierung des eigenen Selbstmordes einfach mit einzukalkulieren.
Inzwischen hatten sich auch Jan Slieter und Kommissar Jensen an den Wagen herangearbeitet.
Als er Jan aus irgendeinem Grund bemerkte und sich halb herumdrehte, blickte er schon in den Lauf seiner Dienstwaffe.
„Es hat keinen Sinn. Es sei denn, Sie sind lebensmüde...“
„Ich wusste, dass ihr so reagieren würdet“, sagte er. „Es stand von Anfang an fest, ihr seid nicht zu täuschen.“
Er ließ sich von Jan widerstandslos die Waffe abnehmen und redete die ganze Zeit über weiter. Auch noch, als die Handschellen klickten und ihm die Rechte vorgelesen wurden. In seinem Fall hatte ich das Gefühl, dass er davon wohl kaum ein Wort mitbekam.
„Jetzt bin ich in eurer Hand“, sagte er. „In der Hand des Bösen...“
„Wir haben keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Benny“, stellte ich fest, nachdem ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war.
„Ihr seid doch die Diener des Satans!“, rief er.
„Sind Sie nicht auch einer?“, fragte ich etwas irritiert. „Sie tragen doch das Kreuz falsch herum um den Hals... Soweit ich weiß, ist das das Symbol des Satanismus.“
Seine Augen begannen jetzt fiebrig zu leuchten.
„Nein...“ rief er plötzlich wie irre. „Und ich habe gedacht, ihr hättet mich erkannt! Und dabei hattet ihr keine Ahnung...“
„Bringen wir ihn erstmal in Gewahrsam“, schlug Kommissar Jensen vor. „Und ich denke, dass als erstes eine psychologische Begutachtung angesagt ist.“
Auch wenn Kommissar Jensen offenbar die Ansicht vertrat, dass im Augenblick nichts als wertloses Gestammel aus Benny herauskam, sprach ich ihn noch mal an.
„Sie erinnern sich an Rabea, oder? An ihre roten Haare. Sie sind ihr gestern in Mäckis Bar begegnet.“
Sein Blick veränderte sich.
„Ich erinnere mich.“
„Sie sind ihr gefolgt.“
„Ihr seid allmächtig. Ihr seid allwissend und allsehend. Ihr seid die Diener des Satans. Die Beherrscher der Welt. Warum fragt ihr?“
„Was war mit Rabea?“, fragte ich. „War sie auch eine Dienerin des Satans?“
„Ich weiß nicht...“, murmelte er und senkte dabei den Blick.
„Ist es hier geschehen?“, hakte ich nach. „Sie sind ihr gefolgt, sie stieg in den Wagen. Sie haben Ihren Elektro-Schocker genommen und...“
„Braucht man!“, fuhr er dazwischen. „Braucht man so eine Waffe! Sonst ist man schutzlos. Aber es nützt nichts. Ihr seid überall.“
Jan schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Ubbo, du wirst hier und jetzt wohl kein vernünftiges Wort mehr aus ihm herausbekommen.“
Ich atmete tief durch. Wahrscheinlich hatte Jan Recht.
16
Verstärkung durch Kräfte der Bremer Polizei rückte an, um den Gefangenen abzutransportieren. Wenig später traf auch Dr. Frank Martin ein.
„Ich bin überzeugt davon, dass Rabea hier betäubt wurde“, meinte ich.
„Haben wir dafür einen schlüssigen Beweis?“, erkundigte sich Dr. Martin.
„Nein, aber er wäre vielleicht zu erbringen.“
„Und wie?“, mischte sich nun Jensen ein, dessen Tonfall seine Skepsis verriet.
„Ich vermute, dass Rabea ihren Wagen hier abgestellt hatte – das bedeutet, er könnte Reifenspuren hinterlassen haben. Mit etwas Glück sogar ein brauchbares Profil.“
„Sie denken doch nicht etwa daran, hier sämtliche parkenden Fahrzeuge entfernen zu lassen und zwei Dutzende Erkennungsdienstler nach Reifenspuren suchen zu lassen!“, empörte sich Jensen und stemmte dabei seine unwahrscheinlich langen Arme in die Hüften.
„Genau so etwas hatte ich im Sinn, Kommissar Jensen.“
„Hören Sie, das ist Wahnsinn und steht auch überhaupt nicht im Verhältnis zu den zu erwartenden Ergebnissen! Wir haben sehr wahrscheinlich den Täter und es reicht vollkommen, um ihm so viele der zurückliegenden Fälle nachzuweisen, dass er entweder für den Rest seiner Tage in die Psychiatrie oder in eine Gefängniszelle wandert! Wo genau er Rabea Frerich nun betäubt und wo er sie getötet hat, ob das schon hier war oder ein paar Straßenzüge weiter auf dem brachliegenden Gelände dieser Spedition – das spielt doch keine so gewichtige Rolle! Zumal uns Benny sicherlich bald darüber Auskunft geben wird! Da bin ich mir sicher! Diese Typen kenne ich! Die brennen doch regelrecht darauf, wenn sie jemandem ihr verquastes Weltbild erzählen können!“
„Und Sie meinen, vor lauter Dankbarkeit verraten sie uns dann auch Tathergang und Motiv?“
„Bei allem Respekt, Kommissar Norden, aber das wäre nun wirklich nicht das erste Mal.“
„Trotzdem, ich wüsste es gerne genau und würde Sie bitten, eine entsprechende erkennungsdienstliche Aktion anzuordnen. Und zwar möglichst, bevor es einen länger anhaltenden Regenguss gibt, der vielleicht sämtliche noch vorhandenen und verwertbaren Spuren vernichtet.“
Mir war die ganze Zeit schon aufgefallen, was für ein nachdenkliches Gesicht Dr. Frank Martin machte. Dem Psychologen und Profiler in den Diensten des Bremer Polizei schien irgendetwas gegen den Strich zu gehen. Mir war noch nicht so recht klar, was das wohl sein mochte, aber er bot im Moment das Bild eines Menschen, der sehr intensiv nachdachte.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er kratzte sich am Hinterkopf und ich bekam ganz unerwartet einen Bundesgenossen für meine Ansicht...
„Herr Jensen, ich wüsste auch gerne, wo genau die Tat stattgefunden hat. Und ich halte es auch nicht für übertrieben, die von Kommissar Norden angesprochene Aktion hier durchzuführen.“
„Und darf ich vielleicht auch den Grund für Ihre Ansicht erfahren?“, fragte Kommissar Jensen.
Dr. Martin schüttelte